Zwei zum Mai |
11.05.2015 13:36 Uhr |
Von Sven Siebenand / Anfang Mai kamen zwei neue Wirkstoffe in den deutschen Handel: In Krankenhausapotheken könnte zukünftig der Name des Antibiotikums Tedizolid häufiger fallen. Der zweite Neuling ist das Antidepressivum Vortioxetin.
Mit Tedizolid (Sivextro® 200 mg Filmtabletten und 200 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Cubist UK Ltd) ist ein neues Antibiotikum auf den Markt gekommen, das bei Erwachsenen zur Behandlung akuter bakterieller Haut- und Weichgewebeinfektionen, wie Cellulitis, Hautabszess und Wundinfektionen, verschrieben wird.
Tedizolid gehört wie das seit Längerem zugelassene Linezolid zur Antibiotika-Klasse der Oxazolidinone. Die antibakterielle Aktivität beruht auf der Bindung an die 50S-Untereinheit der bakteriellen Ribosomen, was zur Hemmung der Proteinsynthese führt. Tedizolid hat sich zum Beispiel gegen den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) als wirksam erwiesen. Andere Standardantibiotika sind gegen diesen Keim unwirksam.
Der neue Wirkstoff kann oral oder intravenös angewendet werden. Patienten, bei denen zunächst mit der Infusion begonnen wird, können auch auf die Filmtabletten umgestellt werden, wenn dies angebracht ist. Als Dosis werden einmal täglich 200 mg über sechs Tage empfohlen. Falls eine Dosis vergessen wurde, sollten Patienten die Einnahme so bald wie möglich nachholen, sofern bis zur nächsten planmäßigen Gabe noch mehr als acht Stunden verbleiben. Tedizolid-Filmtabletten können zu oder unabhängig von einer Mahlzeit eingenommen werden. Wenn die antibiotische Wirkung möglichst rasch erzielt werden soll, empfiehlt sich die intravenöse Anwendung. Eine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion ist nicht erforderlich.
Sicherheit und Wirksamkeit von Tedizolid bei einer Anwendung von länger als sechs Tagen sind nicht erwiesen. In der Fachinformation von Sivextro wird ferner darauf hingewiesen, dass Sicherheit und Wirksamkeit von Tedizolid bei Patienten mit Neutropenie bisher nicht untersucht worden sind. Deshalb sollten in diesen Fällen andere Therapiemöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Auch gibt es in der Fachinformation einen Hinweis, dass Patienten angehalten werden sollten, Symptome von Sehstörungen, zum Beispiel Veränderungen der Sehschärfe und des Farbensehens sowie verschwommenes Sehen oder Gesichtsfeldausfälle, zu melden und abklären zu lassen.
Interaktionen möglich
In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Tedizolid eine Enzyminduktion hervorrufen kann. Das kann zu einer verminderten Wirksamkeit von anderen, gleichzeitig angewendeten Arzneimitteln mit enger Substratspezifität zu CYP3A4, CYP2B6, CYP2C9 und P-Glykoprotein führen. Potenziell besteht ferner die Möglichkeit einer Wechselwirkung zwischen oralem Tedizolid und oral angewendeten Substraten des Brustkrebs-Resistenzproteins. Falls möglich, sollte der Arzt deshalb in Betracht ziehen, die Anwendung der Begleittherapie während der sechstägigen Behandlung mit Tedizolid zu unterbrechen. Aufgrund einer potenziell inhibitorischen Wirkung von Tedizolid auf den organischen Anionen-Transporter OATP1B1, sollte der Arzt erwägen, Medikamente, deren Wirkspiegel durch die OATP1B1-Hemmung stark ansteigt, während der sechstägigen Behandlung mit Tedizolid abzusetzen.
Häufige Nebenwirkungen von Tedizolid, die bei 2 bis 7 Prozent der Patienten in Studien beobachtet wurden, sind Übelkeit, Durchfall, Erbrechen sowie Kopfschmerzen. Diese Nebenwirkungen waren im Allgemeinen leicht oder mittelschwer.
