Kurze Schlafphasen für Nervenzellen |
20.05.2011 12:45 Uhr |
PTA-Forum / Jeder kennt das Phänomen: Bei Schlafmangel lassen Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit nach. Müde Menschen machen sogar bei einfachen Tätigkeiten mitunter grobe Fehler. Nun ist ein Team US-amerikanischer Neurologen der Ursache für die Fehlleistungen auf der Spur.
Professor Dr. Giulio Tononi, Psychiater und Hirnforscher an der Universität von Wisconsin-Madison, entdeckte mit seinen Kollegen im Tierversuch mit Ratten, dass einzelne Nervenzellen in eine Art Dämmerzustand verfallen und regelrecht abschalten. Diese Neuronen stehen also vorübergehend für ihre eigentlichen Aufgaben nicht mehr zur Verfügung.
Außerdem nahm die Tendenz, dass Nervenzellen in den Ruhezustand übergehen, mit der Zeit zu: Je länger der Schlafmangel dauerte, desto häufiger schalteten sie ihre Aktivität ab. Gleichzeitig stieg die Fehlerquote der Versuchstiere an. »Schliefen« die Nervenzellen zwischen 300 bis 800 Millisekunden vor den Testaufgaben, erhöhte sich die Misserfolgswahrscheinlichkeit der Ratten um 38 Prozent. Obwohl Tononis Team dieses Phänomen bisher nur bei Ratten beobachtete, sind die Wissenschaftler davon überzeugt, dass es ähnliche Prozesse auch bei Menschen gibt.
In ihrem Experiment implantierten die Forscher 11 Ratten winzige Elektroden ins Gehirn, mit denen sie die Aktivität einer einzelnen Hirnzelle messen konnten. Damit erfassten sie die Vorgänge im Gehirn während eines normalen Schlaf-Wach-Zyklus und während einer Phase, in der sie die Tiere künstlich vier Stunden länger wach hielten als normal. So stellten sie den Ratten beispielsweise ständig neues Spielzeug in den Käfig.
Zur Überraschung der Forscher schalteten sich in dieser Periode des Schlafentzugs immer wieder einzelne der überwachten Neuronen aus – zuerst nur ab und zu, dann jedoch immer häufiger. Das Gesamt-EEG glich dagegen dem eines wachen, aktiven Tieres. Auch äußerlich war den Ratten trotz Schlafentzug nichts anzumerken. Sie hatten die Augen geöffnet und reagierten auf Reize von außerhalb, berichten die Wissenschaftler. Erst als die Tiere anspruchsvolle Aufgaben lösen sollten, zeigten sich die Folgen der fehlenden Nervenzellen: Mit der Zunahme der Aussetzer stieg auch die Fehlerquote der Tiere.
Dieser lokale Schlaf, wie die Forscher das Phänomen nennen, sei etwas völlig anderes als der klassische Sekundenschlaf, denn dabei verändere sich für kurze Zeit auch das gesamte EEG. Sie sind davon überzeugt, dass die Neuronen-Nickerchen viele der Probleme verursachen, die bei Menschen mit exzessivem Schlafmangel zu beobachten sind. Die Abschaltphasen der Nervenzellen deuten sie als Zeichen neuronaler Erschöpfung.
Fraglich bleibt, ob das ganze Phänomen dazu dient, Energie zu sparen oder Regenerationsprozesse anzustoßen. Es könne sich dabei auch um eine nützliche Anpassung handeln, die es einem Teil der Hirnzellen ermögliche sich auszuruhen, während die anderen das Tier oder den Menschen wach hielten. Etwas Ähnliches gibt es heute noch bei Tieren, die ständig in Bewegung sind wie Vögel oder manche Meeressäuger: Bei ihnen schläft immer nur ein Teil des Gehirns, zum Beispiel eine Hirnhälfte, und der andere steuert die Bewegung. /
Quelle: Nature