Ernährung bei Dialyse |
11.05.2015 13:36 Uhr |
Von Andrea Pütz / Eine individuell angepasste Ernährung spielt bei Dialyse-Patienten eine wichtige Rolle. Optimal versorgt beugen sie damit einer Mangelernährung und Folgeerkrankungen vor – und können die Verträglichkeit der Dialyse verbessern. Neben der reduzierten Zufuhr an Flüssigkeit, Kochsalz, Kalium und Phosphor ist vor allem eine ausreichend hohe Kalorien- und Eiweißzufuhr wichtig.
Eine einheitliche und allgemeingültige Dialyse-Diät gibt es nicht. Das Dialyse-Team erarbeitet einen optimalen Speiseplan individuell für jeden Patienten. Dieser Plan wird zudem immer wieder an den veränderten Gesundheitszustand angepasst. Die Blutwerte sowie die Nierenrestfunktion sind dabei ausschlaggebend für die nötige Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr. Die Dialyse muss die Arbeit der Nieren übernehmen und giftige Substanzen aus dem Blut herausfiltern. Bestimmte Stoffwechselendprodukte und Salze lassen sich jedoch nur schwer filtern. Der Patient erleichtert die Dialyse, wenn er weniger kritische Nahrungsbestanteile aufnimmt. Die Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse) erlaubt dem Patienten durch die tägliche Entgiftung etwas mehr Flexibilität im Ernährungsplan als die Hämodialyse (Blutwäsche).
Bei der Hämodialyse wird das Prinzip des Konzentrationsausgleichs kleinmolekularer Substanzen von zwei Flüssigkeiten, hier Blut und Dialyselösung, genutzt. Diese sind durch eine semipermeable Membran getrennt. Die Poren dieser Filtermembran lassen kleine Moleküle wie Wasser, Elektrolyte und harnpflichtige Substanzen durchtreten – sie werden so aus dem Blut herausgefiltert. Große Moleküle wie Eiweiße und Blutzellen werden hingegen im Blut zurückgehalten.
Vor der Dialyse
Leidet der Patient an einer Niereninsuffizienz, ist aber noch nicht dialysepflichtig, sollte er besonders darauf achten, einen übermäßigen Anstieg harnpflichtiger Stoffe im Blut zu vermeiden. Da der im Eiweiß enthaltene Stickstoff in Harnstoff umgewandelt wird, sollte der Patient dabei vor allem die Eiweißzufuhr im Auge behalten. Die European Dialysis & Transplant Nurses Association (EDTNA) und die European Renal Care Association (ERCA) empfehlen: Patienten im Prädialysestadium sollten bei einer täglichen Kalorienzufuhr von 35 kcal/kg Körpergewicht eine tägliche Eiweißzufuhr von 0,6 bis 1,0 g/kg nicht überschreiten. Dies entspricht in etwa der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für gesunde Menschen (0,8 g/kg Körpergewicht).
Häufig liegt die Aufnahme der deutschen Bevölkerung aber weit über dieser Empfehlung – wahrscheinlich bedingt durch einen hohen Fleischkonsum. Wer dialysiert wird, sollte besser pflanzlichem Eiweiß den Vorzug geben, denn dieses liefert einen geringeren Anteil an schwefelhaltigen Aminosäuren. Das verbessert die Übersäuerung, die bei einer eingeschränkten Nierenfunktion auftritt. Wer dann noch clever kombiniert und damit die biologische Wertigkeit der Eiweißzufuhr steigert, der entlastet seine Niere weiter.
Je höher der Gehalt an essenziellen Aminosäuren, desto hochwertiger sind die aufgenommenen Proteine. Ein Paradebeispiel ist das Gericht Kartoffeln mit Ei und Spinat. Die Kombination von Kartoffeln und Ei (im Verhältnis 3:2) ergibt eine biologische Wertigkeit von 137. Als Referenzwert gilt das Vollei mit einem Wert von 100. Streng eiweißreduzierte Diätempfehlungen für Nierenkranke wie die Schwedendiät nach Bergström (nicht protein-selektiv) oder die Kartoffel-Ei-Diät nach Kluthe und Quirin (proteinselektive Diät) werden meist aus geschmacklichen Gründen nicht toleriert. Sie mangeln zudem an lebenswichtigen Aminosäuren, die dann substituiert werden müssen. Auch das Problem der Mangelernährung nimmt unter diesen Kostformen zu.
