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Stottern

Für eine Therapie ist es nie zu spät

Datum 22.07.2011  16:34 Uhr

Von Iris Priebe / Wie sehr muss folgende Situation ein Kind belasten: Es steht vor der Klasse, soll ein Gedicht vortragen, das es am Tag zuvor mühevoll auswendig gelernt hat, und bringt jetzt keinen Ton mehr heraus. Je mehr es sich aufregt, umso schlimmer wird es. Aus Angst vorm Versagen ziehen sich Stotterer deshalb oft zurück. Das ist falsch, denn es gibt Hilfe.

Alle Kinder müssen das Sprechen von Grund auf erlernen. Manchen gelingt es schon relativ früh, ganze Sätze flüssig zu formulieren, anderen später. Daher stottern sehr viel mehr Kinder und Jugendliche als Erwachsene. Bis zu Beginn der Pubertät verlieren die meisten jedoch ihre Sprechschwierigkeiten. Von 5 Prozent betroffener Kinder stottern schließlich 1 Prozent der Erwachsenen. Bei diesem verbleibenden Prozent verschwinden die Sprachstörungen nicht oder verstärken sich sogar noch. Das betrifft immerhin mehr als 800 000 Menschen in Deutschland.

Das Stottern äußert sich sehr unterschiedlich: Manche Betroffene verschlucken ganze Wörter »------ Milch«, andere wiederholen den Anfangsbuchstaben »K-K-K-Kaffee« und wieder andere dehnen Laute oder Silben »Waaaaasser«. Sehr oft wird das Sprachproblem schlimmer, wenn die Betroffenen aufgeregt sind. Viele verkrampfen in diesen Momenten gleichzeitig ihre Körperhaltung und Gesichtsmuskulatur, Angstgefühle stellen sich ein, ­Atmung und Stimmgebung lassen sich nicht mehr koordinieren. Manche können sich nur noch retten, indem sie schwierige Wörter vermeiden.

Erklärungsversuche

Die Laute beim Sprechen entstehen durch ein sehr komplexes Zusammenspiel von Muskeln, Knochen, Bindegewebe und Stimmbändern. Sogar die Stellung der Zähne hat auf die Lautbildung einen Einfluss. Letztlich koordiniert das Gehirn alle diese Vorgänge, was erklärt, warum auch Emotio­nen das Sprechen beeinflussen können. Weil das System so vielschichtig aufgebaut ist, bleibt es störanfällig. Warum aber einige Kinder stottern und andere nicht, konnten Wissenschaftler nicht herausfinden. Sie erklären das Phänomen derzeit als multifaktorielles Geschehen: Sie machen genetische, psychische, körperliche und sozia­le Komponenten verantwortlich, wenn der Redefluss stockt. Interessant, aber ­ auch nicht aufgeklärt ist bisher folgende Beobachtung: Jungen stottern doppelt so häufig wie Mädchen. Der Unterschied ­zwischen den Geschlechtern wird unter ­Erwachsenen sogar noch größer.

Sicher ausschließen können Fachleute inzwischen eine These, die sich aber unter Laien nach wie vor hartnäckig hält: Stottern ist keine psychische Störung. Vielmehr spielt die Genetik eine große Rolle, denn Stotternde haben im Vergleich zu nicht Stotternden rund dreimal häufiger Verwandte, die ebenfalls Sprechstörungen haben. Auch Zwillingsstudien zeigten, dass bei eineiigen Zwillingen häufiger beide stottern als bei zweieiigen Zwillingen.

Vor der Einschulung therapieren

Oft entsteht bei den Betroffenen ein Teufelskreis aus Anstrengung, Verdrossenheit und Angst bis hin zur Selbstisolation. Auf keinen Fall sollten Eltern betroffener Kinder darauf hoffen, dass sich die Sprachstörung von alleine legt. Generell gilt: Je früher mit einer Therapie begonnen wird, umso größer der Erfolg. So spricht sich die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Professor Dr. Katrin Neumann von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ausdrücklich dafür aus, die Behandlung noch vor der Einschulung zu beginnen. Denn spätestens in der Schule stünden Kinder unter einem großen Druck, zum Beispiel beim Vokabeln Aufsagen oder Vorlesen.

Stottert ein Kind zum Zeitpunkt der Einschulung, sind Hänseleien und Ausgrenzung durch Mitschüler oft die Folge. Außerdem benachteiligen auch die Lehrer Kinder mit Sprachschwäche immer wieder, weil sie die Leistungen der Schüler in der mündlichen Mitarbeit falsch einschätzen. Sprechen die Eltern hingegen das Problem offen mit dem Pädagogen an, können diese nach alternativen Möglichkeiten für die Bewertung der mündlichen Leistung suchen, beispielsweise schriftliche Referate in die Benotung einfließen lassen. Während mündlicher Prüfungen braucht ein stotternder Schüler schlichtweg mehr Zeit als seine Mitschüler.

