Neuer Arzneistoff im August 2010 |
23.08.2010 21:17 Uhr |
Neuer Arzneistoff im August 2010
von Sven Siebenand
Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) leiden oft an akuter Atemnot. Bislang erhalten sie Bronchodilatatoren wie Beta-2-Mimetika, Anticholinergika und Theophyllin oder im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auch Glucocorticoide. Mit dem Arzneistoff Roflumilast steht den Ärzten seit diesem Monat ein neues Therapeutikum zur Verfügung.
Laut Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden derzeit weltweit 80 Millionen Menschen an mittelschwerer bis schwerer COPD. Im Jahr 2005 starben mehr als 3 Millionen an dieser Krankheit. Vielen Patienten helfen die bislang verfügbaren Arzneimittel nicht ausreichend, und sie erleben häufig Exazerbationen, also Episoden, in denen sich die Symptome anfallartig verschlechtern.
Neuer PDE-4-Hemmer
Mit Roflumilast (Daxas® 500 µg Filmtabletten, Nycomed) ist Anfang August der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse zur Behandlung der COPD auf den deutschen Markt gekommen. Er ist begleitend zur Therapie mit Bronchodilatatoren zugelassen für Erwachsene mit schwerer COPD und chronischer Bronchitis sowie häufig durchgemachten Exazerbationen. Damit ist die neue Arzneisubstanz eine wichtige Ergänzung der medizinischen Möglichkeiten, die Ärzten und Patienten derzeit zur Verfügung stehen.
Heute geht man davon aus, dass die Ursache der COPD eine chronische Entzündung der Atemwege ist. Zudem scheint sicher zu sein, dass Immunzellen die Entzündung aufrecht erhalten. Deshalb suchen Forscher schon seit Längerem nach entzündungshemmenden Arzneistoffen, die direkt auf die Immunzellen oder deren Botenstoffe und Signalwege wirken.
Für die Funktion der Immunzellen spielt bei COPD unter anderem das Enzym Phosphodiesterase 4 (PDE-4) eine wichtige Rolle. Roflumilast hemmt das Enzym PDE-4 selektiv und unterdrückt damit nachweislich Entzündungen in Verbindung mit COPD. Er ist indiziert zur Dauertherapie; eignet sich jedoch nicht zur Notfallmedikation bei einem akuten Bronchospasmus. Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich 500 µg. PTA und Apotheker sollten den Patienten darauf hinweisen, dass es unter Umständen einige Wochen dauert, bis ein spürbarer Effekt eintritt.
Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, sollten genauso wie Schwangere und Stillende kein Roflumilast einnehmen. Gleiches gilt für Patienten mit mittelschweren und schweren Leberfunktionsstörungen, Patienten mit schweren immunologischen Erkrankungen (wie HIV-Infektion, Multiple Sklerose) sowie Patienten mit schweren akuten Infektionen sowie Krebs. Auch für Patienten, die Immunsuppressiva wie Methotrexat (MTX), Azathioprin, Infliximab, Etanercerpt oder orale Corticoide zur Langzeitanwendung erhalten, ist der PDE-4-Hemmer tabu. Ferner wird die Kombination mit Theophyllin nicht empfohlen.
Achtung bei Gewichtsverlust
In klinischen Studien wurden bei etwa 16 Prozent der Patienten unter der Therapie mit Roflumilast Nebenwirkungen beobachtet. Am häufigsten waren Durchfall, Übelkeit, Bauch- und Kopfschmerzen sowie Gewichtsverlust. Auf den Gewichtsverlust geht der Hersteller in der Fachinformation noch einmal näher ein und rät, bei untergewichtigen Patienten das Körpergewicht unter der Behandlung mit Roflumilast im Blick zu behalten. Auch über das Risiko für psychiatrische Erkrankungen informiert die Fachinformation: Der neue Arzneistoff erhöht das Risiko von Schlafstörungen (häufig), Angstzuständen (gelegentlich) sowie Nervosität und Depression (selten). Zudem wurde in den klinischen Prüfungen beobachtet, dass die neue Substanz suizidale Absichten der Patienten verstärkt. Daher sollten Ärzte Roflumilast depressiven Patienten nicht verordnen, wenn sie in der Vergangenheit Selbstmordabsichten äußerten oder suizidales Verhalten zeigten.
Risiko Interaktionen
Auch was die Wechselwirkungen betrifft, gibt es einiges zu beachten: Die gleichzeitige Gabe von Hemmern des Isoenzyms CYP3A4 wie Erythromycin und Ketoconazol kann die Roflumilast-Wirkung verstärken und zu einer andauernden Unverträglichkeit führen. Hingegen bergen CYP3A4-Induktoren wie Phenobarbital, Carbamazepin und Phenytoin das Risiko einer reduzierten therapeutischen Wirksamkeit des neuen Arzneistoffs.
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