Eiweiß in Balance
Hält der Patient den Nährstoff Eiweiß im gesunden Mittelmaß, reduziert er meist auch automatisch seine Phosphatzufuhr. Bei einer Niereninsuffizienz steigen die Phosphatwerte im Blut, was langfristig die Knochen und Gefäße angreift und zu einer Überfunktion der Nebenschilddrüse führen kann. Schmelzkäse mit den enthaltenen Schmelzsalzen sowie Kondensmilch und Wurstwaren mit Phosphatzusatz belasten die Nieren stark und sollten möglichst nicht auf dem Speiseplan stehen.
Nierenkranke Patienten, die nicht dialysepflichtig sind, müssen ihre Trinkmenge nicht einschränken. Eine Flüssigkeitsaufnahme von 2 bis 3 Litern am Tag fördert vielmehr die Ausscheidung der harnpflichtigen Substanzen. Ist die Diurese bereits eingeschränkt, wird die individuelle Trinkmenge über folgende Formel berechnet: Restausscheidung (= Urinmenge in 24 Stunden) + 500 ml. Wer zu hohem Blutdruck und Ödembildung neigt, sollte möglichst seine tägliche Kochsalzzufuhr reduzieren (siehe Kasten).
Stark gesalzene Lebensmittel sollten Nierenkranke besser meiden, z.B.:
Wenig trinken bei Dialyse
Dialysepflichtige Patienten müssen dagegen ihre Flüssigkeitszufuhr deutlich reduzieren, um einer Überwässerung des Körpers und damit Lungenödemen vorzubeugen. Muss dem Körper bei der Dialyse viel Wasser entzogen werden, drohen Blutdruckabfall und Muskelkrämpfe. So ist die Behandlung für denjenigen schonender und besser verträglich, der sich diszipliniert an die Trinkvorgaben hält. Die tägliche Trinkmenge wird individuell festgelegt – wie in der Formel oben. Hat ein Patient überhaupt keine Ausscheidung mehr, sollte die tägliche Flüssigkeitsaufnahme einen halben Liter nicht überschreiten. Die praktische Kontrolle erfolgt über tägliches Wiegen: Die Gewichtszunahme sollte 0,5 bis 1 kg nicht übersteigen. Ein Trinkprotokoll kann helfen, falls der Betroffene zu Beginn Probleme hat, die Trinkmenge einzuhalten. Die Restausscheidung sollte etwa alle zwei bis drei Monate vom Patienten kontrolliert und die Trinkmenge angepasst werden.
Kleine Tipps helfen, keine starken Durstgefühle aufkommen zu lassen und Flüssigkeit einzusparen: Medikamente, die laut Gebrauchsinformation zu den Mahlzeiten eingenommen werden sollen, können auch mit dem Essen herunter geschluckt werden. Süß und salzig macht durstig – also lieber mit frischen Kräutern würzen und süße Softdrinks meiden. Auf quälenden Durststrecken hilft es zudem, kleine Eiswürfel, Zitronenstückchen oder saure, zuckerfreie Drops zu lutschen oder Kaugummi ohne Zucker zu kauen.
Neben der getrunkenen Flüssigkeit fällt auch der versteckte Wassergehalt ins Gewicht: Suppen, Soßen, Obst (Wassermelone), Gemüse (zum Beispiel Tomaten, Gurken) oder Joghurt bestehen teilweise zu mehr als 90 Prozent aus Wasser. Im Durchschnitt enthalten Speisen 60 Prozent Wasser. Dieser Gehalt sollte auch berücksichtigt werden.
Salzig macht durstig
Genießt der Dialyse-Patient seine Mahlzeiten gerne kochsalzreich, kann dies neben einem erhöhten Blutdruck vor allem zu Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe und vermehrtem Durstgefühl führen. Ein wahrer Teufelskreis, denn wer dann seine Trinkmenge steigert, der überwässert weiter. Dialyse-Patienten sollten daher am Tisch nicht mehr nachsalzen. Meist ist in der normalen Nahrung durch verstecktes Salz, etwa in Fertigprodukten, schon die empfohlene Tagesmenge Natriumchlorid enthalten. Besondere Vorsicht ist auch bei Diätsalzen geboten. Diese Kochsalzersatzmittel enthalten Kaliumchlorid, das nur in geringen Mengen verzehrt werden darf. Es lohnt sich zudem, einen Blick auf das Etikett von Mineralwässern zu werfen, denn hier gibt es große Unterschiede. Wässer mit einem Natriumgehalt von unter 20 mg/l werden als natriumarm bezeichnet und sind gut geeignet für Dialyse-Patienten.
Patienten mit einer Peritonealdialyse müssen ihre Kochsalzzufuhr hingegen nicht reduzieren. Über die tägliche Dialyse geht genügend Natrium verloren, sodass eine zu salzarme Kost sogar zu einer Hyponatriämie führen könnte.
Mehr Kalorien und Proteine
Im Gegensatz zum Prädialyse-Stadium müssen dialysepflichtige Patienten ihre Eiweißzufuhr nicht mehr einschränken. Im Gegenteil: Bei der Dialyse gehen Aminosäuren verloren und Eiweiße werden vermehrt abgebaut (katabole Stoffwechsellage). Wer nun zu wenig Kalorien zu sich nimmt, der baut Muskeln und folglich Kraft ab. Der Körper holt sich dann das Eiweiß aus der kostbaren Muskelreserve. Andere eiweißabhängige Körperfunktionen leiden unter der fehlenden Versorgung, etwa die Abwehrkräfte und Transportproteine im Blut.
Ein Speiseplan mit ausreichend Eiweiß und Kalorien wird mit dem Start der Dialyse essenziell. Mit 1,2 bis 1,5 g Eiweiß pro kg Körpergewicht lässt sich der verstärkte Eiweißabbau reduzieren. Aber Vorsicht: »Viel hilft viel« gilt hier nicht uneingeschränkt. Es ist wichtig, eine Balance zu finden, denn bei zu viel Kalorien und Eiweiß erhöht sich wieder die Menge harnpflichtiger Stoffe und an Phosphat im Blut. Jeder Patient legt das optimale Körpergewicht zusammen mit dem behandelnden Dialysearzt fest. Für die notwendige Energiemenge gelten zur Orientierung etwa 2500 Kilokalorien für Männer (circa 75 kg) und 2100 (circa 70 kg) für Frauen – abhängig vom täglichen Grundumsatz und der körperlichen Aktivität. Der Anteil von Fetten als Energiequelle sollte etwa 35 Prozent betragen, der Kohlehydrate 50 und der Eiweiße etwa 15. Ziel ist es, dass der Patient sein normales Körpergewicht erhält. Das steigert seine Lebensqualität, denn je weniger Kraft er besitzt, desto weniger Energie hat er für alltägliche Dinge und Freizeitbeschäftigungen.
Wenn bei Nierenschwäche die Urinausscheidung nachlässt, steigen die Kaliumspiegel im Blut. Wenn die Konzentration über 5,0 mmol/l liegt, sprechen Mediziner von einer Hyperkaliämie. Diese kann zu schweren Herzrhythmusstörungen bis hin zum Tod durch Herzstillstand führen. Die Zufuhr sollte generell 2000 mg Kalium pro Tag nicht überschreiten, richtet sich aber auch individuell nach der Nierenrestfunktion. Durch eine gezielte Auswahl an kaliumarmen Lebensmitteln und eine entsprechende Zubereitung der Speisen kann der tägliche Kaliumgehalt auf einem nierenschonenden Niveau gehalten werden.
Kochen für weniger Kalium
Was gesunde Menschen eher vermeiden sollten, um vitalstoffschonend zu garen, ist für Nierenkranke günstig, um den Kaliumwert um bis zu 75 Prozent zu senken: Das Gemüse wird möglichst klein geschnitten und in viel Wasser gekocht. Das vergrößert die Oberfläche, damit beim Kochen viel Kalium verloren geht. Das Gemüse kann auch klein geschnitten über Nacht in die zehnfache Menge Wasser eingelegt werden. Da das Kochwasser sehr kaliumreich ist, wird es entsorgt. Auch das Tauwasser von Tiefkühlkost sollte nicht verwendet werden. Obst und Gemüse aus Konserven ohne Saft sind den frischen Vertretern vorzuziehen.
Der Phosphor-Eiweiß-Quotient (P/E- Quotient = Verhältnis von mg Phosphor zu g Eiweiß) ist ein guter Maßstab dafür, welche Mahlzeiten oder Lebensmittel viel Eiweiß, aber dennoch wenig Phosphat enthalten. Beträgt der Quotient bis etwa 16, ist das Lebensmittel für Dialysepatienten geeignet. Bei normaler gemischter Kost liegt der Quotient über 17.
Gefährliche Sternfrucht
Die auch als Karambole bekannte dekorative Sternfrucht kann für Niereninsuffiziente lebensgefährlich werden. Der Genuss kann zur Vergiftung führen, die sich durch hartnäckigen Schluckauf, Erbrechen, Kraftlosigkeit, geistige Verwirrung, Muskelschwäche, Taubheitsgefühl der Extremitäten und psychomotorische Unruhe bemerkbar macht – und sogar zum Tod führen kann. Schuld soll eine Aminosäure sein, die bei Nierenerkrankten nicht ausgeschieden wird und dann wie ein Nervengift wirkt. Forscher tauften diese Aminosäure Caramboxin. Patienten sollten im Falle des Falles sofort dialysiert werden. Sie erholen sich dann in der Regel ohne Folgen.
Bei chronischer Nierenschwäche wird weniger Phosphat ausgeschieden. Es lässt sich auch über die Dialyse nur eingeschränkt entfernen: bei der Peritonealdialyse verliert der Körper im Durchschnitt 300 mg pro Tag und bei der Hämodialyse in der Regel dreimal pro Woche etwa 240 mg – also deutlich weniger. Patienten sollten die Phosphatzufuhr über die Nahrung daher limitieren, um eine Hyperphosphatämie zu vermeiden. Ein verstärkter Knochenabbau, Gefäßschäden und eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen können ansonsten die Folge sein. Phosphate finden sich vor allem in Schmelzkäse, Wurst, coffeinhaltigen Getränken wie Cola und Kondensmilch sowie in Fertigprodukten (als Konservierungsstoffe E 338 bis 341 sowie E 450 bis 452).
Phosphat binden
Das Problem bei dialysepflichtigen Patienten: Sie sollen sich eiweißreich ernähren. Eiweißreiche Lebensmittel sind jedoch auch häufig reich an Phosphat (zum Beispiel Milch, Milchprodukte, Fisch, Hülsenfrüchte und Nüsse). Dialyse-Patienten nehmen daher meist zusätzlich Medikamente, etwa mit den Wirkstoffen Sevelamer oder Lanthan(III)-carbonat, vor oder während der Mahlzeiten ein. Die Wirkstoffe binden Phosphate aus der Nahrung zu einem großen Teil und werden mit dem Stuhlgang »entsorgt«. Am besten gelingt die Phosphatkontrolle, wenn der Patient die Dosis je nach dem geschätzten Phosphatgehalt der Mahlzeit selbstständig variiert.
Durch die Kaliumrestriktion stehen nun seltener vitalstoffreiche Lebensmittel auf dem Speiseplan. Auch mit der Dialyse gehen wasserlösliche Vitamine wie B und C verloren. Diese kann der behandelnde Arzt bei Bedarf verordnen – individuell zugeschnitten und dosiert. Ebenso häufig ergänzen Dialyse-Patienten Vitamin D, um die überaktive Nebenschilddrüse zu regulieren./
Diese Nahrungsmittel und Getränke sollten Dialyse-Patienten aufgrund ihres hohen Kaliumgehalts stark einschränken: