Gefährliche Atemstille in der Nacht |
24.08.2012 17:13 Uhr |
Von Claudia Borchard-Tuch / Schlafapnoe betrifft in Deutschland schätzungsweise 5 Prozent der Menschen. Die Erkrankung wird zumeist wenig beachtet und nicht behandelt. Dies kann ernste Folgen haben.
Plötzlich pausiert der Atem im Schlaf – eine Sekunde, eine Minute, drei Minuten oder auch länger. Die Stille ist bedrohlich, denn schließlich kommt das Gehirn nur wenige Minuten ohne Sauerstoff aus. Zu viele Atemaussetzer beim Schlafen – genannt Schlafapnoe – hinterlassen bleibende Schäden (Kasten). Bei jedem Atemaussetzer sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut ab, bis der Betroffene wach wird, um tief Luft zu holen. Zumeist nimmt er diese Reaktion gar nicht wahr. Doch am folgenden Tag fühlt er sich schläfrig und hat Konzentrationsprobleme. Oftmals kann er sich schlecht erinnern, klagt über Kopfschmerzen und fühlt sich niedergeschlagen.
In vielen Fällen sind die Atemwege der Betroffenen zu eng oder verlegt wie bei der obstruktiven Schlafapnoe. Das Problem sind zumeist die Weichteile des Gaumens – das Zäpfchen und das Gaumensegel – oder die Zunge. Sie alle können den Luftstrom behindern. Beim Schlafen erschlaffen die Gewebe und beim Liegen auf dem Rücken rutscht der hintere Teil der Zunge in den Rachen. Da die Gewebe sich im Luftstrom bewegen, schnarchen die Schläfer dann lauthals.
Bei etwa jedem zehnten Patienten spielen diese Phänomene jedoch keine Rolle. In dieser Gruppe ruft eine ausbleibende Steuerung des Gehirns den Atemstillstand hervor. Mediziner sprechen dann von einer zentralen Schlafapnoe.
Nur wenn die Erkrankung möglichst früh erkannt wird, lassen sich Risikofaktoren, die sie verstärken oder auslösen können, ausschalten oder minimieren. Zu ihnen zählen Übergewicht, Fehlstellungen des Unterkiefers oder vergrößerte Rachenmandeln.
Auch eine Vielzahl verschiedener Substanzen kann Schlafapnoe hervorrufen. Zum einen ist bekannt, dass Nikotin und Alkohol das Risiko erhöhen. Doch auch Menschen, die berufsbedingt mit gefährlichen Stoffen in Kontakt kommen, beispielsweise Lösungsmitteln wie Perchlorethylen oder n-Butanol, sind gefährdet. Dazu gibt es viele Fallbeispiele, etwa den Chemielaboranten, der jahrelang Lösungsmitteln in so hohen Konzentrationen ausgesetzt war, dass nach einer Weile täglich akute Vergiftungserscheinungen auftraten.
Bei Verdacht auf Schlafapnoe erhält der Patient vom Arzt im Allgemeinen zunächst ein Messgerät, das während der Nacht verschiedene Werte dokumentiert. So misst es beispielsweise die Atemströmung und die Herzfrequenz oder zeichnet auf, wie viel Sauerstoff im Blut zirkuliert. Auf diese Weise kann der Arzt erkennen, ob die Atmung während der Nacht zum Stillstand kommt. Setzt der Atem des Schläfers innerhalb einer Stunde häufiger als fünf Mal für zehn oder mehr Sekunden aus, ist eine Schlafapnoe wahrscheinlich.
Atemaussetzer beim Schlafen beeinträchtigen Bereiche des Gehirns, die am Gedächtnis beteiligt sind. Dies entdeckte ein Forscherteam um Professor Ronald Harper von der University of California in Los Angeles. Die Wissenschaftler verglichen die Gehirnscans von 43 Schlafapnoe-Patienten mit denen von 66 Gesunden. Hierbei stellte sich heraus, dass bei den Patienten die sogenannten Mammillarkörper an der Unterseite des Gehirns um etwa 20 Prozent verkleinert waren. Verantwortlich für den Gewebeverlust ist wahrscheinlich der wiederholte Sauerstoffmangel, so Harper. Während eines Atemstillstands ziehen sich die Blutgefäße zusammen, sodass die Sauerstoffzufuhr in das Gewebe stark abnimmt. Schließlich führt der Sauerstoffmangel zum Absterben der Zellen.
Neben chronischer Übermüdung sind Konzentrationsprobleme und Gedächtnisverlust typische Symptome der Schlafapnoe. Ähnlich geschädigte Mammillarkörper findet man bei Alkoholkranken und Alzheimer-Patienten.
Überweist der Arzt den Patienten dann in ein Zentrum für Schlafmedizin, wird dieser in einem Schlaflabor während der Nacht an verschiedene Messgeräte angeschlossen. Aufgezeichnet werden unterschiedliche Organaktivitäten: die Gehirnströme (Elektroenzephalogramm, EEG), die Augenbewegungen, die Herztätigkeit (Elektrokardiogramm, EKG), die Muskelaktivitäten der Beine und am Kinn (Elektromyogramm, EMG), die Nasenatmung, eventuelles Schnarchen, die Atembewegungen von Brustkorb und Bauch sowie der Sauerstoffgehalt des Blutes. Zusätzlich filmt eine Kamera den Patienten. Zumeist lässt sich so eine Schlafapnoe sicher diagnostizieren.
