Säure macht dem Magen Stress |
| 28.09.2010 11:30 Uhr |
Säure macht dem Magen Stress
von Andrea Gerdemann
Fast jeder kennt das unangenehme Gefühl, wenn die Speiseröhre schmerzt und der Magen drückt. Schätzungsweise jeder Dritte ist regelmäßig davon betroffen, ältere Menschen häufiger als jüngere. So ist es nicht verwunderlich, dass in der Selbstmedikation Arzneimittel gegen Magenbeschwerden eine große Rolle spielen.
Normalerweise verhindert der Schließmuskel am Mageneingang, dass dessen Inhalt in die Speiseröhre hochsteigt (Reflux). Typische Symptome für Reflux sind Sodbrennen, saures Aufstoßen und Oberbauchbeschwerden. Auch unspezifische Symptome wie Husten, Übelkeit oder Schlafstörungen können hinzukommen.
Gelegentlicher Reflux ist kein Grund zur Sorge. Gelangt jedoch regelmäßig Magensäure in die Speiseröhre, nimmt die Schleimhaut Schaden und entzündet sich. Etwa bei jedem zehnten Betroffenen entwickelt sich eine Refluxösophagitis. Ständig wiederkehrende Beschwerden dürfen die Patienten nicht selbst behandeln, sondern sollten unbedingt einen Arzt konsultieren. Nur dieser kann feststellen, ob eine Ösophagitis, die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), ein Ulkus oder eine andere ernsthafte Erkrankung vorliegen.
Die Auslöser säurebedingter Magenbeschwerden sind sehr
Häufig wenden sich die Patienten zuerst an PTA oder Apotheker und fragen diese um Rat. Sie wünschen ein Arzneimittel, das möglichst schnell ihre Beschwerden lindert. Erstes Ziel des Beratungsgesprächs sollte sein, möglichst viele Informationen über die Ursache und Dauer der Beschwerden zu erhalten. Nur dann können PTA oder Apotheker dem Patienten individuell das beste Präparat empfehlen. Für den Beginn des Beratungsgesprächs eignen sich folgende Fragen:
Durch das Gespräch mit dem Patienten kann sich ergeben, dass seine Beschwerden kein Fall für die Selbstmedikation sind. Dieses gilt zum Beispiel bei chronischen Beschwerden, andauerndem Nüchternschmerz oder ständigen Schmerzen in der Nacht sowie bei unbeabsichtigtem Gewichtsverlust von mehr als 3 kg innerhalb kurzer Zeit. Auch wer regelmäßig ASS, NSAR, Glucocorticoide oder Zytostatika einnimmt und anschließend Sodbrennen hat, sollte sich an seinen Arzt wenden.
Im Rahmen der Selbstmedikation standen bislang Antacida sowie frei verkäufliche H2-Blocker (wie Famotidin und Ranitidin) zur Behandlung des Sodbrennens zur Verfügung. Seit einigen Monaten können PTA oder Apotheker auch die Protonenpumpeninhibitoren (PPI) Omeprazol und Pantoprazol in der 20-mg-Dosierung empfehlen. Grundsätzlich gilt der Rat: Die Patienten sollten alle Präparate nur kurzfristig einnehmen. Bessern sich die Symptome nicht nach vier Tagen, spätestens nach zwei Wochen, ist der Gang zum Arzt unvermeidlich. Nur auf Rat eines Arztes dürfen Schwangere und Stillende sowie Kinder unter 7 Jahren Antacida einnehmen. H2- Blocker dürfen Jugendliche erst ab 16 Jahren schlucken, und PPIs sind in der Selbstmedikation nur für Erwachsene ab 18 Jahren zugelassen.
Rasche Hilfe durch Antacida
Antacida binden freie Wasserstoff-Ionen direkt im Magen und vermindern dadurch die Säureaktivität. Sie zeichnen sich durch einen schnellen Wirkeintritt aus – meist innerhalb weniger Minuten, allerdings hält ihre Wirkung lediglich zwei bis vier Stunden an. Sie sind geeignet bei gelegentlichem Sodbrennen sowie leichteren Beschwerden. Mittel der Wahl sind Kombinationspräparate aus Magnesium- und Aluminiumhydroxid. Außer Magnesiumhydroxid sind auch dessen Carbonat, Oxid oder das Magnesium-Aluminat-Hydrat in Antacida enthalten. Als Nebenwirkungen können Durchfall oder ein weicher Stuhl auftreten. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten Vorsicht im Umgang mit Magnesiumverbindungen walten lassen, denn bei ihnen könnte sich die Plasmakonzentration an Magnesium zu stark erhöhen.
Als Aluminiumverbindungen enthalten Antacida entweder Aluminiumhydroxid oder dessen Oxid sowie Phosphat. Diese Substanzen schützen die Magenschleimhaut noch zusätzlich, da sie prostaglandinartig wirken. Vor allem bei hoher Dosierung kann als mögliche Nebenwirkung Verstopfung auftreten.
Ein weiterer Schritt zur kontrollierten langsamen Neutralisation der überschüssigen Magensäure gelang mit den sogenannten Schichtgitter-Antacida wie Hydroxtalcit und Magaldrat sowie Aluminium-Magnesiumtrisilikat (Simaldrat) oder Aluminium-Magnesium-silikathydrat (Almasilat). Hydrotalcit bindet zudem Pepsin und Gallensäuren. Experimentellen und klinischen Daten zufolge schützen Schichtgitter-Antacida die Magenschleimhaut und unterstützen die Abheilung von Ulcera. Bei hoher Dosierung können Kombinationspräparate aus Aluminium- und Magnesiumverbindungen zu breiigen, weichen Stühlen oder auch zu Diarrhö führen. Das jeweilige Antacidum sollten die Patienten eine Stunde nach dem Essen, bei Bedarf zusätzlich nach weiteren drei Stunden sowie vor dem Zubettgehen einnehmen, insgesamt also vier- bis sechsmal pro Tag. Wichtig ist, dass sie Tabletten gut kauen oder lutschen.