Behandlungsmöglichkeiten gibt es mehrere. Welche die richtige ist, müssen Kinder und Eltern ausprobieren. In der Regel führen Logopäden oder Sprachheilpädagogen die Stottertherapie durch. Beim direkten Ansatz gehen Kind und Therapeut offen mit dem Handicap um. Mittels altersgerechter Techniken lernt es, den Sprachfluss zu kontrollieren und sich bei einer Blockade zu entspannen. Oft kombinieren die Therapeuten diese Methode mit einem indirekten Ansatz, der auch die Eltern mit einbezieht. In Zusammenarbeit mit diesen schaffen sie durch Sprach- und Bewegungsspiele sowie Entspannungs- und Dialogübungen eine Atmosphäre für angstfreies und ruhiges Sprechen. Darüber hinaus suchen die Therapeuten nach Lösungswegen, falls sich das Kind akut überfordert fühlt.

Erwachsene behandeln

Auch für jugendliche und erwachsene Stotterer gibt es zwei Behandlungsan­sätze: Fluency Shaping und die Stotter­modifikation. Beim Fluency Shaping (engl. fluency = Sprachbeherrschung/Redefluss, shaping = Formveränderung/Gestaltung) ­erlernt der Stotterer besondere Sprech­techniken, mit denen er das Stocken verhindern kann. Dabei erlernt er, den Atem zu kontrollieren, Vokale zu dehnen und die Stimme am Wortanfang gezielt einzusetzen, um mit der Zeit stotterfrei zu sprechen. Zwar klingt dabei das Sprechen anfangs stark verfremdet, im Verlauf wird der Sprachfluss aber immer natürlicher.

Bei der Stottermodifikation, auch als flüssiges Stottern bezeichnet, lernt der Patient, bewusst in sein stockendes Sprechen einzugreifen. Er lernt kritische Situationen, in denen er stottern würde, frühzeitig zu erkennen und sie dann abzuwenden. Auch hierbei trainiert er spezielle Techniken, die das Stottern beherrschbar machen und ihm die Angst davor nehmen. Diese Methode stärkt auch das Selbstbewusstsein, denn das mangelnde Selbstwertgefühl der Stotterer kann so weit führen, dass die Angst vor der Sprachstörung und der Blamage in der Öffentlichkeit den Betroffenen völlig beherrscht. In diesem Fall kann eine begleitende psychologische Beratung sinnvoll werden.

Professionell begegnen

Wenn PTA oder Apotheker in der Offizin einen Betroffenen beraten, sollten sie einige wichtige Regeln beherzigen: Blickkontakt zu dem Kunden halten und ihm wie jedem anderen begegnen, den Kunden nie unterbrechen oder Wörter ergänzen. Stotterer wissen genau, was sie ihrem Gegenüber mitteilen wollen. Es demütigt sie, wenn der Gesprächspartner versucht, ihnen die Worte in den Mund zu legen. Auch das hilfsbereite und gut gemeinte »ganz ruhig« oder »Machen Sie nur langsam, wir haben Zeit« verschlimmert die Situation für den Stotternden nur. Gelassenes Zuhören hingegen wirkt sich entspannend auf den Kunden aus. /

Buchempfehlung

Der Bundesverband Stotterer-Selbsthilfe e.V. hält einige Broschüren und Bücher zum Thema bereit. Besonders empfehlenswert sind:

  • »Ich glaub es hakt! Infos rund um das Thema Stottern.« Diese 40 Seiten starke Broschüre wurde speziell für Jugendliche entwickelt und enthält neben kompakten schriftlichen Informationen eine DVD, auf der Betroffene zu Wort kommen, 8,50 Euro.
  • »Mein Kind stottert – was nun?« Dieser 120-seitige Ratgeber wurde für Eltern ­konzipiert. Er ist aber auch für Apothekenmitarbeiter interessant, da sich betroffene Eltern oftmals mit ihren Ängsten und ­Sorgen an sie wenden, 12,50 Euro.

 

Bestellung unter www.bvss.de, Links ­»Service« und »Fachverlag«, Versandkosten kommen noch dazu. Beide Ratgeber wurden vom Bundesministerium für ­Familie, Senioren, Frauen und Jugend ­gefördert.

E-Mail-Anschrift der Verfasserin

irispriebe(at)gmx.de

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