Schweiß lass nach |
05.06.2014 13:04 Uhr |
Von Claudia Steinert / Schwitzen ist lebensnotwendig. Produzieren die Schweißdrüsen jedoch ständig zu viel Schweiß, leiden die Betroffenen. Ihnen helfen Deodorants mit Aluminiumverbindungen, die die Schweißdrüsen verstopfen und dadurch Schwitzen verhindern. Forscher streiten jedoch schon länger darüber, ob das Leichtmetall gesundheitsschädliche Auswirkungen hat.
Schweiß ist sozusagen die Klimaanlage des Körpers. Beim Sport oder beim Sonnenbad, also immer, wenn unsere Körpertemperatur über den Normalwert ansteigt, geht es los. Nervenzellen in der Haut bemerken die Temperaturveränderungen und leiten die Information ans Gehirn weiter. Dort übernimmt der Hypothalamus die Kontrolle und entscheidet, ob die Temperatur entweder durch Zittern und Gefäßverengung angehoben oder durch Schwitzen und Gefäßerweiterung gesenkt werden muss.
Emotional bedingt
Es gibt jedoch auch Situationen, die uns ins Schwitzen bringen, obwohl die Körpertemperatur das nicht verlangt. Fast jeder hat schon einmal seine vor Aufregung kalten und schweißnassen Hände an der Hose abgestreift, bevor er dem Chef beim Vorstellungsgespräch die Hand schüttelte. Welcher Bereich des Gehirns das emotionale Schwitzen reguliert, ist noch nicht genau bekannt. Vermutlich spielen aber sowohl das emotionsverarbeitende limbische System sowie die Großhirnrinde eine Rolle.
Schwitzen ist eine große Errungenschaft. Außer den Menschen können nur sehr wenige andere Tiere, zum Beispiel Affen oder Pferde, auf diese Weise ihre Körpertemperatur regulieren. Wenn wir nicht schwitzen könnten, müssten wir hecheln wie ein Hund. Attraktiver als Schweißflecken auf dem T-Shirt wäre das sicher auch nicht.
Zu viel des Guten
Obwohl wir uns also eigentlich über unsere Schweißdrüsen freuen sollten, ist das System bei manchen Menschen außer Kontrolle geraten. Ärzte schätzen, dass zwischen 1 und 3 Prozent der Bevölkerung viel mehr Schweiß produzieren, als eigentlich zur Regulation der Körpertemperatur notwendig ist. Hyperhidrose heißt das Fachwort für diese »Zuvielschwitzerei«. Meistens entsteht die Krankheit während der Pubertät und tritt lokal auf, hauptsächlich unter den Achseln sowie auf den Handflächen und Fußsohlen. Genau dort also, wo auch das emotionale Schwitzen stattfindet.
Interessanterweise sind die Schweißdrüsen der Patienten unverändert. Nichts deutet darauf hin, dass sie viel mehr Schweiß als nötig produzieren. Der Grund für die fokale Hyperhidrose ist unbekannt. Vermutlich gibt es einen genetischen Auslöser, denn oft finden sich in einer Familie gleich mehrere betroffene Personen.
In selteneren Fällen haben Patienten mit starkem Schweiß am gesamten Körper zu kämpfen. Dieser sekundären Hyperhidrose geht oft eine andere Erkrankung voraus. Infrage kommt so ziemlich alles von Infektionen über Diabetes, Menopause oder Schilddrüsenüberfunktion. Auch neurologische Störungen oder Alkoholentzug können eine Rolle spielen. Ist das übermäßige Schwitzen das Symptom einer anderen Krankheit, sollte ein Arzt die Ursache identifizieren und bei der Behandlung dort ansetzen.
Natürlich können sich die beiden Arten des Schwitzens gegenseitig beeinflussen. Wer an einem warmen Sommertag stark schwitzt, dem ist das in der Öffentlichkeit unangenehm, und vor lauter Aufregung schwitzt er noch mehr. Unter der vermehrten Schweißproduktion leiden die Betroffenen auch psychisch. Wissenschaftler der Universität Trier fanden heraus, dass Personen, die an Hyperhidrose leiden, sich gesellschaftlich weniger anerkannt fühlten und häufiger Anzeichen von Depressionen zeigten als eine gesunde Kontrollgruppe. »Auslöser dafür könnten Schamgefühle und mangelndes Selbstbewusstsein sein«, schreiben die Forscher.
Cremen, Spritzen oder Operieren
Inzwischen gibt es viele verschiedene Behandlungsmöglichkeiten um das Leiden zu lindern. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2009 geben Wissenschaftler der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz Empfehlungen, in welcher Reihenfolge die einzelnen Optionen durchgespielt werden sollten.
Die nichtinvasiven Methoden stehen dabei an erster Stelle. Dazu gehören neben aluminiumhaltigen Antitranspiranzien auch die Leitungswasser-Iontophorese, mit der durch schwachen Gleich- oder Wechselstrom besonders die Hyperhidrose an Händen und Füßen behandelt wird, sowie die Injektion von Botulinumtoxin A, besser bekannt als Botox.
Die Iontophorese ist mit mehreren Sitzungen pro Woche relativ zeitaufwändig, und die Botox-Therapie geht ins Geld. Deshalb sind aluminiumhaltige Antitranspiranzien das verbreitetste Mittel, um den Schweiß im Zaum zu halten. Sie enthalten meistens Aluminiumchlorhydrate oder andere Aluminiumverbindungen, die in die Schweißdrüsen eindringen, sich dort mit dem körpereigenen Keratin verbinden und die Drüsen verstopfen. Während viele handelsübliche Deodorants nur etwa 1 bis 7 Prozent Aluminiumsalze enthalten, brauchen Patienten, die an Hyperhidrose leiden, Konzentrationen zwischen 15 und 25 Prozent. Solche Mittel sind verschreibungsfrei und relativ kostengünstig in Apotheken erhältlich.
