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Neue Wirkstoffe

Pertuzumab und Colestilan

19.04.2013  14:22 Uhr

Von Sven Siebenand / Zwei neue Arzneistoffe kamen im April auf den deutschen Markt. Pertuzumab ist ein neues Medikament gegen Brustkrebs, Colestilan ein Phosphatbinder zur Behandlung der Hyperphosphatämie bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung. Zudem kam Mitte des Monats ein weiteres Asparaginase-Präparat in den Handel. Neu ist der Wirkstoff nicht, dafür aber dessen Herkunft.

Brustkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen. Jedes Jahr diagnostizieren Ärzte weltweit rund 1,4 Millionen neue Fälle. Pro Jahr sterben mehr als 450 000 Frauen an dieser Krankheit. Bei rund 15 bis 20 Prozent der Betroffenen sind auf der Oberfläche der Tumorzellen erhöhte Mengen des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (HER2) vorhanden.

Diese Tumoren werden als HER2-positiv bezeichnet, eine besonders aggres­sive Form des Brustkrebses. Trastuzumab (Herceptin®) war das erste Medikament, das speziell für die Behandlung von HER2-positivem Brustkrebs entwickelt wurde. Es verlängert zwar die Überlebenszeiten der Patientinnen, doch bei vielen Betroffenen schreitet die Erkrankung innerhalb eines Jahres fort. Also besteht weiter großer Bedarf an neuen, wirksamen und gut verträglichen Therapien.

Neues Brustkrebsmittel

Mit Pertuzumab (Perjeta® 420 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Roche) kam Anfang April 2013 ein weiterer monoklonaler Antikörper auf den Markt, der zielgerichtet am HER2-Rezeptor angreift. Pertuzumab soll ergänzend zu Trastuzumab wirken, da es an einer anderen Stelle des HER2-Rezeptors bindet als das bisher eingesetzte Präparat. Pertuzumab wurde entwickelt, um zu verhindern, dass sich der HER2-Rezeptor mit anderen HER-Rezeptoren auf der Oberfläche von Zellen verbindet (»dimerisiert«). Experten gehen davon aus, dass dieser Vorgang beim Krebswachstum eine wichtige Rolle spielt. Die Bindung von Pertuzumab an HER2 könnte darüber hinaus dem Immunsystem signalisieren, die Krebszellen zu zerstören. Die Kombination der zwei Antikörper Pertuzumab und Trastuzumab mit einer Chemotherapie blockiert die HER-Signalwege vermutlich umfassender.

Pertuzumab ist zugelassen in Kombination mit Trastuzumab und Doce-taxel bei erwachsenen Patientinnen mit HER2-positivem metastasierendem oder lokal wiederkehrendem, nicht operierbarem Brustkrebs, die zuvor noch keine Anti-HER2-Therapie oder Chemotherapie erhalten haben.

Die empfohlene Initialdosis sind 840 mg Pertuzumab, verabreicht als 60-minütige intravenöse Infusion. Danach erhalten die Patientinnen Erhaltungsdosen von jeweils 420 mg im Abstand von drei Wochen. Die Therapie kann der Arzt bis zur Krankheitsprogression weiterführen oder bis nicht mehr kontrollierbare toxische Reaktionen auftreten. Laut Fachinformation ist es egal, in welcher Reihenfolge Trastuzumab und Pertuzumab appliziert werden. Docetaxel sollten die Patientinnen jedoch nach Pertuzumab und Trastuzumab verabreicht bekommen.

