Erste Hilfe für die Sporttasche |
22.07.2011 16:59 Uhr |
Von Ursula Sellerberg / Salben oder Cremes mit Beinwellextrakten haben sich seit langem bei stumpfen Verletzungen wie Prellungen oder Verstauchungen bewährt. Gemäß neuer Studien hilft die Heilpflanze auch bei Rückenschmerzen und fördert die Wundheilung.
Beinwell ist zwar in Europa heimisch, hat sich inzwischen aber auch in den gemäßigten Regionen Asiens und in den USA ausgebreitet. Die Staude wächst bevorzugt an feuchten Standorten wie Bachufern und wird bis zu 1,5 Meter hoch. Ihre Blätter sind borstig behaart, die Blüten rötlich-violett, gelblich oder weiß. Das Aussehen erklärt seine Familienzugehörigkeit, denn der Gewöhnliche Beinwell (Symphytum officinale L.) gehört zu den Raublattgewächsen (Boraginaceae). Traditionell wird Beinwell auch Echte Wallwurz, Milchwurzel, Wundallheil und Wundwurzel genannt. Wie bei vielen anderen Heilpflanzen weisen diese Namen auf seine medizinische Wirkung hin, denn das altdeutsche »wallen« bedeutet »zusammenwachsen«. Auch der lateinische Name Symphytum heißt so viel wie »verbinden« oder »zusammenwachsen lassen«.
Seit der Antike setzen die Europäer das Kraut, die Blätter und die Wurzel der Pflanze zur Heilung von Knochenbrüchen ein. Schon die alten Römer halfen Verletzten bei Knochenbrüchen, Blutergüssen und Quetschungen mit einem Brei aus Beinwellwurzel.
Manche »Kräuterbegeisterte« sammeln Heilpflanzen gerne selbst. Dagegen spricht bei Beinwell die Verwechslungsgefahr, denn die Gattung Symphytum umfasst bis zu 35 Arten, die sich botanisch zum Teil nur geringfügig unterscheiden. Bei Wildsammlungen besteht vor allem die Gefahr, dass Laien die verwilderte Futterpflanze Comfrey (S. x uplandidum) ernten. Wegen des Alkaloidgehalts raten Experten dringend vom Verzehr von »Comfrey-Gemüse« ab.
Der Gesamtextrakt wirkt
Als Droge wird nur die Wurzel verwendet, zur industriellen Herstellung von Frischpflanzenextrakt dient auch das Kraut. Das Drogenmaterial stammt meist aus Kulturen in Südosteuropa. Die Droge Symphyti radix, früher Consolidae radix, enthält 4 bis 6 Prozent Gerbstoffe, organische Säuren wie Rosmarinsäure, Flavonoide, Saponine und bis zu 1,5 Prozent Allantoin. Wie bei vielen Heilpflanzen gilt der Gesamtextrakt als Wirkstoff. Einige Einzelwirkungen der in der Wurzel enthaltenen Substanzen oder Substanzgruppen sind dennoch bekannt: Die Gerbstoffe hemmen vermutlich das Keimwachstum. Allantoin verflüssigt Wundsekret und könnte so dazu beitragen, dass Krankheitserreger schneller aus der Wunde gespült werden. Außerdem fördert Allantoin die Wundheilung und Bildung von neuem Gewebe (Granulation). Neben Allantoin sind wahrscheinlich auch Rosmarin- und Chlorogensäure an der Wirkung beteiligt. Die Aminosäure Cholin könnte für eine raschere Resorption von Blutergüssen sorgen. Schleimstoffe könnten die Zellneubildung und damit die Geweberegeneration fördern.
Beinwellwurzel enthält bis zu 0,6 Prozent Pyrrolizidin-Alkaloide (PA), die die Leber schädigen. In Langzeituntersuchungen mit Ratten lösten PA zudem Krebs aus. Deshalb gilt die Droge als potenziell kanzerogen und hepatotoxisch. Früher wurden Beinwellwurzel und -blätter traditionell bei Magenschleimhautentzündung und Magengeschwür verwendet. Die innerliche Anwendung ist heute jedoch wegen der potenziellen Leberschäden obsolet.
Durch intakte Haut werden die Alkaloide allerdings nur in sehr geringem Maß resorbiert. Die pro Tag aufgetragene Menge an Beinwellextrakten darf nicht mehr als 100 µg PA enthalten. Heute verwenden die Hersteller von Fertigarzneimitteln meist Pflanzensorten, die nur geringe Mengen dieser Alkaloide enthalten. Außerdem werden die Extrakte während des Herstellungsverfahrens weitgehend von Alkaloiden befreit.
Die Kommission E, eine Expertengruppe für Phytopharmaka, hat 1990 Beinwellwurzelextrakte für die äußerliche Anwendung bei Prellungen, Zerrungen, Quetschungen und Verstauchungen positiv beurteilt. Salben und andere Externa enthalten in der Regel zwischen 5 und 20 Prozent der getrockneten Droge oder entsprechende Extraktmengen.