Die alleinige Einnahme von Calcium- oder Magnesiumcarbonat sowie Natriumhydrogencarbonat gilt als obsolet, auch Moorextrakte und -zubereitungen, Kieselerde und -säure sollten nicht mehr empfohlen werden.
Bei der Abgabe eines Antacidums müssen PTA oder Apotheker den Patienten danach fragen, ob er regelmäßig Arzneimittel einnimmt, denn Magnesium- und Aluminiumverbindungen können mit anderen Arzneistoffen Komplexe bilden und dadurch deren Bioverfügbarkeit vermindern. Das betrifft zum Beispiel Bisphosphonate wie Alendronat, Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin und Ofloxacin sowie Tetracycline. Aus diesem Grund lautet die Empfehlung: Die Patienten sollten die genannten Arzneimittel erst zwei bis drei Stunden nach dem Antacidum einnehmen.
H2-Blocker gut für die Nacht
H2-Blocker blockieren die Histaminrezeptoren in der Magenschleimhaut, welche die Säureproduktion regulieren. In der Folge entsteht weniger Säure. Im Unterschied zu den Antacida beginnt die Wirkung der H2-Blocker verzögert nach circa 30 bis 60 Minuten, dafür wirken sie sechs bis zehn Stunden. Die frei verkäuflichen Wirkstoffe Famotidin und Ranitidin sind besonders geeignet für Patienten mit nächtlichem, anhaltendem oder ausgeprägtem Sodbrennen. Wünscht der Patient eine schnelle und gleichzeitig lang anhaltende Wirkung, können PTA oder Apotheker ihm raten, ein Antacidum mit einem H2-Blocker zu kombinieren.
Die tägliche Dosis für Famotidin beträgt 10 bis maximal 20 mg und für Ranitidin 75 bis maximal 150 mg. Beide Substanzen werden unzerkaut mit etwas Flüssigkeit geschluckt; meist empfehlen die Hersteller die Einnahme vor dem Schlafengehen. Als Nebenwirkungen treten gelegentlich Kopfschmerzen oder Schwindel und selten Obstipation oder Diarrhö auf. Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion dürfen keine H2-Blocker erhalten.
H2-Blocker können die Resorption der Antimykotika Ketoconazol und Itraconazol vermindern. Um diese Wechselwirkung zu vermeiden, sollte der Patient das Azol zeitlich etwa zwei Stunden vor dem H2-Blocker einnehmen.
PPI mit Langzeiteffekt
Die Protoneninhibitoren (PPI), die als magensaftresistente Arzneiformen vorliegen, gelangen nach peroraler Gabe über die Blutbahn zu den Belegzellen des Magens. Dort entsteht im sauren Milieu aus dem Prodrug ein aktiver Metabolit, der die Protonenpumpe irreversibel blockiert. Je mehr Säure die Belegzellen bilden, desto mehr aktiver Metabolit entsteht, das heißt umso stärker wirken die PPI. Protonenpumpeninhibitoren hemmen also den letzten Schritt der Magensäureproduktion. Im Vergleich mit den beiden anderen Wirkstoffgruppen hält die Wirkung der Protonenpumpeninhibitoren am längsten an, zwischen ein und drei Tagen.
PPI sind in der Selbstmedikation für Patienten geeignet, die unter häufigeren oder stärkeren Beschwerden leiden oder mit der Behandlung eines Antacidums keinen Erfolg hatten – immer vorausgesetzt, dass die Grenzen der Selbstmedikation eingehalten werden. Die Dosierung für Omeprazol und Pantoprazol beträgt 20 mg pro Tag. Als Nebenwirkungen kann es zu Durchfall, Übelkeit oder auch Kopfschmerzen kommen.
Bei den PPI müssen PTA oder Apotheker beachten, dass deren Interaktionspotenzial größer ist als das der Antacida oder der H2-Blocker. Omeprazol und Pantoprazol sind sowohl Substrat als auch Inhibitor des Leberisoenzyms CYP2C19. Daher kann es zu Interaktionen mit Arzneistoffen kommen, die ebenfalls über CYP2C19 verstoffwechselt werden, dieses Enzym hemmen oder anregen. Eine wichtige Interaktion ist die Wechselwirkung mit Johanniskrautpräparaten, die den Plasmaspiegel der PPI absenken können. Patienten, die Johanniskrautpräparate einnehmen und über Sodbrennen klagen, sollten PTA oder Apotheker besser Ranitidin oder Famotidin empfehlen, da diese beiden Substanzen nicht mit Johanniskraut interagieren.
Lebensstil überdenken
Neben den oben genannten Arzneistoffen können etliche nicht-medikamentöse Maßnahmen Sodbrennen lindern oder sogar verhindern. Gerade bei leichteren Beschwerden reichen diese häufig schon alleine aus. Folgende Ratschläge können für Patienten, die ihren Lebensstil ändern möchten, hilfreich sein (eventuell auch in Form eines Handzettels für Zuhause) :
Viele der aufgeführten Tipps erfordern Ausdauer und auch Disziplin des Patienten. Bei dieser schwierigen Aufgabe können PTA oder Apotheker ihm unterstützend zur Seite stehen.
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