Verbraucherschutz statt Gesundheitsversprechen |
22.06.2012 17:04 Uhr |
Von Dörte Lange / Schon seit vielen Jahren werben Hersteller auf Lebensmittelverpackungen mit positiven Eigenschaften wie »fettarm«, »energiereduziert« oder »hoher Ballaststoffgehalt«. Immer häufiger verwenden Firmen auf dem Etikett ihrer Produkte aber auch Begriffe, die einen angeblichen Gesundheitsnutzen versprechen. Dies hat die EU-Kommission nun mit einem Zulassungsprozess für sogenannte Health Claims in geordnete Bahnen gelenkt.
Schon immer waren Aussagen zum Gesundheitsnutzen eines Lebensmittels nur dann erlaubt, wenn sie wissenschaftlich fundiert waren. Der genaue Wortlaut blieb dem Hersteller überlassen. Das wird sich Ende des Jahres ändern: Ab Dezember 2012 dürfen in der Europäischen Union (EU) auf den Verpackungen nur noch solche Formulierungen stehen, die in der Liste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel aufgeführt sind.
Die eindeutige Kennzeichnung soll den Verbraucherschutz erhöhen. Lebensmittel mit irreführenden Versprechungen sollen vom Markt verschwinden. Mit diesem Ziel erließ die zuständige EU-Kommission bereits im Jahr 2006 die »Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel«. Laut dieser Verordnung sind alle Angaben verboten, die nicht im Wortlaut von der EU-Kommission zugelassen und in einer Liste zulässiger Angaben genannt sind. Zuständige Behörde für die Erstellung dieser EU-einheitlichen Liste ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA, www.efsa.europa.eu).
Deutsche Lebensmittelhersteller waren dazu aufgefordert, ihre Vorschläge für gesundheitsbezogene Angaben beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) einzureichen. Daraufhin prüften die Experten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) diese Angaben unter wissenschaftlichen Kriterien. Alle Vorschläge wurden anschließend in einer nationalen Liste gesammelt und der europäischen Kommission übermittelt. Bis zum 31. Januar 2008 waren bei der EFSA aus allen Mitgliedstaaten 44 000 Vorschläge für gesundheitsbezogene Angaben, sogenannte Health Claims, eingegangen. Die Angaben bezogen sich beispielsweise auf Vitamine und Mineralstoffe, Ballaststoffe, Fettsäuren und Polyphenole.
Ein Fünftel der Anträge erfolgreich
Mittlerweile hat die EFSA alle Anträge auf Zulassung von Health Claims einer strengen wissenschaftlichen Prüfung unterzogen. Die Sachverständigen stimmten etwa einem Fünftel der Anträge zu.
Die Bewertung fiel immer dann negativ aus, wenn die eingereichten Unterlagen keinen Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der behaupteten Wirkung belegten. Gründe hierfür waren beispielsweise mangelnde Informationen bezüglich eines Stoffes, zum Beispiel unvollständige Angaben zu probiotischen Bakterien oder nicht näher spezifizierten Ballaststoffen. Auch die mangelnde Genauigkeit von Begriffen wie »Vitalität«, »Frauengesundheit« oder »geistige Energie« bemängelten die Experten der EFSA. Gesundheitsbezogene Angaben, deren Bewertung noch nicht abgeschlossen ist, dürfen bis auf Weiteres verwendet werden.
Im ersten Durchgang befasste sich die EFSA nur mit gesundheitsbezogenen Angaben, die sich auf »allgemeine Funktionen« bezogen, beispielsweise auf den Einfluss eines Lebensmittels auf Wachstum, Entwicklung und Funktionen des Körpers. Angaben zu pflanzlichen Stoffen wurden nicht behandelt. In einer zweiten Phase sollen demnächst gesundheitsbezogene Angaben auf dem Prüfstand stehen, die die Entwicklung oder Gesundheit von Kindern betreffen oder die auf eine Verringerung des Krankheitsrisikos hinweisen. Ein Beispiel: »Ausreichende Calcium-Zufuhr kann zur Verringerung des Osteoporose-Risikos beitragen«.