Vor dem Therapiestart muss der Arzt untersuchen, ob der ausgeworfene Anteil der linken Herzkammer (engl: left ventricular ejection fraction, LVEF) im Normalbereich liegt. Dies muss er nicht nur vor, sondern auch in regelmäßigen Abständen während der Behandlung überprüfen. Wenn die LVEF zu niedrig liegt, sollte er die Behandlung mit Pertuzumab und Trastuzumab unterbrechen und die LVEF nach etwa drei Wochen noch einmal bestimmen. Hat sie sich nicht verbessert oder ist weiter abgesunken, muss der Arzt das individuelle Nutzen-Risiko-Verhältnis der Patientin abwägen und die beiden Wirkstoffe gegebenenfalls absetzen. Nach jeder Infusion von Pertuzumab empfiehlt der Hersteller, die Patientin 30 bis 60 Minuten zu beobachten, bevor die Infusion von Trastuzumab oder Docetaxel erfolgt. Pertuzumab wird mit Infusions- und Überempfindlichkeitsreaktionen in Verbindung gebracht. Bei Symptomen einer anaphylaktischen Reaktion muss die Infusion sofort abgebrochen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Infusion nur dann erfolgen darf, wenn in der Umgebung sofort eine vollständige Ausrüstung zur Wiederbelebung verfügbar ist und das medizinische Personal in der Behandlung einer Anaphylaxie geschult ist.

Bei der Kombination von Pertuzumab, Trastuzumab und Chemotherapie wurden bei mehr als 30 Prozent der Patientinnen als häufigste Nebenwirkungen Durchfall, Haarausfall, niedrige Zahl der weißen Blutkörperchen mit oder ohne Fieber, Magenverstimmung, Müdigkeit, Hautausschlag und periphere Neuropathie (Taubheit, Kribbeln oder Nervenschädigung) beobachtet. Bei mehr als 2 Prozent der Patienten erniedrigte sich die Zahl der weißen Blutkörperchen mit oder ohne Fieber sowie die Zahl der roten Blutkörperchen und außerdem traten Durchfall, Nervenschäden, Schwäche und Müdigkeit auf.

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und in den sechs Monaten nach der letzten Infusion effizient verhüten. Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, sollen kein Pertuzumab erhalten. In der Stillzeit muss der Arzt entscheiden ob die Frau das Stillen oder die Behandlung abbrechen soll.

Pertuzumab muss im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius gelagert werden.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion können die Nieren nicht mehr in ausreichender Menge Phosphat mit dem Urin ausscheiden. Das Phosphat kumuliert im Körper, was in einer Hyperphosphatämie münden kann. Das kann zur sogenannten renalen Osteopathie führen, die sich durch Knochenschmerzen und eine Tendenz zu Knochenbrüchen äußert. Phosphor bindet zudem an Calcium. Das kann Ablagerungen an Gefäßwänden, Herz, Lunge und anderen inneren Organen zur Folge haben und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Neuer Phosphatbinder

Mit Colestilan (BindRen® 1 g Filmtabletten und 2 g sowie 3 g Granulat, Mitsubishi Pharma Europe) kam im April 2013 ein nicht-resorbierbarer Phosphatbinder in Deutschland auf den Markt. In Japan wird die Substanz schon seit 1999 bei Hypercholesterolämie eingesetzt. Das Anwendungsgebiet in der EU ist jedoch ein anderes. Zugelassen ist Colestilan hierzulande zur Behandlung der Hyper­phosphatämie bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium 5, die eine Hämo- oder Peritonealdialyse erhalten.

Colestilan ist ein nicht-resorbier­bares polymer­basiertes Ionenaustauscherharz zur oralen Einnahme. Es senkt den Serumphosphat-Spiegel, indem es Phosphorsäure im Magen-Darm-Trakt bindet, die dann mit den Fäkalien ausgeschieden werden kann.

Als Anfangsdosis sind 6 bis 9 g pro Tag empfohlen. Die Dosis sollten die Patienten in drei gleich große Dosen aufgeteilt mit oder unmittelbar nach den Mahlzeiten einnehmen. Alle zwei bis drei Wochen kann die Dosis erhöht werden, bis die Phosphat­konzentration im Blut akzeptabel ist. Die Höchst­dosis sind 15 g Wirkstoff pro Tag. Patienten müssen den Phosphatspiegel regelmäßig überprüfen lassen und sollten sich zudem phosphatarm ernähren.

