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Kolumne

Arsen und Äpfelchen

13.04.2015  12:25 Uhr

Von Claudia Herwig / In der Antike und im Mittelalter war Gift das Mittel der Wahl, um Feinde aus dem Verkehr zu ziehen. Ob aus Neid, aus Liebe oder aus Versehen: Ich nehme Sie mit auf eine Reise durch berühmte Vergiftungsfälle in Literatur und Geschichte. Keine Sorge. Es ist ungefährlich.

In meiner Kindheit gab es eine Zeit, in der ich Angst vor Äpfeln hatte. Zum einen lag das daran, dass mir einer meiner Milchzähne durch den Biss in einen Apfel ausfiel. Zum anderen, weil ich zu oft »Schneewittchen und die sieben Zwerge« gesehen hatte. Immerhin ging es im Kern des Märchens vor allem um eines: versuchten Mord durch einen vergifteten Apfel. Für alle, die sich nur noch vage an die Geschich­te erinnern: Schneewittchens Stiefmutter, die böse Königin, verstößt das hübsche Ding aus dem väterlichen Schloss und will sie töten lassen. Nachdem der Auftragsmord schiefläuft, versucht die Stiefmutter Schneewittchen mit einem Schnür­riemen zu ersticken, doch die Zwerge retten sie rechtzeitig. Dann greift die Stiefmutter zum Gift. Erst präpariert sie damit einen Kamm, dann einen Apfel. Durch den vergifteten Apfel fällt Schneewittchen schließlich in einen todes­ähnlichen Schlaf.

Ist Ihnen aufgefallen, dass »Schneewittchen und die sieben Zwerge« voller Straftaten steckt? Von den Mordversuchen mal ganz abgesehen. Eine weitere Straftat: Hausfriedensbruch – wenn nicht gar Einbruch, denn schließlich dringt Schneewittchen ohne Erlaubnis in das Haus der Zwerge ein. Außerdem: Diebstahl oder Mundraub, weil sie sich ungefragt am Essen der Hauseigentümer bedient. Zudem trinkt Schneewittchen Wein, wofür sie eindeutig noch zu jung sein dürfte. Was die Zwerge betrifft, so machen sie sich wegen Kinderarbeit strafbar, weil sie das arme Kind zur Haushälterin abkommandieren. Trotz all der Straftaten bleibt aber meist nur eines im Kopf: die Vergiftung durch den Apfel – die Schneewittchen zum Glück überlebt.

Oh Romeo!

Nicht überlebt haben hingegen die Protagonisten der berühmtes­ten Liebesgeschichte der Literatur. Ich spreche natürlich von Shakespeares Romeo und Julia. Zwei verfeindete Familien, ein Liebespaar, kein Ausweg. So nimmt sich Romeo nach Julias vermeintlichem Tod das Leben, indem er Gift schluckt. Welches, geht aus Shakespeares Schriften nicht hervor. Aber das Gift – »von so schneller Wirkung, dass es sich in einem Augenblick durch alle Adern verbreite« – verfehlt seine Wirkung nicht. So siecht der schöne Romeo am Sterbebett seiner Julia dahin.

Oh Romeo! Hättest du gewusst, dass Julia gar nicht tot, sondern nur im Tiefschlaf war. Du hättest deiner Geliebten an ihrem Bette mit Sicherheit seelenruhig beim Schlafen zugesehen und gewartet, bis sie wieder aufwacht. Aber wir kennen ja alle das wahre Ende: Romeo stirbt. Julia erwacht, sieht den toten Romeo und ersticht sich mit einem Dolch. Tragische Geschichten brauchen ein tragisches Ende. Zumindest in der Literatur.

Stoff aus der Apotheke

Apropos Literatur: Wussten Sie, dass die britische Schriftstellerin Agatha Christie erst durch die Arbeit in einem Krankenhaus und einer Apotheke zu ihren Krimis inspiriert wurde? Dort arbeitete sie während des Ersten Weltkrieges. 1916 schrieb sie »The Mysterious Affair at Styles« (deutscher Titel: »Das fehlende Glied in der Kette«). Und raten Sie mal, welchen Fall Detektiv Hercule Poirot in diesem ersten Krimi aufklären musste? Richtig: Mord durch Vergiftung. Und zwar durch Strychnin. Atemnot, Muskelkrämpfe, Atemlähmung und Tod durch Ersticken. Nur, weil ein Mann und seine Geliebte die Noch-Ehefrau aus dem Weg räumen wollten. Agatha Christie ließ später ihre zweite bekannte Ermittlerin, Miss Marple, noch Vergiftungen durch ein Taxan, Cyanid, Belladonna und Arsen aufdecken. Also mir wären so viele Krimi-Geschichten durch die Arbeit in der Apotheke nicht eingefallen. Ihnen?