In einer klinischen Studie aus dem Jahr 2009 testeten Hamburger Wissenschaftler an einer kleinen Gruppe von 20 Patienten, wie wirksam diese Antitranspiranzien wirklich sind. Nach sechs Wochen schwitzten die Patienten durchschnittlich 75 Prozent weniger als vor der Behandlung und 65 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie mit dem Effekt sehr zufrieden seien. »Die topische Applikation von Aluminiumchlorid ist eine effiziente und verträgliche Therapie der Hyperhidrosis axillaris«, schlussfolgerten die Autoren. Trotzdem mehr sich die Kritik an diesen Mitteln.
Sind Aluminumsalze sicher?
Seit Jahren schon werden aluminiumhaltige Antitranspiranzien verdächtigt, Auslöser von Brustkrebs oder Demenz zu sein. Die britische Wissenschaftlerin Philippa Darbre von der Universität Reding ist überzeugt davon, dass das häufige Auftreten von Brustkrebs in dem Bereich der Brust, der der Achselhöhle am nächsten ist, mit der Verwendung von aluminiumhaltigen Deodorants im Zusammenhang steht. »Aluminium scheint die nötigen Eigenschaften zu haben um Entwicklung und Wachstum von Brustkrebs zu beschleunigen«, schreibt Darbre in einem Übersichtsartikel zum Thema.
Andere Forscher erklären den Zusammenhang ganz einfach damit, dass sich im äußeren Bereich der Brust mehr Gewebe befindet. Die Datenlage ist verwirrend, die Ergebnisse sind widersprüchlich. Es gibt Wissenschaftler, die einen Zusammenhang zwischen der Verwendung von aluminiumhaltigen Deodorants und dem Auftreten von Brustkrebs gefunden haben, und es gibt andere Gruppen, die gegenteilige Ergebnisse präsentieren. Mal wird in Krebszellen eine erhöhte Aluminiumkonzentration gemessen, mal unterscheidet sie sich nicht von der in gesunden Zellen. Auch ist bisher nicht geklärt, ob Aluminium überhaupt ein Auslöser für Brustkrebs ist oder sich vielleicht nur als Begleiterscheinung im entarteten Gewebe ansammelt.
Trotzdem oder gerade weil über die Wirkung wenig bekannt ist, gibt es eine diffuse Angst gegenüber aluminiumhaltigen Deos. Frauenzeitschriften füllen ihre Internetseiten mit Hinweisen auf aluminiumfreie Roller oder Sprays, und die Gerüchteküche in Internetforen brodelt. Die dünne Datenlage lässt reichlich Raum für Spekulationen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das zu dem Thema lange geschwiegen hat, kommt in seiner Stellungnahme im Februar 2014 zu dem Schluss, dass »ein kausaler Zusammenhang zwischen der erhöhten Aluminiumaufnahme durch Antitranspirantien und der Alzheimer-Krankheit beziehungsweise Brustkrebs (…) trotz einer Reihe entsprechender Studien aufgrund der inkonsistenten Datenlage wissenschaftlich bisher nicht belegt werden« kann.
Bisher fehlen vor allem Studien zur Penetrationsrate. Niemand weiß, wie viele Aluminiumionen nicht in den Schweißdrüsen stecken bleiben, sondern in den Körper gelangen. Belastbare Daten gibt es dazu bisher nicht, und auch über die Langzeitfolgen einer solchen Aufnahme über die Haut ist nichts bekannt.
Keine Beweise
Die Deutsche Krebsgesellschaft hat sich zuletzt im Jahr 2009 mit dem Thema beschäftigt. Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) fand »keine stichhaltigen Beweise für eine Brustkrebs verursachende Wirkung von Deodorants«. Andere Faktoren wie gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung seien viel wirksamere Mittel, um Brustkrebs vorzubeugen, als auf aluminiumhaltige Deodorants zu verzichten. Doch die Experten verweisen ebenfalls auf die ungenügende Datenlage und betonen, dass weitere Forschung notwendig sei.
Dabei begegnet Aluminium uns bei weitem nicht nur in Deodorants, sondern auch in anderen Kosmetika wie Lippenstiften und Sonnencremes. Auch in Nahrungsmitteln und Leitungswasser ist das Leichtmetall reichlich vorhanden. Das BfR weißt deshalb darauf hin, dass die Aluminiumaufnahme gesenkt werden kann, indem die Antitranspiranzien nicht direkt nach der Rasur oder auf verletzte Haut aufgebracht werden.
Alternativen zu Aluminium
Für Patienten, die an Hyperhidrose leiden, ist ein kompletter Verzicht auf aluminiumhaltige Sprays oder Sticks undenkbar. Wer jedoch dem Aluminium nicht mehr über den Weg traut, könnte operative Maßnahmen in Betracht ziehen. Bei der thorakalen Sympathektomie werden auf Höhe des Brustkorbs Nervenknoten entfernt, damit das Signal zum Schwitzen nicht mehr vom Gehirn an Hände oder Achseln weitergeleitet werden kann. Selten kommt es dazu, dass die Patienten das Schwitzen kompensieren und an anderen Körperstellen als zuvor mehr Schweiß ausscheiden. Eine andere Möglichkeit zur Behandlung der Hyperhidrose unter den Achseln besteht im Entfernen der Schweißdrüsen, doch dieser Eingriff ist meist mit größeren Komplikationen verbunden und sollte erst als allerletzte Option in Betracht gezogen werden. /