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Reizdarm-Syndrom

Programm für einen entspannten Darm

24.08.2012  10:03 Uhr

Von Andrea Pütz / Das Reizdarmsyndrom betrifft circa fünf Millionen Menschen in Deutschland – in der Mehrzahl Frauen. Die Lebensqualität der Betroffenen ist häufig stark eingeschränkt. Mit der richtigen Vorgehensweise können diese jedoch wieder Ruhe in ihren Darm bringen.

Zum Teil krampfartige Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, Verstopfung und eine veränderte Stuhlfrequenz und -konsistenz machen Reizdarmpatienten so manchen Tag zur Qual. Charakteristischerweise lassen die Beschwerden kurz nach der Stuhlentleerung deutlich nach. Meist fällt es schwer, einen Reizmagen eindeutig vom Reizdarm abzugrenzen, da viele Betroffene gleichzeitig oder abwechselnd unter Magen- und Darmbeschwerden leiden.

So gehören auch Übelkeit, Druckgefühl im Oberbauch, Völlegefühl, Sodbrennen und Aufstoßen zu den typischen Symptomen. Einige Betroffene stehen permanent unter einem massiven Leidensdruck, andere wiederum erleben nur leichte Beschwerden in ganz bestimmten Situationen.

Da beim Reizdarmsyndrom (RDS) oder auch Irritable Bowel Syndrome (IBS) keine organischen Erkrankungen vorliegen, sprechen Mediziner auch von einer funktionellen Erkrankung des Verdauungstraktes. Die Lebenserwartung der Patienten ist zwar nicht geringer als bei Gesunden, und das Risiko für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sowie Magen- oder Darmkrebs nicht erhöht, die Lebensqualität aber ist umso mehr beeinträchtigt: Neben den genannten kommen bei vielen Betroffenen weitere Beschwerden hinzu (siehe Kasten).

An RDS leiden vor allem 30- bis 60- Jährige. Der Frauenanteil ist mit zwei Dritteln überproportional groß. Warum dies so ist, ist noch ungeklärt. Möglicherweise könnte die Mehrfachbelastung vieler Frauen durch Job, Kinder und Haushalt mit verantwortlich sein. Das RDS zählt zu den psychosomatischen Erkrankungen und nimmt mittlerweile den zweiten Platz in der Rangliste der häufigsten Ursachen für krankheitsbedingte Fehlzeiten am Arbeitsplatz ein.

Bauchhirn außer Kontrolle

Die Forschung um die Ursachen des RDS hat sich in den letzten Jahren sehr auf neurologische Aspekte konzen­triert. Den Magen-Darm-Trakt durchzieht ein autonomes Nervensystem, das auch als Bauchhirn bezeichnet wird. Es erstreckt sich mit 100 Millionen Nervenzellen über den kompletten Trakt und kommuniziert intensiv mit dem Gehirn als einer Art Schaltzentrale. Mediziner gehen davon aus, dass bei Reizdarmpatienten eine Koordinations- beziehungsweise Wahrnehmungsstörung des Bauchhirns vorliegt. Aus diesem Grund reagieren die Betroffenen wesentlich empfindlicher auf Dehnungsreize und andere Signale des Darms. Die Darmmotorik gerät außer Takt und die Patienten empfinden eine eigentlich normale Darmaktivität bereits als schmerzhaft. Verzehren sie dann noch ballaststoffreiche und schwer verdauliche Lebensmittel, können die Beschwerden unerträglich werden.

Symptome im Überblick

  • Völlegefühl und Druckgefühl
  • Übelkeit
  • Aufstoßen, Sodbrennen
  • Kloßgefühl in der Kehle
  • (krampfartige) Bauchschmerzen
  • Blähungen
  • Durchfall und/oder Verstopfung (auch im Wechsel)
  • Veränderung der Stuhlkonsistenz und -häufigkeit
  • Erleichterung der Beschwerden nach der Stuhlentleerung
  • andere Beschwerden wie Reiz- blase, Kopf- und Rückenschmerzen
  • psychische Probleme wie Depression, Angst und Burn-out

Reizdarmpatienten verbindet oft eine Gemeinsamkeit: Untersuchungen haben ergeben, dass die Eltern der Betroffenen oftmals auch unter einem Reizdarmsyndrom leiden oder litten. Daher erfahren die Kinder schon früh, wie Mutter oder Vater Probleme in den Bauch projiziert und ihnen – im wahrsten Sinne des Wortes – der Ärger auf den Magen-Darm-Trakt schlägt. Auch eine genetische Veranlagung wird diskutiert. Weitere Untersuchungen weisen zudem auf eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora mancher RDS-Patienten hin. Für das sogenannte postinfektiöse RDS werden eine vorausgegangene bakterielle Darminfektion oder Antibiotika verantwortlich gemacht.

Erster Weg zur Besserung

Augrund der Vielfalt der Ursachen sollten sich Arzt und Patient gemeinsam auf die »Spurensuche« begeben. Grundsätzlich muss der Arzt vor der RDS-Diagnose andere Erkrankungen ähnlicher Symptomatik ausschließen. Chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, eine Gastritis oder Darmkrebs können sich ebenso hinter den Beschwerden verbergen wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten, beispielsweise auf Gluten. Auch eine Lactose- oder Fructose-Intoleranz ist bei RDS häufig mit im Spiel, sodass sie kein Ausschlusskriterium darstellen, sondern eher als unterstützender Hinweis gewertet werden können. Alle anderen krankhaften Veränderungen kann der Mediziner neben einer Laboruntersuchung von Blut und Stuhl mittels Ultraschall-Untersuchung und in manchen Fällen durch eine Magen- und/oder Darmspiegelung ausschließen.

Nicht fehlen darf ein Gespräch zu psychischen Problemen, denn auch hier können viele Betroffene das Übel an der Wurzel packen. Generell gilt: Halten die Beschwerden über mindestens drei Monate an und sind organische Ursachen ausgeschlossen, so wird die funktionelle Störung des Magen-Darm-Traktes als RDS bezeichnet.

Das Vier-Säulen-Programm

Mit einem individuellen Programm kann der Patient seine Beschwerden langfristig reduzieren. Dieses beinhaltet diätetische, medikamentöse und psychotherapeutische Maßnahmen sowie ein Fitnessprogramm für Körper und Geist. Ziel der Ernährungsumstellung ist, künftig beschwerdeauslösende Nahrungsmittel zu meiden. Diese muss der Betroffene für sich selbst herausfinden. Bei der mühsamen Suche kann ihm ein Symptom-Tagebuch helfen. Dann muss er über einen Zeitraum von vier Wochen sowohl die Speisen als auch die daraus resultierenden Symptome mit Art, Dauer und Intensität notieren. So kann er Zusammenhänge zwischen Ernährung und körperlichem Unwohlsein aufdecken. Häufig sind es Kohlgemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Stein- und Beerenobst, Zitrusfrüchte sowie Milchprodukte, die zu den charakteristischen Beschwerden führen.

Fettreiche Lebensmittel wirken bei vielen Betroffenen wie ein Abführmittel, denn beim Abbau von Fett setzen Enzyme im Verdauungstrakt Glycerin frei, das abführend wirkt. Bei einer übersensiblen Wahrnehmung ist die Neigung zu Durchfall so weiter erhöht. Der Patient sollte daher Fast Food meiden und Fett in der täglichen Ernährung möglichst sparsam einsetzen. Ebenso vertragen viele Betroffene die an sich gesunden Ballaststoffe schlecht. Durch vermehrte Gasbildung können diese zu schmerzhaften Blähungen führen. Dann sollte der Patient vorerst die aufgenommene Ballaststoffmenge reduzieren und erst nach Besserung der Symptome wieder in größeren Mengen verzehren.

Viele RDS-Betroffene reagieren zudem empfindlich auf Genussmittel wie Alkohol, Coffein und Nicotin. Vor allem hochprozentige Spirituosen und Kaffee können die Magen- und Darmschleimhaut reizen, was sich als Sodbrennen, Aufstoßen, aber auch Durchfall äußern kann. Der Patient sollte in diesen Fällen möglichst auf Cola und Kaffee verzichten und Alkohol nur in kleinen Mengen trinken.

Darüber hinaus spielen Zubereitung und Essverhalten eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn hastiges Schlingen und ungenügendes Kauen können die Beschwerden ebenso verstärken wie die Temperatur und Würze der Speisen. Sehr kalte oder heiße sowie stark gewürzte und gesalzene Speisen und Getränke beeinflussen die Magen-Darm-Tätigkeit. Langsam und achtsam zu essen sowie scharfe Gewürze nur in geringen Mengen zu verwenden ist hier eine gute Empfehlung. Benötigt der Patient weitere Hilfe, können PTA oder Apotheker ihm spezielle Ernährungsratgeber an die Hand geben oder den Besuch einer Ernährungsberatung empfehlen. Dort erhält er professionelle Hilfe bei der Erstellung eines ausgewogenen individuellen Speiseplans.

Die Anfang 2011 veröffentlichte RDS-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten hilft dem Arzt nicht nur bei der Diagnose, sondern auch bei seiner Therapieentscheidung. Empfohlen werden Arzneimittel, die klassischerweise bei Schmerzen und Krämpfen, Verstopfung, Durchfall, Blähungen und psychischen Problemen helfen. Patienten mit gravierenden Beschwerden verordnen manche Ärzte Antidepres­siva. Einigen Betroffenen verschafft die Einnahme eines Breitband-Antibiotikums Linderung – so die Erkenntnis einer Studie. Da die Forscher auch die Mikroflora des Darms im Visier haben, versuchen sie die Darmtätigkeit zu normalisieren, indem sie die Zahl und Zusammensetzung der dort ansässigen Bakterien durch entsprechende Präparate verändern.

Naturheilkundliche Hilfe

Die Therapie des RDS ergänzen auch Phytopharmaka. Vor allem Pfefferminze, Kümmel, Anis und Fenchel haben sich gegen die Symptomatik bewährt, denn sie entkrampfen, lösen Blähungen und regulieren auf sanfte Weise die Darmmotorik. Regelmäßig als Arzneitee getrunken oder beispielsweise als Kapsel eingenommen bieten sie den Betroffenen vor allem bei leichten Beschwerden schnelle Hilfe. Flohsamenschalen als Ballaststoffe mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen quellen auf und wirken darmregulierend – sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall. Auch probiotische Produkte zum Aufbau einer intakten Darmflora können die Reizdarmsymptomatik deutlich verbessern. All diese Produkte eignen sich hervorragend für den Zusatzverkauf.

Wenn die Psyche mitbeteiligt ist, versprechen neben Gesprächen mit einem Therapeuten auch Methoden zur Stressbewältigung Erfolg. Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Yoga, Pilates, Achtsamkeits-Medita­tion, Tai Chi, Qigong oder Autogenes Training verhelfen Betroffenen zu mehr Gelassenheit: Aus diesem Angebot kann jeder die für ihn beste Methode auswählen. Die Kurskosten werden von zahlreichen Krankenkassen anteilig übernommen. Eine Neustrukturierung des Alltags und das Erlernen eines optimalen Zeitmanagements bringen meist weitere Entlastung, damit der Darm – als Spiegelbild der Seele – zur Ruhe kommt.

Auch Gespräche mit Familienangehörigen und Freunden können zusätzlich helfen, Lösungen für individuel­le Schwierigkeiten zu finden. Darüber hinaus spielt ausreichender und erholsamer Schlaf eine wichtige Rolle in der Reizdarmtherapie. Nachts beruhigen sich nicht nur Magen und Darm, sondern auch das Gehirn, was zur Stress­bewältigung maßgeblich beiträgt.

Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Bewegung und Entspannung wirkt sich ebenfalls positiv auf die Beschwerden aus, zumal sportliche Betätigungen grundsätzlich Anspannun­- gen abbauen und die Darmmotorik regulieren. Besonders empfehlenswert sind dabei moderate Ausdauersport­arten an der frischen Luft wie Walken, Joggen, zügiges Spazierengehen und Fahrrad fahren. Eine gerade Sitzhaltung beim Essen erleichtert zudem die Magen-Darm-Tätigkeit. /

Negativliste

Diese Lebensmittel führen häufig zu Problemen:

  • Kohlgemüse, Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen
  • Nüsse, Hefe
  • Stein- und Beerenobst
  • Zitrusfrüchte
  • Milchprodukte
  • Fetthaltige Lebensmittel
  • Ballaststoffhaltige Lebensmittel wie Vollkorngetreide und -brote
  • Alkohol, Coffein und Nicotin
  • Sehr kalte und heiße Lebensmittel
  • Scharf gewürzte und stark gesalzene Lebensmittel

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