Angiopathien – Folgeschäden früh erkennen |
Isabel Weinert |
11.05.2015 13:36 Uhr |
Unter hohen Blutzuckerwerten leiden kleinste Blutgefäße (Mikroangiopathie), zum Beispiel in Augen (Retino- und Makulopathie), Nieren (Nephropathie), Nerven (periphere und autonome Polyneuropathie), aber auch alle großen Arterien, etwa in Gehirn, Herz und Beinen (Makroangiopathie). Die Nervenfunktion wird zudem chronisch durch erhöhten Blutzucker gestört.
Das Tückische: Folgeschäden entwickeln sich langsam und über lange Zeit ohne Symptome. Das macht es so besonders wichtig, die Augen, Nieren und Nerven sowie bei Symptomen oder Vorerkrankungen das Herz-Kreislauf-System regelmäßig gründlich untersuchen zu lassen. Stellt der Arzt Folgeschäden fest, beraumt er die Kontrolltermine zeitlich in engerem Abstand an. Für Diabetiker stehen mindestens einmal im Jahr Untersuchungen beim Augenarzt sowie beim Diabetologen (Nieren- und Nervenfunktion) an. Der Langzeitblutzuckerwert HbA1c wird alle drei Monate beim Hausarzt/Diabetologen kontrolliert, ebenso der Blutdruck. Eine Bestimmung der Blutfettwerte erfolgt ein- bis zweimal im Jahr.
Um Schäden an Netzhaut (Retina) und/oder dem Ort des schärfsten Sehens (Makula) frühzeitig zu erkennen, begutachtet der Augenarzt einmal jährlich die Netzhaut mit Lupe und Spaltlampe. Damit er den Augenhintergrund vollständig sehen kann, stellt er die Pupillen oft mithilfe spezieller Augentropfen weit. Zusätzlich bieten einige Augenärzte für Selbstzahler eine sogenannte optische Kohärenztomografie an. Dabei wird die Netzhaut im Untersuchungsbereich mittels Laser abgetastet, was ein scharfes Foto liefert, auf dem sich besonders gut der zentrale Bereich der Netzhaut mit Makula und Sehnerv beurteilen lässt.
Vor dem Termin beim Augenarzt sollten Diabetiker abklären, ob die Pupillen weitgetropft werden. Wenn ja, ist Autofahren auch noch einige Stunden nach der Untersuchung tabu. Achtung: Beeinträchtigungen des Sehens machen einen sofortigen Besuch beim Augenarzt erforderlich.
Diabetische Nephropathie
Als ersten Marker für eine Funktionseinbuße der Nieren findet man den kleinsten Eiweißstoff des menschlichen Organismus im Urin, das Albumin. Fachleute sprechen von einer Albuminurie. Sie kann in verschiedenen Schweregraden vorliegen. Zum Albumintest gehören für ein zuverlässiges Ergebnis immer auch der sogenannte Kreatininwert und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Aus den beiden zuerst genannten ergibt sich der Albumin/Kreatinin-Quotient. Eine diabetische Nephropathie liegt mit großer Wahrscheinlichkeit vor, wenn eine anhaltende Albuminurie besteht. Das heißt, wenn der Albumin/Kreatinin-Quotient bei Männern mehr als 20 mg/g beträgt und bei Frauen mehr als 30 mg/g, jeweils in zwei Proben in einem Abstand von zwei bis vier Wochen gemessen. Die Untersuchung steht einmal jährlich an. Bei Verdacht auf eine Nephropathie folgen weitere Untersuchungen.
Apothekenteams können alle Medikamente, die ein an Nephropathie erkrankter Diabetiker bekommt, daraufhin prüfen, ob sie bei einer geschädigten Niere zum Einsatz kommen dürfen. Sport, Infekte oder akut hohe Blutzuckerwerte können die Albuminausscheidung unabhängig vom Diabetes kurzfristig steigern. Die Untersuchung sollte in diesen Fällen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Diabetiker mit einer Nephropathie dürfen nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt einnehmen. Bei Harnwegsinfekten sollten Antibiotika eingesetzt werden, wenn eine Nephropathie vorliegt.
Durch Diabetes können auch Nerven in vielfältiger Weise geschädigt werden. So beeinträchtigt der hohe Blutzuckerspiegel einerseits die Durchblutung, andererseits kann er den Nerven direkt schaden. Das Fachwort dafür heißt Neuropathie. Meist spricht man von einer Polyneuropathie, weil in der Regel viele Nerven betroffen sind. Je nachdem, in welchem Teil des Nervensystems Symptome auftreten, unterscheiden Mediziner eine periphere diabetische Neuropathie (PNP) von einer autonomen diabetischen Neuropathie (ANP).
Empfinden und Bewegung
Die periphere diabetische Polyneuropathie betrifft die Empfindungs- und Bewegungsnerven. Das zeigt sich vor allem an Füßen, Unterschenkeln und selten auch an den Händen. Als typische Symptome einer peripheren diabetischen Neuropathie nennt die »Patienten-Leitlinie zur Nationalen Versorgungs-Leitlinie Neuropathie bei Diabetes im Erwachsenenalter«:
Bei der Untersuchung auf eine Neuropathie prüft der Diabetologe, ob die Füße Berührung und Druck wahrnehmen, Wärme und Kälte unterscheiden können, wie lange sie der Vibration einer Stimmgabel nachspüren und ob Achillessehnen- und Kniesehnenreflex reagieren. Diese Untersuchungen zeigen grob an, ob eine PNP vorliegen könnte. Ist dem Arzt keine sichere Diagnose möglich, verweist er an einen Neurologen, der weiterführende Möglichkeiten hat, eine Neuropathie festzustellen.
Eine PNP im Anfangsstadium kann sich noch zurückbilden, wenn der Blutzucker optimal eingestellt ist. Daten dazu gibt es jedoch vorwiegend nur für Typ-1-Diabetiker. Bei Typ-2-Diabetikern können verbesserte Blutzuckerwerte dazu beitragen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Medikamente gegen Schmerzen
Bei leichteren durch die PNP verursachten Schmerzen kommen laut Leitlinien der DDG die Wirkstoffe Paracetamol und Metamizol zum Einsatz. Ein klarer Wirknachweis steht für diese Substanzen jedoch noch aus. Für andere, in der Apotheke ohne Rezept erhältliche Schmerzmittel liegt derzeit keine Empfehlung der Experten vor. Opioide hingegen dürfen bei starken Schmerzen verordnet werden. Daneben helfen Antidepressiva und Antiepileptika, weil sie Stimmung und Schmerzwahrnehmung beeinflussen.
Tipps für die Patienten
Bei der autonomen Neuropathie trifft es die Nerven, die die inneren Organe versorgen. Die Folge: An jedem Organsystem können Probleme auftreten. Außer am Herzen zeigen sich häufig auch an Magen und Darm sowie an den ableitenden Harnwegen und den Geschlechtsorganen Symptome. Aber auch die Atmungsorgane, Schweißdrüsen, Hormonsystem und Blutgefäße können beeinträchtigt sein. Deshalb denkt ein Arzt immer auch an eine autonome diabetische Neuropathie, wenn ein Diabetiker mit Beschwerden in die Praxis kommt, deren Ursachen sich sonst nicht erklären lassen. Neben einer guten Blutzucker-Einstellung kommt bei Problemen eine Therapie infrage, die sich an den Symptomen orientiert. /