Ein Blick über die Grenze |
28.06.2013 11:51 Uhr |
Von Michael van den Heuvel / In Deutschland klagen Apotheken‑ inhaber über steigende Kosten und sinkende Erträge. Schließungen stehen an der Tagesordnung. Wie ist die Situation im südlichen Nachbarland? PTA-Forum sprach dazu mit Mag. pharm. Ulrike Mayer, Präsidentin des Verbands angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ).
PTA-Forum: Frau Magister Mayer, wie sieht die typische Apotheke in Österreich aus?
Mayer: Bei uns gibt es zwei verschiedene Formen. Dazu gehört die öffentliche Apotheke, wie sie PTA und Apotheker aus Deutschland kennen. Deren Sortimentsschwerpunkte sind ähnlich: Sie reichen von Rx- und OTC-Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln über Kindernahrung bis hin zu Körperpflege- und Medizinprodukten. Bei uns ist die Niederlassungsfreiheit eingeschränkt. Der gesetzlich vorgesehene Mindestabstand beträgt 500 Meter, um den Inhabern eine existenzsichernde Grundlage zu bieten. Daneben sieht das Apothekengesetz für entlegene Regionen ärztliche Hausapotheken vor, falls öffentliche Apotheken mehr als sechs Straßenkilometer entfernt sind. Die Leitung hat ein Arzt für Allgemeinmedizin. Rezepturen werden hier nicht angefertigt, und das Sortiment ist wesentlich geringer als üblich. Aus statistischen Erhebungen wissen wir, dass circa 10 Prozent aller Kassenrezepte in einer der rund 950 ärztlichen Hausapotheken eingelöst werden.
PTA-Forum: Welche Vor- und Nachteile hat das hausärztliche Dispensierrecht?
Mayer: Natürlich steht für uns an erster Stelle, Menschen in entlegenen Gebieten mit Arzneimitteln zu versorgen. Insofern hat das Konzept seine Berechtigung. Ärzte argumentieren, Patienten würden sich vielfach wünschen, Medikamente direkt nach der Sprechstunde zu bekommen. Allerdings fehlen dann das Vieraugenprinzip zur Kontrolle von Verschreibungen und die pharmazeutische Beratung. Ein Arzt darf nur Patienten in der Sprechstunde versorgen und keine Laufkundschaft.
PTA-Forum: Gibt es neben den ärztlichen Hausapotheken starke Konkurrenz von Versandapotheken?
Mayer: In Österreich gelten vergleichsweise strenge Regelungen: Zwar dürfen bei uns ausländische Apotheken OTC-Arzneimittel an Patienten schicken. Diese Lieferungen kommen vor allem aus Deutschland und Tschechien. Unseren Apotheken ist dies momentan noch untersagt. Ein Gesetz zum Fernverkehr wurde Ende 2012 zwar verabschiedet, aber die Ausführungsverordnungen fehlen noch. Der wahrscheinlich größte Unterschied: Verschreibungspflichtige Medikamente sind für den Versandhandel tabu. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen sind Versandapotheken derzeit keine große Konkurrenz für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen.
PTA-Forum: Ein Blick auf die Zahlen: Geht es österreichischen Apotheken angesichts dieser Rahmenbedingungen wirtschaftlich besser?
Mayer: Derzeit gibt es bei uns laut offizieller Statistik rund 1300 öffentliche Apotheken und 26 Filialen, wobei eine Filialapotheke in Österreich keine vollwertige Apotheke sein muss und auch eingeschränkte Öffnungszeiten haben kann. Pro Jahr kommen 10 bis 15 Hauptapotheken hinzu. Insgesamt haben in den letzten zehn Jahren 162 öffentliche Apotheken neu eröffnet. Die Umsatzentwicklung ist ebenfalls positiv, entsprechende Werte sind von 2,297 Millionen Euro (2008) auf 2,544 Millionen Euro (2012) durchschnittlich pro Apotheke angestiegen. Das ist jedoch nur ein statistischer Mittelwert. Von einem Apothekensterben wie in Deutschland kann folglich nicht die Rede sein. Auch in Österreich gibt es Rabatte für Krankenkassen, das nennen wir Apothekenspannen für begünstigte Bezieher. Verhandlungen zwischen Krankenversicherungen und pharmazeutischen Herstellern sind uns fremd. Unsere Ärzte werden in ihrer Therapiefreiheit nicht eingeschränkt und müssen auch kein »Aut-idem«-Kreuz setzen.
