Große Erwartungen an den jungen Minister |
20.05.2011 14:02 Uhr |
Von Daniel Rücker und Stephanie Schersch / Daniel Bahr ist jung, smart und selbstbewusst. Mit dem Gesundheitsressort übernimmt er eines der schwierigsten Ämter im Kabinett. Die Erwartungen an den neuen Minister sind hoch.
Daniel Bahr ist ein Senkrechtstarter. Schon bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2009 wurde er als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Bundesgesundheitsministers gehandelt. Zugetraut hatten ihm den Posten viele, trotz seines jungen Alters. Bahr galt schon damals als Kenner des deutschen Gesundheitssystems, den nötigen Ehrgeiz für ein Ministeramt hatte er allemal. Als schließlich Philipp Rösler das Amt übernahm, zog Bahr als Staatssekretär mit ihm in das Gesundheitsministerium in der Berliner Friedrichstraße ein.
Dort hat er bereits maßgeblich am gesundheitspolitischen Kurs der schwarz-gelben Koalition mitgewirkt, Rösler griff bei vielen Entscheidungen auf die Fachkompetenz seines Parteikollegen zurück. Dass Bahr nun neuer Gesundheitsminister wird, werten viele Beobachter daher als logische Konsequenz.
Mit seinen erst 34 Jahren hat Bahr bereits eine steile FPD-Karriere hingelegt: Als 14-Jähriger wurde er Mitglied der Jungen Liberalen (JuLis), weil er feststellte, »dass sie sich über dieselben Dinge in der Schulpolitik aufregten wie ich«, sagt Bahr. Im Jahr 1992 trat er auch der FDP bei. Mit 23 Jahren führte er die JuLis als Bundesvorsitzender. Seit 2001 ist er Mitglied im Vorstand der FDP, kurz darauf zog er als Abgeordneter in den Bundestag ein. Als großen politischen Erfolg kann Bahr seine Wahl zum Vorsitzenden des einflussreichen FDP-Landesverbands in Nordrhein-Westfalen verbuchen.
Neben dem Aufstieg in der FDP machte Bahr eine Lehre zum Bankkaufmann und studierte anschließend Volkswirtschaft in Münster. Später kam ein Aufbaustudium mit den Schwerpunkten Gesundheit und Krankenhausmanagement dazu. Das Thema Gesundheit machte Bahr auch zum Kern seiner politischen Arbeit. Er war Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags und ab 2005 gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Von der Oppositionsbank aus übte er häufig scharfzüngige Kritik an der Politik der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).
Äußerlich wirkt Bahr auf manche wie der ideale Mann, den sich Mütter als Schwiegersohn wünschen. Er ist smart, redegewandt, denkt schnell und reagiert schlagfertig. Dass er mitunter aber auch bissig sein kann, ist spätestens seit seiner »Wildsau-Attacke« auf den Koalitionspartner CSU bekannt. Damals hatten die Christlich-Sozialen Rösler mit seinem Modell einer Gesundheitsprämie auflaufen lassen. Bahr war daraufhin der Kragen geplatzt: Die CSU sei »als Wildsau aufgetreten« und habe sich »nur destruktiv« gezeigt, schimpfte er. Dafür fing er sich prompt einen Rüffel der Kanzlerin ein.
Auch privat die Gesundheit im Blick
Privat macht Bahr seinem neuen Amt als Bundesgesundheitsminister alle Ehre: Er treibt viel Sport und achtet auf seine Ernährung. Mehrmals hat er an einem Marathon teilgenommen, er klettert gern und ist passionierter Skiläufer. Wenn möglich nimmt er sich die Zeit, selbst zu kochen – als Anhänger der Slow-Food-Bewegung. Zusammen mit einer Reihe von Bundestagsabgeordneten hat er seine Lieblingsrezepte in einem Kochbuch veröffentlicht. In Familiendingen gibt Bahr sich eher zugeknöpft. Gemeinsam mit seiner Frau, einer Rechtsanwältin, pendelt er regelmäßig zwischen Berlin und seiner Heimatstadt Münster. Dort betreibt seine Mutter einen Weinhandel, sein Vater ist Polizist.
