Keine Wunder zu erwarten |
05.06.2014 13:04 Uhr |
Von Maria Pues / Das Tumorwachstum durch eine bestimmte Ernährung zu verlangsamen oder gar zu heilen, das versprechen etliche obskure Ernährungsformen. PTA-Forum stellt die wichtigsten vor und gibt Tipps für die Ernährung bei Krebs.
Anti-Krebs-Diäten kursieren vor allem im Internet. Dort werden sie zum Beispiel in Patientenforen lebhaft diskutiert. Ihr Ansatz: Entzieht man dem Tumor bestimmte Nährstoffe, könne man ihn »aushungern«, so lautet zumindest die Theorie. Die einzelnen Diäten nennen jeweils unterschiedliche Lebensmittelgruppen, die es zu meiden gelte, damit der Krebs verschwindet. Unseriöse Anti-Krebs-Diäten könne man leicht an zwei Gesichtspunkten erkennen, sagt Dr. Jutta Hübner von der Deutschen Krebsgesellschaft im Gespräch mit PTA-Forum: an der Behauptung, die Diät könne Krebs heilen, und daran, dass große Gruppen von Nahrungsmitteln grundsätzlich vom Speiseplan verbannt werden.
Keine Belege aus Studien
Krebsdiäten haben noch eine dritte Gemeinsamkeit: Es gibt keinerlei Beweise, dass sie funktionieren. Obwohl manche von ihnen bereits rund hundert Jahre alt sind, gibt es keine Studien, die ihre Wirksamkeit belegen. Zu einigen findet man ungesicherte Einzelfallberichte. Bei diesen sind aber häufig mehr Fragen offen als Antworten sicher. So weiß man mangels unabhängiger Überprüfung häufig nicht, ob eine vermeintliche Heilung ihre Ursache nicht schlicht in einer falschen Diagnose hatte. Relativ sicher kann man aber in diesem Punkt sein: Viele Anti-Krebs-Diäten schaden eher dem Patienten als dem Tumor.
Dass sie zu einem Mangel an bestimmten Nährstoffen führen können, sehen Patienten mancher dieser Diäten auf den ersten Blick gar nicht an. Das gilt zum Beispiel für die Öl-Eiweiß-Kost nach Budwig. Sie geht auf die Apothekerin und Chemikerin Dr. Johanna Budwig (1908–2003) zurück. Kernstück ist eine Quark-Leinöl-Speise, die durch ihr günstiges Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren sicherlich gesund ist. Auch gegen frisch gepresste Obst- und Gemüsesäfte ist nichts einzuwenden, versichert Hübner. Unter anderem Fleisch, Fisch, Nudeln und Zucker verbietet die Budwig-Diät jedoch. Aufgrund der Behauptung, Krebs heilen zu können sowie der zahlreichen Verbote sollten Betroffene dieser Kostform mit Vorsicht begegnen, denn sie birgt die Gefahr einer Mangelernährung.
Zu erheblichen Nährstoffmängeln kann es auch bei der »Krebskur-total« kommen. Sie wurde von dem österreichischen Elektromonteur und Heilpraktiker Rudolf Breuß (1899–1990) entwickelt. Breuß postulierte, dass Tumoren zum Überleben feste Nahrung benötigen. Folglich könne man Krebszellen aushungern, wenn man auf feste Nahrung verzichtet. Bei einer Breuß-Diät ernähren sich Patienten daher 42 Tage lang ausschließlich von täglich maximal einem halben Liter Frucht- oder Gemüsesaft sowie von Kräutertees, die sie in kleinen Schlucken trinken. Besonders frisch gepresste Säfte aus roten und gelben Rüben, Möhren, Rettich, Sellerie und Kartoffeln gelten als günstig.
Ebenfalls auf frisch gepresste Gemüsesäfte setzt die sogenannte Gerson-Therapie. Sie wurde von dem deutschen Arzt Max Gerson (1881–1959) in der amerikanischen Emigration ursprünglich für die Tuberkulose-Behandlung entwickelt. Zusätzlich zu den Säften nehmen die Patienten unter anderem Iod in Form Lugolscher Lösung und getrocknete Schilddrüsen-Extrakte zu sich sowie – als Injektion – Kalbsleberextrakte. Kaffee und Tee zu trinken ist verboten, empfohlen werden aber Einläufe mit Kaffee und Rizinusöl. Viele weitere Lebensmittel sind ebenfalls tabu, darunter Avocados, Ananas, Nüsse und Beeren, aber auch Dinge wie Fluoridzahncremes, Dampfdruckkochtöpfe und – paradoxerweise – auch Saftpressen und Mixer.