In klinischen Studien trat bei etwa drei von zehn Patienten mindestens eine Nebenwirkung auf. Die schwersten unerwünschten Wirkungen sind gastrointestinale Blutungen sowie Verstopfung, zu den sehr häufigen zählen Übelkeit, Sodbrennen und Erbrechen. Menschen mit Darmverschluss dürfen den Phosphatbinder nicht erhalten. Nicht empfohlen wird das Mittel zum Beispiel Patienten mit Schluckstörungen, schwerer Leberfunktionsstörung und Krampfleiden.

Colestilan kann die Bioverfügbarkeit oder Resorptionsrate anderer Arzneimittel beeinflussen. Das gilt zum Beispiel für Steroidhormone, sodass die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva beeinträchtigt werden kann. Welchen Rat können PTA oder Apotheker den Patienten geben? Nimmt der Patient regelmäßig ein Arzneimittel ein, bei dem eine Reduktion der Bioverfügbarkeit sich auf die Sicherheit oder Wirksamkeit klinisch relevant auswirken könnte, sollten sie dieses Arzneimittel mindestens eine Stunde vor oder drei Stunden nach Colestilan einnehmen. Die gleichzeitige Einnahme von Arzneimitteln mit einem engen therapeutischen Fenster erfordert die Dosierung von Colestilan anzupassen oder die Wirkstoffkonzentrationen sowie Nebenwirkungen dieses Arzneimittels eng zu überwachen. So wird beispielsweise bei Patienten mit einer Unterfunktion der Schilddrüse bei gleichzeitiger Gabe von Levothyroxin und Colestilan eine enge Überwachung empfohlen.

Colestilan hat in klinischen Studien von bis zu einem Jahr die Resorption der Vitamine A, D, E oder K nicht klinisch relevant verringert. Bei der Behandlung von Patienten, zum Beispiel mit Mal­absorptions-Syndromen und unter Antikoagulanzientherapie mit Coumarin, ist jedoch Vorsicht geboten. Bei diesen Patienten wird empfohlen, die Konzentrationen von Vitamin A, D und E zu überwachen oder den Vitamin K-Status durch Messung der Gerinnungsparameter zu kontrollieren, und die Vitamine falls erforderlich zu ergänzen. /

Neues Asparaginase-Präparat

Mit Erwinase® Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung von Eusa Pharma SAS gibt es ab Mitte April 2013 ein neues L-Asparaginase-Präparat für die Therapie akuter lymphatischer Leukämie. Im Gegensatz zu normalen Körperzellen können Leukämiezellen die Aminosäure Asparagin nicht selbst herstellen und sind deshalb auf zirkulierendes Asparagin angewiesen, um überleben zu können.

Das Enzym Asparaginase spaltet Asparagin in Ammoniak und Asparaginsäure, wodurch Asparagin den Krebszellen nicht mehr zur Verfügung steht. Bei einigen Patienten rief aus Escherichia coli-Bakterien gewonnene Asparaginase schwere allergische Reaktionen hervor. Im Unterschied dazu stammt das Enzym bei Erwinase aus einer anderen bakteriellen Quelle: Erwinia chrysanthemi. Damit können mit dem neuen Präparat auch Patienten behandelt werden, die auf Asparaginase aus Escherichia coli überempfindlich reagieren. Zugelassen ist Erwinase als Bestandteil einer krebshemmenden Kombinationstherapie bei Kindern und Erwachsenen mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL).

In der Fachinformation des neuen Medikaments weist der Hersteller darauf hin, dass auch Erwinase als bakterielles Protein das Potenzial besitzt, allergische Reaktionen auszulösen, welches sich bei wiederholter Gabe erhöht. Zur Behandlung einer möglichen anaphylaktoiden Reaktion während der Verabreichung sollte eine entsprechende Ausrüstung bereitstehen. Die vitalen Parameter müssen überwacht und/oder korrigiert werden.

Als therapeutische Maßnahmen kommen zum Beispiel die Gabe von Sauerstoff, Catecholaminen, Glucocorticoiden und Volumensubstitution infrage. Die Erwinase-Behandlung muss dann sofort unterbrochen und abgesetzt werden.

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