Unterstützung mit Risiken |
11.05.2015 13:36 Uhr |
Von Barbara Erbe / Mehr als 100 000 Apps für iPhone und Android-Smartphones widmen sich inzwischen dem Bereich Fitness und Gesundheit. Sie zählen Kalorien, erinnern an Medikamente und erfassen Laufschritte. Trotz aller Vorteile ist aber auch Vorsicht geboten, vor allem beim Datenschutz, medizinischen Qualitätskriterien und Werbung.
Jeder fünfte Deutsche nutzt laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbands bereits Gesundheits-Apps. »Smartphones und Tablet-PCs bieten Chancen, bisher nicht erreichte Zielgruppen für Gesundheit zu motivieren«, sagt Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. Der Verband hat selbst einen digitalen Gesundheitscoach entwickelt. So protokollieren etwa Nichtraucher-Apps den Zigarettenkonsum und bestärken positives Verhalten, indem sie beispielsweise anzeigen, wie viel Geld und Nicotin mit jedem Verzicht gespart wird. Diabetes-Apps wiederum erfassen Blutzucker, Medikamente und verzehrte Kohlenhydrate. »Es gibt sogar Apps, die den Kaloriengehalt einer Mahlzeit ausrechnen, die ein Nutzer fotografiert«, berichtet der Sportmediziner und Kardiologe Professor Dr. Herbert Löllgen aus Remscheid.
Die Qualität besagter Apps sei aber sehr unterschiedlich und für Verbraucher schwer einzuschätzen, betont Löllgen, auch Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). »Studien zufolge sind beispielsweise Schrittzähler-Apps nicht immer zuverlässig. Mal werden von 10 000 Schritten nur 9000, mal 11 000 gezählt.« Darüber hinaus zeige die Praxis, dass der Eifer der Nutzer von Fitness-Apps meist nach ein bis zwei Monaten deutlich nachlasse, wenn der Reiz des Neuen verflogen ist.
Hilfe beim Krankheits- Management
Anders verhält es sich bei Applikationen, die ihre Nutzer dabei unterstützen, den Alltag mit einer chronischen Erkrankung zu meistern. Sie zahlen sich im Alltagsbetrieb erst richtig aus, meint Löllgen. Er verweist zur Illustration auf die von Ärzten und Programmierern entwickelte App »Smart Medication«. Als eine Art Tagebuch ermöglicht die App Hämophilie-Patienten, ihre Blutgerinnungswerte so genau im Blick zu behalten, dass sie mit deutlich weniger Klinikbesuchen auskommen. Ähnliches bieten Apps für Menschen mit Diabetes, die Blutzucker-, Blutdruck- und Pulsfrequenzwerte nicht nur verwalten, sondern sie zusammen mit Informationen zu sportlicher Betätigung, zugeführten Broteinheiten oder Insulingaben genauestens dokumentieren und auf Wunsch direkt an den behandelnden Arzt übertragen können.
Läuft dabei allerdings etwas schief, übernehmen die Hersteller und Vertreiber von Apps keinerlei Haftung, warnt Löllgen. Jedoch bereite sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) derzeit darauf vor, in naher Zukunft medizinische Apps – das heißt alle Programme für das Erkennen, Verhüten, Überwachen oder Behandeln von Krankheiten und Verletzungen – zu zertifizieren.
Auch Fitness-Apps bergen Risiken. So erlebt Sportmediziner Löllgen immer wieder, dass Nutzer dieser Apps in einen regelrechten Rausch geraten und zu schnell zu viel von sich verlangen. »So eine Überlastung kann bei Ungeübten oder auch ehemaligen Rauchern bis zum Herzinfarkt führen – dennoch gehen viele Fitness-Apps überhaupt nicht auf das Problem Überbelastung ein.« Umso wichtiger, Hobbysportler auch im Gespräch in der Apotheke auf diese Gefahr hinzuweisen und ihnen nahezulegen, das Training mit Bedacht anzugehen.
Thema Datenschutz
Hinter Gesundheits-Apps können IT-Firmen, Pharmakonzerne oder Krankenkassen stehen, berichtet Daniela Hubloher, Patientenberaterin bei der Verbraucherzentrale Hessen. »Krankenkassen engagieren sich vor allem im Bereich der Primärprävention und wollen neue Kunden gewinnen; Pharmaunternehmen stellen sich als Managementpartner zur Verwaltung bestimmter Krankheitsbilder wie Asthma und Allergien dar, vermarkten dabei aber auch eigene Produkte.« Für Verbraucher ist es wichtig, sich klarzumachen, wem sie ihre sensiblen Daten anvertrauen – vom Körpergewicht über Ernährungsvorlieben bis hin zu Blutdruck, Alter oder Bewegungsverhalten. Eine vertrauenswürdige App sollte laut Stiftung Warentest ein sichtbar platziertes Impressum enthalten, das über Autor mit fachlicher Qualifikation, Datenquellen sowie zum Stand der Informationen Auskunft gibt.
Unter www.gesundheitsapps.info bietet das Zentrum für Telematik und Telemedizin Wissenswertes zu Gesundheits-Apps und fasst zusammen, worauf bei deren Nutzung zu achten ist.
Datenschutz:
Inhalt:
App-Nutzer sollten sich auch genau überlegen, welche persönlichen Informationen die App wirklich braucht, um ihre Funktion zu erfüllen. »Wenn das Programm beispielsweise Zugriff auf das Adressbuch verlangt, obwohl es eine reine Dokumentationsfunktion hat, oder wenn der vollständige Name abgefragt wird, obwohl alles nur auf dem Smartphone gespeichert werden soll, ist dies kein gutes Zeichen«, erklärt Verbraucherschützerin Hubloher. Auch sollten Nutzer auf Hinweise zur Weitergabe von Daten an Dritte achten. »Ist das wirklich nötig, und wer profitiert davon, der Nutzer oder die Marktforschung?« Schließlich sei von Bedeutung, wo die Daten gespeichert werden – auf dem Smartphone beziehungsweise Tablet oder extern? »Bei einer externen Speicherung geht möglicherweise die Kontrolle über die Daten verloren«, warnt Hubloher. Verbraucher sollten besonders darauf achten, wenn Anbieter neben den Apps zum Beispiel auch medizinisches Zubehör wie Blutzucker- und Blutdruckmessgeräte oder Körperwaagen offerieren. Die Geräte werden an das Smartphone gesteckt oder sind per drahtlosem Funk (Bluetooth) damit verbunden, die gemessenen Daten werden gespeichert und verwaltet. Schließlich sollten Nutzer nicht in öffentlichen WLAN-Netzen auf ihre Gesundheits-Apps zugreifen, betont Hubloher. Theoretisch könnte dort jeder mitlesen.
Hilfe für Pollenallergiker
Als Positivbeispiel hebt die Medizinberaterin die kostenlose Pollen-App der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst für iPhone und Android-Smartphones hervor. Sie bietet eine Vorhersage des Pollenflugs für Deutschland, Österreich und Frankreich ebenso wie eine Vorhersage der persönlichen Pollenbelastung. Außerdem bestimmt sie über GPS den Standort des Allergikers und erstellt personalisierte Diagramme über das jeweils ausgewählte Allergen. Darüber hinaus kann der Allergiker in Anbindung an das Pollentagebuch täglich seine Beschwerden erfassen, Belastungsdiagramme erstellen und per E-Mail als PDF-Datei an den Arzt versenden. »Die App kann die Möglichkeit der individualisierten, auf das eigene Krankheitsbild und den jeweiligen Aufenthaltsort zugeschnittenen Vorhersage bieten«, lobt Hubloher. »Das verbessert die individuelle Pollenflugvorhersage für die Betroffenen sehr. Nutzer können ihr Verhalten und ihre Medikation entsprechend anpassen, persönliche Pollenwarnungen auf dem Handy sind einstellbar.« /
Auch das Angebot der Pharmazeutischen Zeitung gibt es in App-Form kostenlos für Smartphones und Tablets: Die Nutzer finden hier unter anderem Nachrichten aus Pharmazie, Medizin, Gesundheitspolitik und Wirtschaft, eine tagesaktuelle Pollenflugvorhersage sowie Stellen- und Kleinanzeigen für pharmazeutisches Fachpersonal. Informationen im App Store, bei Google Play und auf www.pharmazeutische-zeitung.de.