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Arzneimitteltherapie

Neue Arzneistoffe im Juli 2010

01.07.2010  11:18 Uhr

Arzneimitteltherapie

Neue Arzneistoffe im Juli 2010

von Sven Siebenand

Zwei neue Wirksubstanzen kamen im vergangenen Monat auf den deutschen Markt. Denosumab ist ein Präparat gegen Osteoporose mit neuartigem Wirkmechanismus, Pazopanib eine neue Therapieoption für Patienten mit Nierenkrebs.

Osteoporose wird oft als »stille Epidemie« bezeichnet, denn sie ist ein Problem mit  zunehmender Bedeutung: Die Weltbevölkerung wächst, und die Menschen werden immer älter. Erst kürzlich hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Osteoporose als vorrangiges Gesundheitsproblem eingestuft. In der EU erkranken schätzungsweise 30 Prozent aller Frauen nach der Menopause an Osteoporose, und in dieser Gruppe erleiden mehr als 40 Prozent im Laufe ihres Lebens osteoporosebedingte Frakturen.

 

Die direkten durch Osteoporose bedingten Kosten sollen in der EU derzeit jährlich 36 Milliarden Euro betragen. Da die Lebenserwartung der Menschen wahrscheinlich auch in Zukunft immer noch zunimmt, dürften die Kosten weiter steigen, auch in Deutschland. Neben körperlichem Training und geeigneter, vor allem Calcium-reicher Ernährung tragen Medikamente dazu bei, den Knochenabbau zu verlangsamen und das Frakturrisiko zu senken.

 

Erster RANK-Ligand-Hemmer

Mit Denosumab (Prolia® 60 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Amgen/GSK) ist seit Anfang Juli ein neues Medikament zur Behandlung der Osteoporose verfügbar. Der monoklonale Antikörper wurde zugelassen zur Behandlung von Frauen nach den Wechseljahren, deren Frakturrisiko erhöht ist. Zudem können Ärzte den neuen Arzneistoff auch Männern verordnen, um Knochenschwund aufgrund einer Behandlung gegen Prostatakrebs entgegenzuwirken. Bei Patienten mit Prostatakrebs wird die Hormonproduktion therapeutisch unterdrückt, sodass auch ihre Knochen an Dichte verlieren. Nach Angaben der Hersteller gibt es außer Denosumab keinen anderen von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugelassenen Arzneistoff gegen Osteoporose als unerwünschte Wirkung einer Prostatakrebstherapie.

 

Anders als andere Osteoporose-Medikamente muss der verschreibungspflichtige Wirkstoff nur zweimal jährlich subkutan in den Oberschenkel, die Bauchregion oder die Rückseite des Armes injiziert werden. Die empfohlene Dosis beträgt 60 mg. Der Arzt sollte zudem sicherstellen, dass Patienten während der Denosumab-Behandlung angemessen mit Calcium und Vitamin D versorgt sind.

 

Der Wirkmechanismus von Denos­umab unterscheidet sich deutlich von dem anderer Osteoporosemittel: Der monoklonale Antikörper hemmt spezifisch den ­sogenannten RANK-Liganden, ein Protein aus der Familie der Tumornekrosefaktoren (RANK = Receptor Activator of NF-KB). ­Dieser Botenstoff ist wichtig für die Regulation der Osteoklasten, also derjenigen Zellen, die für den Knochenabbau verantwortlich sind. Nach den Wechseljahren sinkt bei den Frauen der Estrogenspiegel deutlich ab, infolgedessen steigt die Produktion der RANK-Liganden und damit die Aktivität der Osteoklasten. Viele Frauen erkranken dann an Osteoporose, und ihr Frakturrisiko ist erhöht. Denosumab bindet an diese RANK-Liganden und hemmt sie, sodass die Neubildung der Botenstoffe nachlässt und die Osteoklasten an Aktivität einbüßen. Auf diese Weise wird der Knochenschwund gemindert, die Knochendichte bleibt erhalten, und das Knochenbruchrisiko nimmt ab.

 

Die in Studien am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen von Denosumab sind Infektionen der Harnwege, der oberen Atemwege, Ischiassyndrom, Verstopfung, Hautausschlag, Schmerzen in den Armen oder Beinen sowie Linsentrübungen (Katarakte). Katarakte traten in erster Linie bei Männern auf, die gegen Prostatakrebs behandelt wurden. Kontraindiziert ist De­nosumab bei Patienten mit zu niedrigen Calciumspiegeln im Blut (Hypokalzämie). In der Fachinformation von Prolia weisen die Hersteller explizit auf mögliche Hautinfektionen hin, hauptsächlich bakterielle Entzündungen des Unterhautgewebes.