Sie dürfen laut Monographie nur auf intakter Haut eingesetzt werden, um die Resorption der Alkaloide zu vermeiden. Schwangere und Stillende dürfen Beinwell nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden. Wechselwirkungen sind nicht bekannt. Bessern sich die Beschwerden trotz Anwendung nach einigen Tagen nicht, muss der Patient den Arzt aufsuchen. Grundsätzlich sollten Präparate mit Beinwellwurzelextrakt laut Kommission E nicht länger als 4 bis 6 Wochen pro Jahr aufgetragen werden, bei Kindern zwischen 3 bis 12 Jahren nicht länger als eine Woche, empfiehlt die ABDA-Datenbank.
Anwendungsgebiete erweitert
Zwar dienen die Monographien der Kommission E auch heute noch als wichtige Grundlage für die Beurteilung von Phytopharmaka, doch führt die moderne Arzneipflanzenforschung fortwährend zu neuen Erkenntnissen bezüglich der Wirkung einzelner Pflanzen. So wurden in klinischen Studien weitere Anwendungen des Beinwells untersucht. Sie zeigen: Beinwell kann mehr, als Experten vor über 20 Jahren wussten. In verschiedenen Studien wurden an Patienten Anwendungsgebiete getestet, die über die Monographie der Kommission E hinausgehen.
Aufgrund neuer Studien wurden im Januar 2011 die Anwendungsgebiete für Kytta-Salbe® f erweitert, die einen Fluidextrakt der Beinwellwurzel enthält. Das Arzneimittel hilft demnach äußerlich gegen Schmerzen und Schwellungen bei Kniegelenksarthrosen degenerativen Ursprungs und akuten Muskelschmerzen (Myalgien) im Bereich des Rückens. In Studien trugen Patienten das Präparat drei- bis viermal täglich und je nach Anwendungsgebiet 4 bis 21 Tage lang auf. Bei den Studienteilnehmern mit Rückenschmerzen setzte die Wirkung der Salbe bereits innerhalb einer Stunde ein. Bei einer Verstauchung des Sprunggelenks wirkte der Beinwellwurzelextrakt besser als ein Diclofenac-Gel. Er verringerte in der Studie Ruhe- und Bewegungsschmerz sowie die Gelenkschwellung deutlich. Beinwellwurzelextrakt half auch bei Kniearthrose und verbesserte bei regelmäßiger Anwendung deutlich die Beweglichkeit der Patienten.
In einer Anwendungsbeobachtung zeigte sich, dass Kytta-Salbe® f bei Kindern ab drei Jahren gegen stumpfe Verletzungen wirksam und gut verträglich ist. Kytta-Salbe® f ist für Kinder ab einem Alter von 3 Jahren zugelassen, Traumaplant® Creme für Kinder ab 4. Damit sind Beinwell-Präparate ein Tipp für Eltern mit sportlich aktiven Kindern, denn Schmerzgele mit Ibuprofen oder Diclofenac stehen laut Zulassungen erst ab einem Alter von 14 oder 15 Jahren zur Verfügung.
Das Fertigarzneimittel Traumaplant® enthält einen Extrakt, der überwiegend aus den Blättern des frischen Krauts von Symphytum x uplandicum Nyman stammt. Diese Pflanzenzüchtung enthält so wenig toxische Pyrrolizidin-Alkaloide, dass im Arzneimittel keine Alkaloide mehr nachweisbar sind. In einer Doppelblindstudie mit 278 Patienten wurde Traumaplant® bei Patienten mit frischen Schürfwunden getestet – also auf verletzter Haut entgegen der Empfehlung der Kommission E. Die Studienteilnehmer trugen einmal täglich eine deckende Schicht Salbe auf die Wunde auf. Die Studie zeigte, dass Beinwellextrakte die Wundheilung bei Schürfwunden fördern können. Durch den Extrakt verringerte sich die Heilungsdauer von 7 auf 4 Tage. Die Anwendung von Beinwellextrakten auf verletzter Haut ist aber noch nicht zugelassen. Laut Fachinformation sollten die Patienten Traumaplant® nicht länger als drei Wochen anwenden.
Industriell hergestellte Extrakte sind bei Beinwell immer die beste Wahl. Wer statt eines Fertigarzneimittels selbst einen Beinwell-Auszug aus der Droge herstellen möchte, muss 100 Gramm Droge mit einem Liter Wasser zehn Minuten lang kochen und dann abseihen. Dieser Dekokt eignet sich für warme Umschläge. Im Beratungsgespräch sollten PTA oder Apotheker die Patienten darauf hinweisen, dass sie den Auszug nur auf intakter Haut anwenden dürfen. /