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Beratung bei Diabetes

Die Insulinreserven mobilisieren

16.09.2008  10:42 Uhr

Beratung bei Diabetes

Die Insulinreserven mobilisieren

von Anna Laven und Birgit Carl

Vor wenigen Jahren kamen die Glinide in den Handel. Repaglinid und Nateglinid unterscheiden sich zwar chemisch, wirken aber ähnlich. Die auch als Glukoseregulatoren bezeichneten Glinide regen je nach Blutglukosekonzentration die Ausschüttung von Insulin ausder Bauchspeicheldrüse an. Im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffenwirken sie schnell und nur kurz und sind damit besser steuerbar.

Glinide nützen nur Patienten, deren Bauchspeicheldrüse noch Insulin produziert. Deshalb zeigen sie bei Typ-1-Diabetikern keinen Effekt und sind bei ihnen kontraindiziert. Kann ein Typ-2-Diabetiker trotz Ernährungs- und Bewegungstherapie seinen HbA1c-Wert nicht unter 7,0 Prozent senken, beginnt die medikamentöse Therapie. Nateglinid (Starlix®) darf der Arzt laut Zulassung nur zusätzlich zu Metformin verordnen, wenn dieses in der maximal möglichen Dosis nicht wirksam genug ist. Repaglinid (NovoNorm®) darf er sowohl in Kombination mit Metformin als auch als Monotherapie verschreiben. Glinide und Sulfonylharnstoffe kombiniert der Diabetologe nicht, da das Wirkprinzip beider Substanzgruppen ähnlich ist. 

Bei den meisten Typ-2-Diabetikern versiegt nach einigen Jahren Erkrankungsdauer die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse nach und nach. Die ß-Zellen reagieren nicht mehr ausreichend auf eine Stimulation, was der Patient zunächst an einer schleichenden Erhöhung der Blutzuckerwerte bemerkt. Die Wirksamkeit der Glukoseregulatoren lässt nach, die Stoffwechsellage verschlechtert sich. Dieses Phänomen wird als Sekundärversagen bezeichnet. Eine Dosissteigerung bleibt ohne Effekt. Besser ist dann die frühzeitige Umstellung auf Insulin.

Das Insulin Spritzen hinauszögern

Typ-2-Diabetikern fällt der Schritt von der Tablette zur Spritze erfahrungsgemäß schwer. Deshalb sollten PTA und Apotheker im Beratungsgespräch Insulin immer als eine gute, lebensverlängernde Medikation bezeichnen. Statt zu sagen: »Wenn Sie sich nicht richtig verhalten, dann müssen Sie Insulin spritzen«, ist es besser, den Patienten mit folgenden Worten zu motivieren: »Mit diesen Tabletten können Sie Ihren Blutzucker gut einstellen. Wenn Sie mit Bewegung und Ernährung die Therapie unterstützen, gelingt das viele Jahre, bei manchen Patienten bis zu 20 Jahren. Und dann haben wir ja Gott sei Dank auch noch Insulin zur Verfügung.«

Glinide dosiert der Arzt nach den Bedürfnissen des Patienten und den Ergebnissen regelmäßiger Blutzuckerkontrollen. Stellt der Arzt einen Patienten auf Repaglinid ein, beginnt er mit einer Startdosis von 0,5 mg. Je nach Bedarf kann der Diabetiker zu jeder Hauptmahlzeit oder nur zur größten Tagesmahlzeit eine Tablette einnehmen. Wenn eine Dosissteigerung auf Grund der gemessenen Blutzuckerwerte erforderlich ist, nimmt der behandelnde Arzt diese in der Regel erst nach zwei Wochen vor. Eine Einzelgabe beträgt maximal 4 mg, die maximale Tagesdosis 16 mg.

Nateglinid nimmt der Patient dreimal täglich ein. Üblicherweise wird mit dreimal täglich 60 mg begonnen. Die Dosis kann auf dreimal täglich 120 mg gesteigert werden. Als Maximaldosis gelten dreimal täglich 180 mg. Die Einnahme muss grundsätzlich unmittelbar, das heißt eine bis dreißig Minuten vor der Mahlzeit erfolgen. Für den Patienten ist eine klare Anweisung wichtig, die er in seinem Alltag umsetzen kann. PTA und Apotheker können das Thema ansprechen: »Wann fällt es Ihnen am leichtesten, an die Tabletten zu denken? Sie können sie direkt vor dem Essen oder auch in der halben Stunde davor einnehmen.«

Ohne Mahlzeit keine Tablette

Grundsätzlich darf der Diabetiker seine Tablette nur dann nehmen, wenn danach eine Mahlzeit folgt. Verzichtet er zum Beispiel auf das Mittagessen, so muss er auch das Glinid weglassen. Eine verschobene Mahlzeit bedeutet auch, die Tabletteneinnahme zu verschieben. Ansonsten kann es zu einer Unterzuckerung kommen.