Derzeit nicht mehr in Mode sei Makrobiotik, sagt Hübner. Die vor allem durch den Japaner Georges Ohsawa (1893–1966) weiterentwickelte Anschauung teilt Lebensmittel in Yin (ausdehnend) und Yang (zusammenziehend beziehungweise ausgeglichen) ein. Zu viel Yin führt danach zu Konzentrationsmangel und Gedächtnisschwäche, zu viel Yang zu inneren Verspannungen. Fleisch, Milch und Milchprodukte gelten als schädlich, ebenso Zucker und Nachtschattengewächse wie Kartoffeln, Tomaten und Paprika. Rohkost sollte nur in geringen Mengen verzehrt werden. Kaffee, Tee und Alkohol stehen ebenso wenig auf dem Speiseplan wie Konserven und Tiefkühlkost. Hauptnahrungsmittel ist Vollkorngetreide, das aber aufgrund seiner blähenden Eigenschaften gerade von Krebspatienten häufig schlecht vertragen wird.
Lebhaft diskutiert werden derzeit ketogene Diätformen, vor allem die Krebsdiät nach Dr. Johannes Coy (geb. 1963). Eine ketogene Ernährung – ein Vertreter ist auch die Atkins-Diät – verzichtet weitestgehend auf Kohlenhydrate. Coy geht davon aus, dass bei Tumorpatienten das TKTL-1-Gen den Energiestoffwechsel der Tumorzelle verändert und dass die nach ihm benannte Diät das Tumorwachstum verlangsamen könne. Eine klinische Studie, die diese Effekte belege, gebe es nicht, erläutert Hübner. Zwar gibt es Experimente an Zellkulturen, in denen Tumorzellen bei Kohlenhydratmangel zunächst langsamer wuchsen, berichtet sie weiter. Die Laborversuche lassen sich aber nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen, da dieser bei der Glykolyse zunächst auf Glykogenspeicher und später auf körpereigene Eiweiße zur Gluconeogenese zurückgreift, um seinen Energiehaushalt aufrecht zu erhalten. So kohlenhydratarm wie Zellen in einer Petrischale wird die Nährstoffversorgung eines Menschen also kaum, ohne dass es zu schwerwiegenden Mängeln kommt. Außerdem hätten länger dauernde Zellkultur-Experimente gezeigt, dass Tumorzellen, die den Zuckerentzug überleben, Ausweichmechanismen entwickeln und später sogar schneller wachsen. Sogar die Entwicklung von Tumorstammzellen habe man in den kohlenhydratarmen Milieus beobachten können, berichtet Hübner.
Fazit
Keine Diät kann Krebs heilen, fasst die Expertin zusammen. Krebspatienten haben zudem häufig mit einer ungewollten Gewichtsabnahme zu kämpfen. Durch die Erkrankung und ihre Therapie sind außerdem die Schleimhäute vieler Patienten in Mitleidenschaft gezogen und reagieren empfindlich auf Reizungen. Häufig leiden Patienten unter mangelndem Appetit und einem veränderten Geschmacksempfinden. Selbst ehemalige Lieblingsspeisen wirken dann wenig verlockend. Ihren Nährstoffbedarf zu decken, fällt Betroffenen häufig schwer.
PTA und Apotheker sollten Patienten dazu ermutigen, in Sachen Ernährung ruhig auf die innere Stimme zu hören und den zuweilen wechselnden Geschmacksvorlieben zu folgen (weitere Tipps siehe Kasten). Der Speiseplan sollte abwechslungsreich gestaltet werden, und wer abgenommen hat, darf ruhig zur gehaltvolleren Vollfett- oder Sahnevariante greifen – aber nicht zu Lasten anderer Nährstoffe, sondern als Ergänzung, betont Hübner. Eine abwechslungsreiche Ernährung deckt zudem nicht nur den Nährstoffbedarf, sondern trägt auch wesentlich zur Lebensqualität bei. /
Das wirkt sich in der Regel günstig aus
Das wirkt sich oft ungünstig aus
Quelle: Blaue Ratgeber der Deutschen Krebshilfe