In der Gesundheitspolitik wird sich mit dem Wechsel an der Spitze des Ministeriums zunächst wenig ändern, Bahr wird die Politik seines Vorgängers weitgehend fortsetzen. Plötzliche Brüche sind nicht zu erwarten, schließlich hat Bahr am gesundheitspolitischen Kurs Röslers stets mitgewirkt. Er kündigte aber bereits an, auch eigene Vorstellungen umsetzen zu wollen.
Mit Rösler verbindet Bahr neben der Gesundheitspolitik auch eine Freundschaft. Zusammen mit FPD-Generalsekretär Christian Lindner bilden sie das junge Trio der Liberalen, das die Partei zurzeit gehörig aufmischt. Sie fordern eine programmatische Neuausrichtung der FDP und treten für einen sozialen Liberalismus ein. Als Guido Westerwelle vor dem Drei-Königs-Treffen im Januar als Parteichef zu wackeln begann, trieb Bahr zusammen mit Rösler und Lindner die personelle Erneuerung der Partei voran und bekräftigte damit den Führungsanspruch der jungen Garde.
Viele in der Partei sagen Bahr einen unbedingten Willen zur Macht nach. Er weiß, was er will, so viel steht fest. Von diesem Selbstbewusstsein könnte Bahr im Amt des Bundesgesundheitsministers durchaus profitieren. Nicht umsonst ist die Gesundheitspolitik auch als Haifischbecken bekannt, beim Bürger punkten kann ein Gesundheitsminister nur in den seltensten Fällen. Die Erwartungen an ihn sind in der Regel sehr hoch.
Kassen und Verbände begrüßten indes einstimmig Bahrs Ernennung zum Minister. »Neben seiner Dialogbereitschaft ist es vor allem seine Fachkompetenz, die uns Ärztinnen und Ärzte auch für die Zukunft auf eine fruchtbare Zusammenarbeit hoffen lässt«, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. AOK-Vizechef Jürgen Graalmann zeigte sich zuversichtlich, dass die Staffelübergabe im Ministerium reibungslos funktionieren werde. Die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeifer, nannte Bahrs Ernennung ebenfalls eine »gute Entscheidung«.
Viele Aufgaben warten auf ihn
Ob Bahr diesen Vorschusslorbeeren gerecht werden wird, bleibt abzuwarten. Bis zum Sommer muss er zunächst die Pflegeversicherung reformieren, ein Mammutprojekt, das Rösler bereits angeschoben hat. Die Apotheker warten zudem auf die neue Apothekenbetriebsordnung. Bahr hat sich in diesem Zusammenhang wiederholt für weniger Bürokratie und mehr Freiheit ausgesprochen. Ein positives Zeichen aus Sicht der Apotheker ist, dass Bahr regelmäßig auf Apothekerveranstaltungen zu Gast ist und somit eine solide Basis für einen Meinungsaustausch gelegt ist.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf rechnet deshalb mit einer konstruktiven Zusammenarbeit: »Wir freuen uns darüber, dass ein ausgewiesener Gesundheitsexperte an die Spitze des Ministeriums rückt. Wir kennen und schätzen Daniel Bahr als Oppositionspolitiker und als Staatssekretär.« Die Apotheker hätten einiges mit dem Ministerium zu besprechen. Wolf: »Unsere wichtigsten Themen sind das Versorgungskonzept zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung, die Folgen des AMNOG und die zukünftige Honorierung apothekerlicher Leistungen.«
Nach Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ist Bahr nun zweitjüngstes Mitglied im Kabinett. Er fühlt sich der Herausforderung als neuer Minister gewachsen. »Ich starte mit Respekt, Freude und voller Tatendrang in die neue Aufgabe«, schrieb er auf seiner Facebook-Seite kurz nach seiner Vereidigung im Deutschen Bundestag. /