Bei Nateglinid setzt die Wirkung nach etwa 15 Minuten ein. Nach drei bis vier Stunden ist der Insulinausgangswert wieder erreicht. Dies bedeutet für den Diabetiker, dass er seinen Blutzuckerspiegel bis zu drei Stunden nach dem Essen besonderes bezüglich einer Unterzuckerung beobachten muss. 

Auch wenn wider Erwarten eine Mahlzeit nur sehr wenige Kohlenhydrate, also wenig Broteinheiten enthält, kann es zu einer Unterzuckerung kommen. Wie bei der Einnahme von Sulfonylharnstoffen ist es wichtig, dass der Patient genau weiß, wie sich eine Hypoglykämie äußert und welche Gegenmaßnahmen er einleiten muss. Unterzuckerungen treten besonders häufig bei mit Gliniden behandelten Patienten auf, die zusätzlich Metformin erhalten, und bei Diabetikern, deren HbA1c unter 7,5 Prozent liegt, also bei Personen, die den Zielwert von unter 7,0 Prozent fast erreichen. Insgesamt ist aber die Gefahr einer Hypoglykämie unter der Therapie mit Gliniden geringer als bei der Gabe von Sulfonylharnstoffen.

Auf Sehstörungen achten

Gliniden verursachen bei manchen Patienten gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall oder Übelkeit. Diese sind vor allem am Anfang häufiger und verschwinden mit der Anwendungsdauer. In diesem Fall kann es hilfreich sein, die Tablette nicht 30 Minuten, sondern so kurz wie möglich vor der Mahlzeit einzunehmen.

Fährt der Diabetiker Auto oder bedient Maschinen, sollten ihn PTA oder Apotheker darauf hinweisen, dass Glinide zu Beginn der Therapie Sehstörungen hervorrufen können. Diese unerwünschte Wirkung ist nicht für Glinide typisch, sondern kann auch bei anderen Blutzucker senkenden Arzneimitteln auftreten. Antidiabetika verringern parallel zum Blutzuckerspiegel die Glukosekonzentration in der Augenflüssigkeit, wodurch sich der Brechungswinkel verändert. Auch Druckschwankungen und eine veränderte Durchblutung sind die Folge eines niedrigeren Glukosegehaltes des Kammerwassers. Bleibt der Glukosewert konstant, verschwinden die Sehstörungen. 

Eine bei Diabetikern häufig bestehende Retinopathie, also die Veränderung der Netzhaut, kann sich durch das schnelle und drastische Absenken der Glukosewerte deutlich verschlechtern. Deshalb ist möglichst noch vor Beginn der Therapie eine Untersuchung beim Augenarzt wichtig. Hierauf können PTA und Apotheker den Kunden mit folgenden Worten vorbereiten: »Ganz zu Anfang der Behandlung kann es sein, dass Sie unter Sehstörungen wie unscharfem Sehen leiden. Meistens ist dies ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass Ihre Zuckerwerte sinken und das Arzneimittel bei Ihnen gut wirkt. Passen Sie aber zum Beispiel beim Auto Fahren auf! Gleichzeitig ist es wichtig, dass Sie regelmäßig beim Augenarzt Ihren Augenhintergrund untersuchen lassen.«

Übrigens: Ob der Augenhintergrund untersucht worden ist oder nicht, können PTA oder Apotheker ganz einfach erfragen. »Konnten Sie nach Ihrem letzten Augenarztbesuch ganz normal sehen oder wurden Ihnen Tropfen zur Erweiterung der Pupille gegeben?« Nur wenn der Augenarzt zum Beispiel Atropin-Augentropfen verwendet hat, konnte er den Augenhintergrund beurteilen.

Trotz der relativ hohen Tagestherapiekosten sind Glinide eine sinnvolle Ergänzung des Sortiments der oralen Antidiabetika und eignen sich vor allem für berufstätige Typ-2-Diabetiker, die Wert auf eine flexible Therapie legen. Die kurze Wirkdauer der Glinide bietet zudem die Möglichkeit, die Therapie den Lebensumständen und Ernährungsgewohnheiten des Patienten optimal anzupassen.

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