Im Handverkauf können wir Patienten Rabatte auf OTC-Arzneimittel geben, bei Rx-Präparaten sind die Preise festgelegt. Bei uns zahlen Krankenkassen Notdienstgebühren, falls Kunden sonntags oder nachts eine dienstbereite Apotheke mit ihrem Rezept aufsuchen und der Arzt einen Dringlichkeitsvermerk angebracht hat. Der Betrag liegt tagsüber bei 1,30 Euro und nachts bei 3,80 Euro.
PTA-Forum: Eine Besonderheit aus Sicht der Apothekenangestellten ist die Gehaltskasse …
Mayer: Ja, das stimmt. Dazu ein kurzer Blick in unsere Geschichte: Bereits 1908 wünschten sich Apotheker Möglichkeiten, Mitarbeiter mit zunehmendem Alter mehr zu entlohnen, ohne diese dadurch als teurere Arbeitnehmer zu diskriminieren. Diesem Leitmotiv sind wir bis heute treu geblieben: Angestellte Apotheker werden nach einem Gehaltsschema besoldet, das 18 Stufen umfasst und nach jeweils zwei Kalenderjahren ein automatisches Vorrücken in die nächsthöhere Gehaltsstufe vorsieht. Der Inhaber meldet angestellte Apotheker und Aspiranten, also Pharmazeuten im Praktikum, an und bezahlt dafür an die Gehaltskasse einheitliche Beiträge, unabhängig von der Gehaltsstufe. Die Gehaltskasse errechnet und verteilt dann die Löhne. Zusätzlich gibt es durch einen Kollektivvertrag geregelte Entlohnungsbestandteile, die angestellte Apotheker direkt von ihrem Arbeitgeber erhalten.
PTA-Forum: Bislang sprachen wir vor allem über Apotheker. Welche Möglichkeiten haben PTA-Kolleginnen und -Kollegen aus Deutschland, die bei Ihnen arbeiten möchten?
Mayer: In öffentlichen Apotheken sind neben Apothekern ausschließlich PKA tätig. PTA können nur als PKA arbeiten. Entsprechende Tätigkeitsschwerpunkte sind mit Deutschland vergleichbar. Eine gute Nachricht: In Österreich zählt die Lehre als pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin zu den sieben beliebtesten Ausbildungsberufen. /
In Österreich regelt das Bundesministerium für Gesundheit die Preisbildung bei Arzneimitteln. Berechnungen basieren auf Fabrik- oder Depotabgabepreisen des pharmazeutischen Herstellers, die das jeweilige Unternehmen frei festsetzen kann. Ein Verfahren, das Vergleiche mit anderen Therapien vorsieht, um den pharmazeutischen Mehrwert zu ermitteln, existiert nicht. Allerdings gelten für patentgeschützte Medikamente, die im sogenannten Erstattungskodex (EKO) stehen, europäische Durchschnittswerte. Sollten Generika verfügbar sein, müssen Hersteller die Preise der Originalpräparate nach einem halben Jahr senken. Wirkstoffgleiche Präparate im EKO müssen mindestens 48 Prozent günstiger sein als das Originalpräparat.
Auf den Fabrik- beziehungsweise Depotabgabepreis kommt ein Großhandelsaufschlag von 7 bis 15,5 Prozent für erstattungsfähige Präparate und 17,5 Prozent für nicht erstattungsfähige Präparate mit hinzu. Die Apotheke setzt als Aufschlag zwischen 3,9 und 37 Prozent für erstattungsfähige beziehungsweise zwischen 12,5 und 55 Prozent für nicht erstattungsfähige Medikamente fest. Der Fiskus fordert noch 10 Prozent Umsatzsteuer ein. Patienten zahlen derzeit 5,30 Euro Rezeptgebühr. Apotheken leiten diese Gebühr direkt an die Krankenkassen weiter.