Mode-Gift Arsen

Arsen, beziehungsweise seine Sauerstoffverbindung Arsenik, galt von der Spätantike bis ins 19. Jahrhundert als das Mordgift schlechthin. Gelöst in Alkohol konnte das weiße, geruchlose und süßlich schmeckende Pulver unbemerkt untergejubelt werden. Ein großer Schluck Wein und weg war der Feind. Je nach Dosierung des Gifts nach Stunden, Tagen, manchmal aber erst Wochen. In der Antike und besonders in der Renaissance waren Ringe in Gebrauch, in deren Hohlräumen sich das Pulver verstecken ließ.

Der französische Kaiser Napoleon hatte so große Angst davor, durch Arsen vergiftet zu werden, dass er sich historischen Quellen zufolge immunisierte, indem er kontinuierlich kleine Mengen Arsen zu sich nahm. Hätte Napoleon damals nur schon etwas von der Marshschen Probe gewusst, die 1836 von Chemiker James Marsh entwickelt wurde und mit der sich Arsen zweifelsfrei nachweisen lässt, es wäre ihm einiges erspart geblieben. Vielleicht auch sein frühzeitiger Tod mit 51 Jahren. Dieser soll – so eine von mehreren Theorien – tatsächlich auf eine Vergiftung mit Arsen zurückgehen. Ob das aber an Napoleons Selbstverordnung lag oder ob er – so eine andere These – durch Arsen-Verbindungen starb, die Schimmelpilze aus seinen mit Arsen-Pigmenten hergestellten Tapeten freisetzten, ist unklar.

Können Sie sich noch an Astrid Lindgrens Kalle Blomquist erinnern? Kalle schwärmt für Romandetektive wie Hercule Poirot und Sherlock Holmes und ist in seiner Fantasie ein weltbekannter Meisterdetektiv. Im Roman »Kalle Blomquist lebt gefährlich« deckt er einen Mordanschlag auf, indem er mit Hilfe der Marshschen Probe Arsen in einem Stück Schokolade nachweist. Ich bin mir sicher: Kalle Blomquist und Napoleon hätten sich bestens ver­standen.

Versehentlich vergiftet

Es gab in der Geschichte neben Napoleon noch weitere Vergiftungs-Unfälle, zum Beispiel den von Friedrich Schiller. Der an »rheumatischem Seitenstechfieber« erkrankte Dichter starb, so heißt es, weil ihm sein Arzt eine Tinktur aus Rizinusöl und Opium verordnete. Der Komponist Ludwig van Beethoven starb Untersuchungen zufolge an einer Blei-Vergiftung. Wahrscheinlich ebenfalls durch die falsche Behandlung eines Arztes, der ihn eigentlich von einer Lungenentzündung heilen wollte.

Kein Unfall soll dagegen der Tod des römischen Kaisers Claudius gewesen sein. Er starb an einer Pilzvergiftung. Forscher vermuten, dass seine Frau Agrippina ihm im Jahr 54 n. Chr. absichtlich ein Gericht mit giftigen Pilzen servierte, um ihren Sohn Nero auf den Thron zu befördern. Der Todeskampf des Kaisers soll zwölf Stunden gedauert haben.

Tod durch Schierlings­becher

Einer der berühmtesten Vergiftungsfälle ist der von Sokrates. Der Philosoph wurde 399 v. Chr. zum Tode durch den Schierlingsbecher verurteilt, ein Getränk mit dem Saft des gefleckten Schierlings. Das darin enthaltene Nervengift Coniin lähmt zuerst die Skelettmuskulatur, schließlich die Atemmuskulatur und führt zum Tod durch Ersticken.

Zu guter Letzt fällt mir beim Thema berühmte Vergiftungen noch der Selbstmord der ägyptischen Herrscherin Kleopatra ein. Auch wenn es verschiedene Thesen zu ihrem Tod und Zweifel über den wirklichen Hergang gibt, so ist die folgende These am bekanntesten: Kleo­patra starb durch den Biss einer Kobra. Der griechische Schriftsteller Plutarch (45 n. Chr. bis 120 n. Chr.) schrieb, Kleopatra habe sich für den Biss einer Kobra entschieden, weil das Gift der Schlange eine Betäubung ohne Krampfanfälle bewirke und der Gebissene nach und nach eine »unüberwindliche Neigung zum Einschlafen« empfinde. /

Die Autorin

Claudia Herwig arbeitete nach ihrer Ausbildung zur PTA sieben Jahre in einer Apotheke in Frankfurt am Main. Nach einem Kunstpädagogik-Studium ist sie heute als Online-Redakteurin in München tätig.

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