Hygiene, Hygiene, Hygiene! |
Eine Infektion mit Madenwürmern verläuft häufig ohne nennenswerte Beschwerden, sodass sie oft eher zufällig entdeckt wird. Wie in diesem Fall: Eine Kundin, etwa 30 Jahre alt und sportlich, fragt in der Apotheke nach einer Hämorrhoidensalbe. Eine, die auch den Juckreiz stillt, betont sie. Die PTA fragt zurück, wann das Jucken denn auftrete. »Vor allem nachts«, antwortet die Kundin, »eigentlich nur nachts.« »Und Kinder haben sie auch?«, fragt die PTA die Kundin, die inzwischen etwas verdutzt dreinschaut und nickt. Die PTA fragt weiter: »Jungs, stimmt’s? Im Kindergarten oder in der Grundschule?« Die Kundin, nun vollends verwundert, antwortet: »Zwei Jungs. Im Kindergarten.«
Nun der Kundin den sich daraus ergebenden Verdacht auf Madenwurmbefall zu erläutern, sei eine besonders sensible Aufgabe, erläuterte Apothekerin Hanna Andres in ihrem Vortrag zum Thema »Parasitenalarm« während der Wochenendfortbildung der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, die im April in Wernigerode stattfand. Die Kundin brauche in dieser Situation starke Nerven, viel Waschpulver, Putzmittel und -lappen und Wurmmittel für die ganze Familie. Eines benötigt sie nicht: Stuhlprobenröhrchen.
Nächtlicher Juckreiz im Analbereich ist das Leitsymptom – und oft auch einziges Anzeichen – einer Infektion mit Madenwürmern. Er entsteht, wenn weibliche Würmer aus dem Dickdarm ihres Wirtes zum After kriechen, um dort in den Analfalten und auf der angrenzenden Haut ihre Eier abzulegen. Durchschnittlich 10 000 Eier legt ein Madenwurmweibchen dort ab. Damit diese an der Haut haften bleiben, umgibt es sie mit einer klebrigen Eiweißhülle. Bereits sechs Stunden danach sind die Eier infektiös, das heißt, eine Larve hat sich darin entwickelt. In feuchter, warmer Umgebung bleiben Eier zwei bis drei Wochen lebensfähig. Auch im Staub halten sie es eine Zeitlang aus. Den Wurmeiern gelten die ausgefeilten hygienischen Maßnahmen, die bei Bekanntwerden eines Befalls notwendig werden, denn Wurmmittel wirken nur gegen lebende Würmer, nicht gegen die Eier. Aus ihnen schlüpfen im Magen-Darm-Trakt des Menschen Larven, aus denen sich – nach verschiedenen Stadien – geschlechtsreife Madenwürmer entwickeln. Um später geschlüpfte Larven zu erwischen, sollte die Wurmbehandlung nach zwei bis drei Wochen wiederholt werden.
Eine Infektion mit Madenwürmern erfolgt häufig über mit Wurmeiern kontaminiertes Obst oder Gemüse, wenn dieses vor dem Verzehr nicht ausreichend gewaschen wurde, durch Inhalation (zum Beispiel beim Aufschütteln kontaminierter Bettwäsche) oder als anal-orale Schmierinfektion. Hauptrisikogruppe sind Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter – vor allem Jungs, erläuterte Apothekerin Andres, die mit viel Erfindungsreichtum versuchten, ausgiebiges Händewaschen zu vermeiden. In diesem Alter besteht zudem ein ausgeprägter Entdeckergeist: Alles werde angefasst, manches lande auch im Mund, berichtete Anders. Bei der großen Zahl an Eiern, die ein Madenwurmweibchen legt, verwundert es nicht, wenn Familie (= Risikogruppe Nummer zwei) und Freunde sich ebenfalls infizieren. Üblicherweise muss daher die gesamte Familie behandelt werden. Die betroffene Familie sollte auch die Eltern der Spielfreunde verständigen, um die Gefahr eines »Ping-Pong-Effektes« aus Infektion und Reinfektion zu vermindern.
Wirkstoff | Fertigarzneimittel | Wirkprinzip | (Abgabe-)Hinweise |
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Pyrvinium | Molevac®, Pyrcon® | hemmt Enzyme des Kohlenhydrat-Stoffwechsel des Wurmes | Cyanfarbstoff färbt den Stuhl rot; nicht für Kinder unter 12 Monaten |
Pyrantel | Helmex®, Rx | neuromuskuläre Blockade; wirkt gegen Würmer und Larven | nicht für Kinder unter 6 Monaten; kann die Blutspiegel von Theophyllin erhöhen; Dosierung nach Gewicht; Würmer werden gelähmt und lebend ausgeschieden; Einnahme zu oder nach einer Mahlzeit |
Mebendazol | Vermox®, Rx Surfont®, Rx | verhindert die Bildung der Mikrotubuli; wirkt nur gegen adulte Würmer | möglicherweise teratogen: auf Verhütung achten (auch Männer); kann den Blutzucker senken; nicht in der Stillzeit und nicht für Kinder unter 2 Jahren geeignet |
Die Eier verbreiten sich trotz des Klebers – beispielsweise über Unterwäsche, Laken und Bodenflächen – auch in der Umgebung des Wirtes. Auch an glatten Flächen wie Toilettenspültasten, Türklinken und an Spielsachen haften sie gut. Hauptüberträger dürften die menschlichen Hände sein. So kratzen sich betroffene Kinder im Schlaf am Po, um den Juckreiz zu stillen. Dabei geraten Wurmeier an die Hände, vor allem unter die Fingernägel, denen bei den Reinigungsmaßnahmen daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Betroffenen andere, aber auch sich selbst, immer wieder neu mit Madenwürmern infizieren.
Die Eier sind es auch, die zur Diagnostik herangezogen werden. Stuhlproben sind dafür nicht nötig. Die Eier lassen sich – am besten morgens vor dem Toilettengang und Duschen – mit einem Klebestreifen vom After abnehmen und unter dem Mikroskop identifizieren. Da Madenwurmweibchen ihre Eier nicht kontinuierlich ablegen, kann es notwendig sein, den Test an mehreren Tagen zu wiederholen. Bei starkem Befall lassen sich im Stuhl auch ausgewachsene lebende Madenwürmer erkennen.
Im Gegensatz zu anderen Wurmarten infiltrieren Madenwürmer umliegende Gewebe nicht. Kratzen kann allerdings zu Hautschäden und Superinfektionen führen. Zudem stört der Juckreiz meist den Nachtschlaf empfindlich, sodass die Kinder unausgeschlafen und unkonzentriert wirken. Bei Frauen und Mädchen kommt es außerdem in seltenen Fällen zu einer Übertragung auf die Genitalorgane mit anschließender Entzündung. Bei aller Aufregung, die Ekel und Wasch- und Putzaktionen hervorrufen, können PTA und Apotheker die besorgten Eltern auch beruhigen: Madenwurminfektionen sind in aller Regel harmlos, Kinder und Eltern werden sie bei konsequenter Behandlung und Hygiene wieder los. Und wer sich an das konsequente Händewaschen erst einmal gewöhnt hat, den befallen die Tiere meist so schnell nicht wieder. /
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