Um die Stärke der Erkrankung zu beschreiben, nutzen Ärzte den sogenannten Apnoe-Index (AHI). Je nachdem, wie viele Atempausen von mindestens zehn Sekunden der Patient während des Schlafs pro Stunde hat, ordnet der Arzt der Krankheit einen Wert zu (Tabelle auf Seite 54). Bei den meisten Patienten liegt der Index unter 5. Je höher der Wert, desto schwerer ist die Erkrankung.
Verursacher ausschalten
Übergewicht, Alkohol- und Zigarettenkonsum – all das kann Schlafapnoe auslösen und begünstigen. PTA oder Apotheker sollten daher dem Patienten raten, mit dem Rauchen aufzuhören, möglichst wenig Alkohol zu trinken und – falls nötig – sein Gewicht abzubauen.
In letzter Zeit stellte sich heraus, dass die Unterscheidung zwischen obstruktiver und zentraler Schlafapnoe offenbar zu einfach ist. Bei der sogenannten komplexen Schlafapnoe leiden die Patienten scheinbar unter einer ganz »normalen« obstruktiven Schlafapnoe, die sich aber durch ein CPAP-Gerät nicht gut in den Griff bekommen lässt: Die obstruktiven Apnoen verschwinden zwar unter der nasalen Überdruckbeatmung, doch dafür treten bei diesen Patienten immer häufiger zentrale Apnoen auf. Die Ursache ist unbekannt. Zu den Risikofaktoren zählen männliches Geschlecht, Schlafen in Rückenlage und Lungenstauung, beispielsweise als Folge einer Herzinsuffizienz. Bei der komplexen Schlafapnoe steht die Therapie der Begleiterkrankungen im Vordergrund. Zudem ist auch hier die adaptive Servoventilation ein wirksames Behandlungsverfahren.
Auch ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus fördert Schlafapnoe. Deshalb sollten die Betroffenen auf eine gesunde Schlafhygiene achten, beispielsweise immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen. Empfehlenswert sind auch Einschlafrituale wie das Zimmer lüften oder Kräutertee trinken.
Bei manchen Patienten treten die Atemstörungen nur in Rückenlage auf. Um zu verhindern, dass sie sich nachts auf den Rücken drehen, können sie Hilfsmittel wie eine Rückenlagevermeidungsweste tragen.
Einfache Mittel helfen
Patienten mit obstruktiver Apnoe helfen zumeist relativ einfache Mittel, beispielsweise eine Biss-Schiene, die Unterkiefer und schlaffes Gewebe in Stellung hält. Oftmals beeinträchtigen aber nicht nur die Zunge oder die Weichteile des Gaumens das Atmen. Im Schlaf entspannt sich die Muskulatur in den oberen Luftwegen häufig so stark, dass die Muskeln beim Einatmen kollabieren. Zumeist hilft hier ein CPAP (Continuous Positive Airway Pressure)-Gerät, das in regelmäßigen Abständen Raumluft über eine Maske in die Atemwege pumpt.
Da der Überdruck nicht sehr groß ist, wird die Lunge nur gering aufgeblasen. Die Elastizität der Lunge sorgt dafür, dass die Luft wieder herausgepresst wird. Reicht diese Behandlung nicht aus, ist ein spezielles Gerät notwendig, das auch das Ausatmen erleichtert, indem es während dieser Phase zusätzlich einen niedrigeren Druck erzeugt.
Bei zentraler Schlafapnoe ist die sogenannte adaptive Servoventilation derzeit das effektivste Therapieverfahren. Hierbei erhält der Patient zur eigenen Atmung eine Druckunterstützung, die der Servoventilator für jeden Atemzug neu festlegt. Ist die Atmung des Patienten stabil, liefert das Gerät nur eine minimale Druckunterstützung. Erst wenn die Atmung aus dem Gleichgewicht gerät, verändert das Gerät den Druck. Auf diese Weise gelingt es, die gestörte Atmung nahezu vollständig zu normalisieren.
Wird die Schlafapnoe nicht ausreichend behandelt, hat das für den Patienten langfristige Folgen. Dann schädigt die Erkrankung Gefäße und Herz. Kommt die Atmung in der Nacht immer wieder zum Stillstand, versetzt dies den Körper in einen Alarmzustand. Durch Aktivierung des sympathischen Nervensystems kann der Patient eine arterielle Hypertonie entwickeln mit Folgen wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall.
Schweregrad | AHI (Apnoe-Index) |
---|---|
normal | < 5/h |
leichtgradig | 5-15/h |
mittelgradig | 15-30/h |
schwergradig | > 30/h |
Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und Diabetes mellitus. So konnten Wissenschaftler nachweisen, dass bei Patienten mit mehr als fünf Atemaussetzern pro Stunde das Risiko für eine Insulinresistenz um den Faktor 2 erhöht ist. Auch Magengeschwüre, Depressionen, Ohrensausen und Hörsturz sind als Folgen nicht selten. Unzureichend behandelte Schlafapnoiker sind weniger belastbar und sterben früher als Gesunde. /
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