Wechselwirkungen unter der Lupe |
13.04.2015 12:25 Uhr |
Von Elke Wolf / Bei der Behandlung von Lipidstörungen geht an der Arzneistoffgruppe der Statine kein Weg vorbei. Sie sind die am häufigsten verordneten Wirkstoffe, um hohe Cholesterolwerte zu senken. Zudem verringern sie die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Doch Statine sind recht interaktionsfreudig, Wechselwirkungen treten zum Beispiel mit Arzneistoffen und Lebensmitteln auf.
Viele Interaktionen der Statine sind auf ihre pharmakokinetischen Eigenschaften zurückzuführen. Die einzelnen Arzneistoffe unterscheiden sich darin jedoch erheblich. Alle derzeit auf dem Markt verfügbaren CSE-Hemmer (Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmer) bis auf Pravastatin werden hauptsächlich über das Cytochrom-P450-Enzymsystem metabolisiert. Während Simvastatin, Lovastatin und zu einem kleinen Teil Atorvastatin hauptsächlich über das Cytochrom-P450-Isoenzym CYP3A4 metabolisiert werden, verstoffwechselt der Körper Fluvastatin und zu einem Teil auch Rosuvastatin über das Isoenzym CYP2C9. Pravastatin wird gar nicht über die Enzyme der Cytochrom-P450-Familie umgesetzt.
Konkurrenz um CYP3A4
Das macht klar: Arzneistoffe, die die Aktivität des Enzyms CYP3A4 hemmen, behindern den Abbau von Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin. Dadurch steigt deren Plasmaspiegel und damit das Risiko für Nebenwirkungen an der Muskulatur. Zu den typischen Nebenwirkungen einer Statin-Therapie gehören Muskelschmerzen (Myalgien), Schädigungen der Muskelzellen (Myopathien) sowie in seltenen Fällen eine möglicherweise lebensbedrohliche Rhabdomyolyse (siehe Kasten).
Steigt der Statin-Plasmaspiegel, ist das Risiko für Myopathien und Rhabdomyolysen erhöht, was sich in Muskelschmerzen und -schwäche äußert. Bei der Rhabdomyolyse werden zudem quergestreifte Muskelfasern zerstört. Das schwächt die Muskulatur und verursacht starke Muskelschmerzen. Wird das dabei entstehende Myoglobin über den Urin ausgeschieden, färbt sich dieser dunkel. Durch Ablagerungen des Myoglobins in der Niere kann sich ein akutes Nierenversagen entwickeln. Weitere mögliche Folgen einer Rhabdomyolyse sind eine 10- bis 100-fach erhöhte Aktivität des Enzyms Creatinkinase im Blut.
Zu den CYP3A4-Hemmern gehören Grapefruitsaft, Baldrian und Ginseng, aber auch Makrolid-Antibiotika wie Erythromycin, Clarithromycin und Telithromycin, Proteasehemmer wie Ritonavir und Indinavir, Metronidazol, Calciumkanalblocker wie Verapamil, das Antiarrhythmikum Amiodaron, Antidepressiva wie Nefazodon oder Antimykotika wie Ketoconazol und Itraconazol. Das Ausmaß der Interaktion ist nicht unerheblich. »Wird zum Beispiel Simvastatin gleichzeitig mit Itraconazol verabreicht, steigt die Simvastatin-Konzentration um das 19-Fache an«, informierte Professor Dr. Dieter Steinhilber, Arzneimittelexperte von der Universität Frankfurt, auf einer Fortbildungsveranstaltung für Apotheker in Gießen. »Auch die gleichzeitige Einnahme von Grapefruitsaft und Simvastatin erhöht die Plasmaspiegel um das Siebenfache und damit das Schädigungspotenzial der Statine.«
Das Risiko für diese Interaktionen ist erhöht bei älteren Patienten, bei Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion, bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sowie bei vorbestehenden Muskelerkrankungen. Für die Beurteilung der Interaktion sollten PTA oder Apotheker berücksichtigen, dass Beschwerden zeitverzögert, möglicherweise sogar erst nach einer mehrwöchigen Kombinationstherapie auftreten.
