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Arzneimitteltherapie

Neuer Wirkstoff im Juni 2012

22.06.2012  16:33 Uhr

Von Sven Siebenand / Erstmals hat ein Wirkstoff die Zulassung zur Behandlung des Morbus Cushing erhalten. Das Somatostatin- Analogon Pasireotid darf bei erwachsenen Patienten angewendet werden, für die ein chirurgischer Eingriff nicht in Frage kommt oder denen eine Operation nicht half. Seit Mitte Juni ist das neue Arzneimittel in Deutschland erhältlich.

Morbus Cushing ist eine seltene Erkrankung: Schätzungen zufolge leben etwa 3000 Betroffene in Deutschland. Von zwei Millionen Menschen erkranken jährlich etwa zwei neu, am häufigsten zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr. Mehr als 70 Prozent der Patienten sind Frauen.

Charakteristisch für Morbus Cu­shing ist die Gewichtszunahme, hauptsächlich eine bauchbetonte Adipositas, sowie ein »Vollmondgesicht« und Fettpolster im Nacken. Häufig erkennen Ärzte die Krankheit auch an den sogenannten Striae rubrae (Dehnungsstreifen) und an einem geröteten Gesicht. Ferner neigen Betroffene zu Hautblutungen, Wundheilungsstörungen und Muskelschwäche. Mit Morbus Cushing gehen viele andere Erkrankungen einher, beispielsweise Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Depressionen, Psychosen sowie Osteoporose.

Die Krankheit wird durch einen gutartigen Tumor der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) verursacht, der eine zu große Menge des Hormons ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) produziert. In der Folge produzieren die Nebennieren zu viel Cortisol und nach und nach bilden sich die typischen Krankheitssymptome aus.

Standardtherapie ist die operative Entfernung des Tumors. Alternativ dazu erhalten die Patienten auch eine Strahlentherapie oder ihnen werden die Nebennieren entfernt. Nachdem in der Vergangenheit Ärzte auch einige Medikamente einsetzten, – allerdings als Off-Label-Use – wurde mit dem Somatostatin-Analogon Pasireotid (Signifor® 0,3 mg/0,6 mg und 0,9 mg Injektionslösung, Novartis Pharma) nun der erste Wirkstoff bei Morbus Cushing zugelassen. Weil die Krankheit so selten ist, handelt es sich um ein Orphan Drug.

Der neue Arzneistoff bindet an vier der fünf Somatostatin-Rezeptoren (sst1 bis sst5), wobei die Zellen des Hypophysentumors bei Morbus Cushing den Rezeptor sst5 besonders stark exprimieren. Verglichen mit anderen Somatostatin-Analoga ist die Affinität von Pasireotid zum Somatostatin-Rezeptor sst5 fast 40-fach erhöht. Somit hemmt Pasireotid zielgerichtet die ACTH- Sekretion und damit die Cortisolbildung in den Nebennieren.

Zwei Monate warten

Als Anfangsdosis empfiehlt der Hersteller in der Fachinformation zwei subkutane Injektionen von 0,6 mg Pasireotid pro Tag. Nach Anleitung können sich Patienten den Arzneistoff selbst spritzen, vorzugsweise in den oberen Teil des Oberschenkels oder in den Bauch. Nach zwei Monaten beurteilt der Arzt die Wirkung der Behandlung anhand des Cortisolspiegls im Blut. Ist dieser deutlich verringert, kann die Therapie so lange fortgesetzt werden, wie sie dem Patienten hilft. Falls nötig erhöht der Arzt die Dosis von 0,6 auf 0,9 mg. Sprechen die Patienten nach zwei Monaten nicht auf den Arzneistoff an, setzt der Arzt Pasireotid unter Umständen wieder ab. Falls Nebenwirkungen auftreten, muss er eine Dosisreduzierung in Betracht ziehen. Patienten mit moderat eingeschränkter Leberfunktion sollten als Anfangsdosis nur zweimal täglich 0,3 mg erhalten. Bei Menschen mit schweren Lebererkrankungen darf das Arzneimittel nicht zum Einsatz kommen.

Als sehr häufige Nebenwirkungen von Pasireotid wurden in Studien Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit, Gallensteine und Müdigkeit beobachtet. Das Nebenwirkungsprofil von Pasireotid ähnelt damit dem anderer Somatostatin-Analoga. Einzige Ausnahme: Unter Pasireotid traten häufiger Überzuckerungen (Hyperglykämien) auf. Deshalb sollten Ärzte immer auch den Blutzucker der Patienten im Auge behalten.

Cortisolspiegel beachten

Bei einigen Patienten wirkt Pasireotid so gut, dass die ACTH-Produktion fast komplett unterdrückt wird und damit das zirkulierende Cortisol zu stark abnimmt. Dieser sogenannte Hypocortisolismus äußert sich in Schwäche, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Hypotonie und Hypoglykämie. Daher empfiehlt der Hersteller in der Fachinformation, den Patienten Anzeichen und Symptome des Hypocortisolismus zu erklären, damit sie gegebenenfalls direkt ihren Arzt aufsuchen können. Es kann sogar notwendig werden, dass Morbus Cushing-Patienten dann sogar vorübergehend ein Corti-coid einnehmen müssen, obwohl sie aufgrund ihrer Erkrankung zu viel Cortisol produzieren.

Pasireotid sollten Ärzte mit Vorsicht den Patienten verordnen, die gleichzeitig Arzneimittel erhalten, die das QT-Intervall verlängern. Dazu gehören Antiarrhythmika wie Amiodaron und Sotalol, bestimmte Antibiotika wie Clarithromycin und Moxifloxacin, einige Psychopharmaka wie Chlorpromazin und Haloperidol, bestimmte Antihistaminika wie Terfenadin und Mizolastin, einige Malariamittel wie Chloroquin, Halofantrin und Lumefantrin sowie das Antimykotikum Ketoconazol. Während der Behandlung mit Pasireotid sollten Patientinnen nicht stillen. Schwangere sollten den neuen Wirkstoff nicht erhalten – außer dies ist eindeutig erforderlich. /

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