Positivliste zahlreicher Health Claims
Von den rund 44 000 eingereichten gesundheitsbezogenen Angaben genehmigten die Wissenschaftler der EFSA am Ende 222 (Kasten). Die am 16. Mai 2012 veröffentlichte Liste gilt in allen Ländern der Europäischen Union und ist einsehbar unter http://ec.europa.eu/nuhclaims. Lebensmittelhersteller haben nunmehr die Rechtssicherheit, alle Health Claims der EU-Liste verwenden zu dürfen, sofern ihr Produkt die entsprechenden Eigenschaften besitzt.
In den folgenden sechs Monaten haben alle Firmen Gelegenheit, ihre Erzeugnisse beziehungsweise deren Kennzeichnung den neuen Anforderungen anzupassen. Ab Anfang Dezember 2012 sind alle nicht zugelassenen und noch nicht geprüften Angaben verboten.
John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik, sagte in einer Pressemitteilung über die Genehmigung der Liste durch die EU-Kommission: »Die heutige Entscheidung ist die Krönung jahrelanger Arbeit und eine wichtige Etappe in der Regelung von Gesundheitsangaben auf Lebensmitteln. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden somit überall in der EU fundierte Kaufentscheidungen treffen können.«
Alle von der EFSA abgelehnten Health Claims können Interessierte ebenfalls im Internet abrufen. Fehlt dort eine Aussage, kann es sein, dass die fragliche gesundheitsbezogene Angabe zwar beantragt wurde, der Antrag jedoch noch in Bearbeitung ist. Dies gilt beispielsweise für Angaben zu pflanzlichen Inhaltsstoffen aus Soja und Artischocke. Auch eine Entscheidung über die gesundheitliche Wirkung probiotischer Joghurts steht noch aus.
Wann besondere Auflagen gelten
Lebensmittel müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, damit die Hersteller sie mit den zugelassenen Angaben versehen können. Beispielsweise darf die Angabe »Guarkernmehl trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei« nur für Lebensmittel verwendet werden, deren Verzehr eine tägliche Aufnahme von 10 Gramm Guarkernmehl gewährleistet. Demzufolge muss der Verbraucher darüber unterrichtet werden, dass die positive Wirkung von der täglichen Aufnahme von 10 g Guarkernmehl abhängt. Bei diesem Health Claim ist außerdem der Warnhinweis vorgeschrieben, dass für Verbraucher mit Schluckbeschwerden oder bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr Erstickungsgefahr besteht. Auf dem Lebensmitteletikett muss daher die Empfehlung vermerkt sein, reichlich Wasser zu trinken, damit das Guarkernmehl sofort in den Magen gelangt. Die Prüfung, ob die Hersteller die jeweiligen Verwendungsbedingungen einhalten, zählt zu den Auf- gaben der Lebensmittelüberwachungsbehörden. /
Nutrition Claims (Nährwertbezogene Angaben)
»Nährwertbezogene Angaben« bringen zum Ausdruck, dass ein Lebensmittel besonders vorteilhafte Nährwerteigenschaften besitzt. Beispiele für solche Angaben sind »leicht«, »arm an gesättigten Fettsäuren« oder »hoher Eisengehalt«. Die Bedingungen für ihre Verwendung wurden bereits in der Ende 2006 veröffentlichten Verordnung Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel festgelegt.
Health Claims (Gesundheitsbezogene Angaben)
Bei »gesundheitsbezogenen Angaben« handelt es sich um Aussagen auf dem Lebensmitteletikett, denen zufolge gesundheitliche Vorteile durch den Verzehr des jeweiligen Produkts resultieren können. Die zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben sind im Anhang zur EU-Verordnung Nr. 432/2012 vom Mai 2012 aufgelistet. Unter http://eur-lex.europa.eu sind beide EU-Verordnungen im Originaltext zu finden.
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