PTA oder Apotheker sollten die Patienten über das Risiko einer Myopathie informieren und ihnen raten, bei Muskelschmerzen, Muskelschwäche oder einer Dunkelfärbung des Urins umgehend ihren Arzt aufzusuchen. Dieser wird unter anderem anhand der Creatinkinase-Werte entscheiden, ob das Statin kurzfristig abgesetzt werden muss/kann oder eine Dosisreduktion ausreicht. Bei der gleichzeitigen Verordnung eines Makrolid-Antibiotikums könnte zum Beispiel auch auf Azithromycin oder Roxithromycin ausgewichen werden, da diese ein geringeres Interaktionspotenzial aufweisen.
Ebenfalls ein höheres Risiko für Muskelschmerzen bringt die gleichzeitige Gabe eines Statins und etwa Ciclosporin, Rifampicin oder Gemfibrozil mit sich, informierte Steinhilber. Allerdings unterscheidet sich der zugrundeliegende Mechanismus komplett von dem oben genannten.
Alle Statine gelangen über einen bestimmten Aufnahmetransporter mit dem Kürzel OATP1B1 in die Leber. Ciclosporin, Rifampicin und Gemfibrozil sind in der Lage, diesen Transporter zu hemmen. In der Folge gelangen geringere Mengen des Statins in die Leber, dafür mehr in Muskeln oder Nieren. So kann die einmalige Rifampicin-Gabe die Atorvastatin-Exposition um sagenhafte 680 Prozent erhöhen, führte der Experte aus. Diese Interaktionen sind auch der Grund dafür, warum die Co-Medikation mit Gemfibrozil aufgrund eines höheren Rhabdomyolyse-Risikos vermieden werden sollte. Außerdem konnte gezeigt werden, dass ein genetischer Defekt in dem Aufnahmetransporter OATP1B1 die Häufigkeit muskulärer Nebenwirkungen erhöht, weil es dadurch zu höheren peripheren Konzentrationen besonders älterer Statine wie Simvastatin kommt.
Erhöhte Blutungsneigung
Auch die gleichzeitige Einnahme von bestimmten Statinen und Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon und Warfarin kann Folgen haben. Statine können die Wirksamkeit der oralen Antikoagulanzien verstärken. Die Thromboplastinzeit (gemessen als INR-Wert) verlängert sich, das Risiko für Blutungen steigt. Dieser Effekt kann sich erst innerhalb einiger Wochen bemerkbar machen. Der Mechanismus dieser Interaktion ist nicht vollständig geklärt. Vermutlich sind mehrere Faktoren beteiligt wie Wechselwirkungen mit Transporterproteinen und Veränderungen der Plasmaproteinbindung.
Die Wechselwirkung ist für einige Statine – Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Rosuvastatin und Simvastatin – relevant. Auch bei Pitavastatin liegt sie im Bereich des Möglichen. Ein Sonderfall ist Atorvastatin: Es gibt Berichte, dass Atorvastatin bei gleichzeitiger Gabe mit Warfarin die Thromboplastinzeit auch verringern kann.
Um angemessen auf die Interaktion reagieren zu können, sollten die Blutgerinnungsparameter besonders in der Einstellungsphase sorgfältig überwacht werden. Dann kann der Arzt bei Bedarf die Dosis der Cumarin-Derivate anpassen. In der Regel müssen dann die oralen Antikoagulanzien geringer dosiert werden. Bei Atorvastatin kann eventuell eine Dosiserhöhung nötig sein. Das können PTA und Apotheker tun: Der Patient sollte über das erhöhte Blutungsrisiko informiert werden, die Kontrolltermine beim Arzt sind strikt einzuhalten. Falls Blutungen auftreten, und zwar in Form von Blut im Stuhl oder Urin oder Bluterbrechen, sollte der Patient sofort seinen Arzt aufsuchen. /
Statine sind interaktionsfreudige Arzneistoffe. Wechselwirkungen mit folgenden Substanzen sind praxisrelevant:
CYP3A4-Hemmer:
Vitamin-K-Antagonisten: