Chronisch krank auf Reisen |
05.06.2014 13:04 Uhr |
Von Anja Knecht / Der lang ersehnte Sommerurlaub soll eine rundum sorglose Zeit werden, auch für Patienten mit Dauermedikation. Sie müssen auf Reisen nicht nur einen ausreichenden Vorrat an Arzneimitteln mitnehmen, sondern ihre Medikamente auch richtig lagern.
Chronisch kranke Patienten sollten vor Reisebeginn genau planen, welche und wie viele Medikamente sie mitnehmen müssen. Von ihrer Dauermedikation sollten sie etwa doppelt so viel dabei haben, als sie zu Hause verbrauchen. Denn durch unvorhergesehene Ereignisse, beispielsweise ein verpasster Flug, entstehen schnell Schwierigkeiten. Es ist daher auch empfehlenswert, einen Vorrat an dringend benötigten Arzneimitteln im Handgepäck zu verstauen, falls der Koffer erst ein paar Tage später am Reiseziel eintrifft.
Auch an Arzneistoffe zur Behandlung akuter Beschwerden müssen chronisch kranke Urlauber denken (siehe Tabelle). Wichtig sowohl für Reiseapotheke als auch Dauermedikation ist besonders die richtige Lagerung. Denn je nach Arzneiform oder Wirkstoff können Überhitzung, Unterkühlung oder Feuchtigkeit die Wirkung des Arzneimittels beeinflussen. Direkte Sonneneinstrahlung, Hitze, große Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit sollten bei der Aufbewahrung daher vermieden werden – das Badezimmer ist also kein geeigneter Ort. Besonders bei sehr temperaturempfindlichen Formulierungen wie transdermalen Systemen, Proteinen (zum Beispiel Biologicals) oder Insulinen ist dies von großer Bedeutung. Proteine verändern bei sehr hohen Temperaturen ihre Struktur und verlieren so an Wirkung. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sich toxische Abbauprodukte bilden. Arzneistoffe in Pflastern könnten auskristallisieren, sodass zu wenig Wirkstoff freigesetzt wird. In Glasbehältnissen können Temperaturschwankungen außerdem Mikrorisse verursachen und winzige Glasbestandteile herauslösen.
Fragen vorab | Wer verreist? Mit Kindern? Wohin geht es? Was ist geplant? (Städtetrip oder Safari)? Welche Impfungen sind nötig? |
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Sonnen-/Insektenschutz | Präventiv: hoher Lichtschutzfaktor verschiedene Insektenabwehrpräparate je nach Reiseziel Bei Bedarf: After Sun Lotion, antiallergische und/oder Hydrocortison-haltige Salbe bei Insektenstichen und Sonnenbrand |
Schmerzmittel | Je nach Verträglichkeit: Ibuprofen, Paracetamol, ASS ASS nicht in den Tropen, es kann die Blutungsneigung bei Erkrankungen wie dem Dengue-Fieber erhöhen (betrifft nicht niedrig dosiertes ASS) |
Durchfallmittel | Loperamid: Stilllegung des Darms oft kontraproduktiv: Erreger verbleiben so länger im Körper Alternativ Tannin-haltige Präparate |
Mittel bei Verletzungen | Desinfektionsmittel, Pflaster, Mullbinden, Wundauflagen Pinzette und Schere nicht ins Handgepäck! |
Sonstiges | Fieberthermometer Mittel gegen Reisekrankheit Abschwellendes Nasenspray für Flugreisen Dauermediaktion: etwa doppelte Menge |
Dokumente | (Auslands-)Krankenversicherungskarte Impfausweis Gesundheitspass für Allergiker, Diabetiker, Marcumar-Patienten |
Auch eignet sich nicht jede Arzneiform gleichermaßen für den Transport zum Reiseziel. Möchte ein Patient zum Beispiel in die Tropen reisen, sollte er möglichst auf Zäpfchen verzichten.
Bei Fragen zur Lagerung einzelner Präparate gibt die Fachinformation Auskunft. Fehlt die Angabe dort, können PTA und Apotheker auch beim jeweiligen Hersteller nachfragen. Häufig liegen Erfahrungen aus Stabilitätstests bei Temperaturschwankungen vor.
Diabetiker auf Reisen
Flugreisen sind für Diabetiker kein Problem. Einziges Manko: Sie müssen die Reise im Voraus besonders gut planen. So sollte der Patient idealerweise eine ärztliche Bescheinigung mitführen, die den insulinpflichtigen Diabetes mellitus bestätigt, wenn nötig mehrsprachig. Dann kann er sein Insulin und benötigtes Zubehör wie Blutzuckermessgerät, Teststreifen und Stechhilfen problemlos im Handgepäck mit an Bord nehmen. Achtung: Ein internationaler Diabetikerpass ist an den Grenzkontrollen einiger Länder unter Umständen nicht ausreichend. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich die Sicherheitsbestimmungen für Flughäfen und Airlines ändern. Diabetiker sollten sich daher vorab an die Fluggesellschaft wenden und nach den aktuell geltenden Vorschriften fragen.
Der Wirkstoff Insulin ist empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen. Idealerweise sollten während der Lagerung Temperaturen zwischen 2 und 8 ° Celsius eingehalten werden. Angebrochene Patronen kann der Patient auch bei Raumtemperatur aufbewahren. Gefriert das Insulin im Gepäckraum des Flugzeugs, ist dies im Zweifel schädlicher als leichtes Warmwerden. Die Insulinzubereitungen sollten daher besser im Handgepäck transportiert werden. Hierzu gibt es auch spezielle Kühltaschen aus der Apotheke, die mit Kühlelementen die richtige Temperatur gewährleisten. Dabei ist aber ein direkter Kontakt von Insulin mit einem gefrorenen Kühlakku zu vermeiden. Für Reisen mit dem Auto bietet sich zur Lagerung auch eine Kühlbox an, die über den Zigarettenanzünder mit Strom versorgt wird.
PTA und Apotheker sollten Patienten unbedingt davon abraten, Insulin und Teststreifen im Handschuhfach des Autos aufzubewahren, denn gerade dort können diese sehr stark aufheizen. Insulinampullen oder -pens müssen während der Reise außerdem vor direkter Sonneinstrahlung, Hitze und Feuchtigkeit geschützt werden. Bemerkt der Patient Schlierenbildung, sichtbare Ausflockungen oder Farbveränderungen, sollte er die Ampulle nicht mehr verwenden. Diabetiker sollten – wie andere chronisch Kranke auch – auf Reisen die doppelte Menge an Arzneimitteln mitnehmen, die sie üblicherweise benötigen. Gleiches gilt auch für Blutzuckerteststreifen. Aufgrund von Klimawechsel, Stress und veränderten Essgewohnheiten empfiehlt es sich, den Blutzucker engmaschiger als sonst zu kontrollieren.
Betäubungsmittel an der Grenzkontrolle
Auch Patienten, die regelmäßig ein Betäubungsmittel (BtM) einnehmen müssen, können dieses natürlich grundsätzlich mit auf Reisen nehmen. Mit einer von der Landesgesundheitsbehörde beglaubigten ärztlichen Bescheinigung dürfen sie ihren Bedarf für eine Reisedauer von bis zu 30 Tagen mitnehmen. Dies gilt zumindest für Reisen in Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens (EU-Staaten außer Großbritannien, Zypern, Irland). Für die Einreise in andere Staaten gibt es keine einheitlichen Regelungen zum Mitführen von BtM. Manche Länder verlangen zusätzlich Importgenehmigungen, schränken die erlaubte Mitnahmemenge ein oder verbieten die Einfuhr generell. Die Bundesopiumstelle am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät Patienten in diesen Fällen, sich von ihrem verschreibenden Arzt eine mehrsprachige Bescheinigung gemäß den »Richtlinien für Reisende« des INCB (International Narcotics Control Board) ausstellen zu lassen. Diese sollte Angaben zu Einzel- und Tagesdosen, Wirkstoff und Dauer der Reise enthalten. Die Bescheinigung sollte ebenfalls von der obersten Landesgesundheitsbehörde beglaubigt werden. Reisende mit BtM-Medikation sollten sich am besten bei der diplomatischen Vertretung des jeweiligen Ziellandes in Deutschland nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen erkundigen.
Verreist der Patient länger als 30 Tage, so muss er bereits im Heimatland sicherstellen, dass er im Ausland eine Nachverordnung durch einen ortsansässigen Arzt erhalten kann. Aber Achtung: Nicht jedes in Deutschland zugelassene Betäubungsmittel ist auch in anderen Ländern verschreibungsfähig. In diesem Fall kann ein Austausch nötig sein, darüber muss aber der Arzt im Einzelfall entscheiden. /
Formulare und weitere Informationen zum Reisen mit BtM
Kontaktdaten der diplomatischen Vertretungen des Ziellandes in Deutschland
www.incb.org > Guidelines > Travellers
Englischer Leitfaden für Reisende