CoBox vor der Pleite |
22.07.2011 16:26 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Die CoBox AG steht vor dem Aus. Der Vertreiber für Videoapotheken hat Insolvenz angemeldet. Unklar ist bislang, was die Pleite für die bereits aufgestellten Beratungskabinen bedeutet.
Am 5. Juli wurde am Amtsgericht Wetzlar das Insolvenzverfahren gegen die CoBox AG eröffnet. Ein Insolvenzverwalter wurde demnach bereits eingesetzt, er wird in den kommenden Wochen ein Gutachten zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erstellen. Bei der CoBox AG war für eine Stellungnahme niemand zu erreichen – die Verantwortlichen haben sich in die Betriebsferien verabschiedet.
Die CoBox ist eine kleine Kabine, in der Kunden per Videokonferenz mit einer angeschlossenen Apotheke Kontakt aufnehmen. Dafür drückt der Patient auf einen Beratungsknopf, und der Apotheker erscheint in Lebensgröße auf einem Bildschirm. Wer ein Rezept einlösen will, kann es in einen Schlitz schieben. Dort wird es gescannt und erscheint wenig später auf einem Bildschirm der Apotheke. Das Original wird in der CoBox gesammelt und später abgeholt. Nachdem der Apotheker das Rezept geprüft und abgezeichnet hat, werden die Arzneimittel ausgeliefert.
Das Ganze ist eine Erfindung des Architekten Ulrich Baudisch, Vorstand der CoBox AG. Das Unternehmen aus Waldsolms im Taunus war vor knapp zwei Jahren zunächst erfolgreich gestartet. Im Oktober 2009 wurde die erste CoBox in einer Sparkassen-Filiale im hessischen Massenheim eröffnet. Großen Wirbel gab es um die Genehmigung der Videoapotheke. Das zuständige Regierungspräsidium in Darmstadt hatte Bedenken und tat sich schwer mit der Entscheidung. Schließlich erlaubte es die CoBox. Zur Begründung hieß es, die Kabine werde als Apothekenbetriebsraum gewertet, der dem Versandhandel dient. Die Betreiberapotheke musste demnach eine Versandhandelserlaubnis vorlegen.
Apotheker kritisch
Das Konzept der CoBox blieb dennoch umstritten. Viele Apotheker sehen die Beratung via Bildschirm kritisch, denn sie stößt an ihre Grenzen, wenn beispielsweise die Handhabung eines Insulin-Pens oder das Anlegen einer Bandage geübt werden soll. Das geht nur im direkten Kontakt mit dem Patienten in der Offizin.
Anfang 2011 verkündete Baudisch in Berlin ein neues Vertriebskonzept für die Videoapotheken: In jedem Land- oder Stadtkreis sollte es einen »Flaggschiffapotheker« geben, der exklusiv alle Standorte in dem jeweiligen Gebiet betreibt. Zahlreiche Verträge seien bereits abgeschlossen, erklärte Baudisch damals.
Für den Unternehmer kam die große Ernüchterung mit den zuletzt bekannt gewordenen Eckpunkten für die neue Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO): Darin werden Videoapotheken mit keinem Wort erwähnt. Zwischenzeitlich hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erwogen, audiovisuelle Beratungen in die neue ApBetrO aufzunehmen. Damit wollte das Ministerium die Arzneimittelversorgung in strukturärmeren Gebieten sichern. Doch Baudisch hatte ein anderes Konzept. Er wollte seine CoBox nicht nur in unterversorgten Regionen installieren. Inzwischen steht eine Videoapotheke sogar im Foyer eines großen Unternehmens in Frankfurt am Main.
Zukunft unsicher
Der Schwenk des BMG bei der Apothekenbetriebsordnung könnte der CoBox AG nun zum Verhängnis geworden sein, denn die Zukunft der CoBox ist politisch betrachtet unsicher. Vieles hängt davon ab, was letztlich offiziell in der neuen ApBetrO stehen wird. Neue Investoren konnte das Unternehmen zuletzt nicht gewinnen, obwohl der Betrieb Mitte Mai sogar versuchte, über eine Kapitalerhöhung neue Geldgeber an Land zu ziehen.
Die Betreiber der bereits laufenden Videoapotheken traf die Insolvenz der CoBox AG ohne Vorankündigung. Apotheker Thorsten Junk aus Marburg äußerte sich enttäuscht über die schlechte Kommunikation. Er habe durch einen Brief des Insolvenzverwalters von der Pleite erfahren, sagte er. »Wir haben die Insolvenz mit keiner Faser gespürt.« Junk war bis vor Kurzem Betreiber der CoBox in einem Medizinischen Versorgungszentrum in Marburg. Dort musste die Videoapotheke wegen Umbauarbeiten demontiert, soll aber in Kürze an einem anderen Standort wieder aufgestellt werden. Derzeit wartet Junk auf die Betriebserlaubnis. Der Apotheker setzt auf das Konzept der CoBox und glaubt, die Videoapotheke auch ohne die CoBox AG weiterbetreiben zu können. Das Unternehmen, das die CoBox technisch betreut und die Wartung übernimmt, gebe es schließlich weiterhin, sagte Junk.
Tatsächlich aber ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar, was mit den laufenden Standorten geschieht. Vieles wird sich vermutlich erst in den kommenden Wochen im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens klären.
Unsicher ist auch, wie viele CoBoxen es deutschlandweit überhaupt gibt. Die Videoapotheke ist durchaus nicht in jedem Bundesland zugelassen. In Hessen, dem »Vorreiter« in Sachen CoBox, stehen mittlerweile nur noch drei Kabinen. Obwohl es in diesem Bundesland zwischenzeitlich mehr Videoapotheken gegeben hat, hätten jedoch viele schließen müssen, weil sich der Betrieb offenbar nicht mehr lohnte, teilte die Aufsichtsbehörde mit. /