 

Risiko Kiefernekrose

PTA oder Apotheker sollten die Patienten bitten, sofort ihren Arzt aufzusuchen, falls sie Anzeichen einer solchen Entzündung bemerken. Auch die Möglichkeit von Nekrosen am Kiefer wird in der Fachinformation genannt. Daher sollten Patienten mit Risikofaktoren vor Beginn der Behandlung ihren Kiefer vom Zahnarzt untersuchen lassen. Während der Therapie mit Denosumab sollten bei diesen Patienten invasive Eingriffe an den Zähnen möglichst unterbleiben. Zudem sollten die Patienten während der Behandlung auf eine gute Mundhygiene achten.

 

Neues Mittel gegen Nierenkrebs

Das Nierenzellkarzinom ist die häufigste Art von Nierenkrebs. Derzeit werden weltweit jedes Jahr mehr als 200.000 neue ­Fälle diagnostiziert, und es sterben mehr als 100.000 Patienten daran. Obwohl ein operativer Eingriff im Frühstadium der Erkrankung die Heilung ermöglicht, entwickeln viele Patienten nach der Operation ein Rezidiv, wahrscheinlich weil der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose bereits fortgeschritten war. Das Nierenzellkarzinom spricht häufig nicht auf Standard-Chemotherapien an – ein Grund mehr, neue Wirkstoffe zur Behandlung dieser Krebsform zu entwickeln.

 

Mit Pazopanib (Votrient® 200 und 400 mg Filmtabletten, GSK) kam Mitte Juli eine solche neue Therapieoption auf den deutschen Markt. Zugelassen ist Pazo­panib für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, entweder als Erstlinien-Therapie oder nach einer Behandlung mit Zytokinen. Allerdings knüpfte die europäische Zulassungsbehörde EMA an die Zulassung Auflagen: Sie fordert weitere Daten aus einer laufenden Vergleichsstudie mit einem anderen Wirkstoff. Die Zulassung muss daher auch jährlich erneuert werden.

 

Pazopanib ist ein sogenannter Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor. Der Arzneistoff blockiert eine Reihe von Enzymen, die als Proteinkinasen bezeichnet werden. Diese Enzyme fördern unter anderem Wachstum und Ausbreitung der Krebszellen. Pazo­panib hemmt verschiedene Rezeptoren, an denen diese Enzyme angreifen, zum Beispiel den Vascular Endothelial Growth Factor Receptor (VEGFR), den Platelet-Derived Growth Factor Receptor (PDGFR) und den c-kit. Dadurch hält Pazopanib möglicherweise das Tumorwachstum auf oder verlangsamt es.

 

Immer auf leeren Magen

Die empfohlene Dosis des Wirkstoffes beträgt 800 mg einmal täglich. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, kann der Arzt die Dosis stufenweise in 200 mg Schritten anpassen. PTA und Apotheker sollten den Patienten empfehlen, die Filmtabletten auf nüchternen Magen einzunehmen, das heißt, entweder mindestens eine Stunde vor oder mindestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit. Wichtig: Die Patienten dürfen die Filmtabletten nicht zerbrechen oder zerkleinern. Patienten mit leichter bis mäßiger Leberfunktionsstörung sollten nur mit Vorsicht und unter engmaschiger Überwachung Pazopanib erhalten, bei ­Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung ist Pazopanib kontraindiziert. Laut Fachinformation müssen Ärzte einige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung von Pazopanib beachten. Unter anderem muss vor Beginn der Therapie der Blutdruck gut eingestellt sein. Da der Arzneistoff die Wundheilung verzögert, sollten die Patienten  Pazopanib mindestens sieben Tage vor einer Operation absetzen; nach der OP entscheidet der Arzt anhand der Wundheilung, wann die Behandlung fortgesetzt werden kann.

 

Auch muss er einige Wechselwirkungen beachten. So kann zum Beispiel die gleichzeitige Einnahme von starken CYP3A4-Hemmern (wie Ketoconazol, Clarithromycin, Itraconazol und auch Grapefruitsaft) die Pazopanib-Konzentration im Blut erhöhen und sollte deshalb vermieden werden. Die Kombination mit CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin sollte ebenfalls unterbleiben, denn sie verringern die Pazopanib-Konzentration.

 

Bei mindestens 20 Prozent der Patienten traten als Nebenwirkungen Durchfälle, Blutdrucksteigerungen, farbliche Veränderungen der Haare, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen auf. Zu den wichtigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen zählen Schlaganfälle, Ischämien sowie Blutungen. Sie wurden bei weniger als 1 Prozent der behandelten Patienten beobachtet.

E-Mail-Adresse des Verfassers:
siebenand(at)govi.de

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