In der Schwangerschaft sollte auf den Einsatz von Tedizolid aus Vorsichtsgründen verzichtet werden. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen unterbrochen wird oder auf die Behandlung mit Tedizolid verzichtet wird beziehungsweise diese zu unterbrechen ist. Frauen im gebärfähigen Alter müssen unter Tedizolid eine zuverlässige Empfängnisverhütungsmethode anwenden. Es ist derzeit nicht bekannt, ob der Arzneistoff die Wirksamkeit von hormonalen Kontrazeptiva verringern kann. Daher müssen Frauen, die hormonale Kontrazeptiva anwenden, eine zusätzliche Verhütungsmethode anwenden.
Neues Antidepressivum
Ab Anfang Mai gibt es in den deutschen Apotheken mit Vortioxetin (Brintellix® 5,10 und 20 mg Filmtabletten und 20 mg/ml Tropfen zum Einnehmen, Lundbeck) ein neues Antidepressivum, das zur Behandlung von Major Depression bei Erwachsenen zum Einsatz kommt. Vortioxetin verbessert neben der affektiven Symptomatik auch die kognitiven Funktionen im Rahmen einer Depression. Generell soll die Behandlung mit Vortioxetin mindestens ein halbes Jahr lang fortgeführt werden, nachdem die depressiven Symptome abgeklungen sind.
Die übliche Dosis beträgt 10 mg einmal täglich. Die Dosis kann abhängig vom Ansprechen des Patienten auf maximal 20 mg pro Tag gesteigert werden. Patienten über 65 Jahre sollten mit einer niedrigeren Dosis von 5 mg täglich beginnen. Niedrigere Dosen können auch bei Patienten erforderlich sein, die gleichzeitig einen starken CYP2D6-Inhibitor, etwa Bupropion, Chinidin, Fluoxetin oder Paroxetin, einnehmen. Denn dies kann den Abbau von Vortioxetin im Körper vermindern. Umgekehrt können höhere Dosen bei Patienten erforderlich sein, die einen Breitband-Cytochrom-P450-Induktor wie Rifampicin, Carbamazepin oder Phenytoin einnehmen. Denn diese können den Abbau von Vortioxetin verstärken. Mangels fehlender Daten ist bei Patienten mit schweren Nieren- oder Leberfunktionsstörungen Vorsicht geboten.
Der Wirkmechanismus von Vortioxetin vereint zwei pharmakologische Wirkweisen: Einerseits hemmt der Arzneistoff einen Serotonin-Transporter, der für die Beseitigung von Serotonin an dessen Wirkorten im Gehirn zuständig ist. So wird die Aktivität des Serotonins erhöht. Zum anderen bindet Vortioxetin auf Rezeptorebene an eine Reihe serotonerger Rezeptoren. Da Serotonin an der Kontrolle von Stimmungszuständen beteiligt ist und die Wirkung anderer Neurotransmitter, die zu Depressionen und Angstgefühlen beitragen können, regulieren kann, wird angenommen, dass diese Wirkungen von Vortioxetin zu seinem Effekt bei der Verbesserung der Depression führen.
Aufgrund des Risikos eines sogenannten Serotonin-Syndroms ist die gleichzeitige Anwendung von Vortioxetin mit nicht-selektiven MAO-Hemmern oder selektiven MAO-A-Hemmern kontraindiziert. Die Gabe zusammen mit selektiven MAO-B-Hemmern wie Rasagilin und Selegilin ist zwar nicht kontraindiziert, sollte aber nur mit Vorsicht und unter engmaschiger Kontrolle geschehen. Im Hinblick auf das Risiko eines Serotonin-Syndroms wird in der Fachinformation von Brintellix auch vor der gleichzeitigen Einnahme von serotonergen Wirkstoffen, einschließlich Triptanen, gewarnt. Auch andere Antipsychotika und Dopamin-Antagonisten können bei gleichzeitiger Einnahme von Vortioxetin das Risiko dafür erhöhen.
In der Fachinformation wird ferner auf die Möglichkeit von Krampfanfällen unter Antidepressiva eingegangen. Die Vortioxetin-Therapie sollte bei Patienten mit Krampfanfällen in der Anamnese und instabiler Epilepsie nur vorsichtig eingeleitet werden. In diesem Zusammenhang ist auch bei der gleichzeitigen Einnahme von Wirkstoffen Vorsicht geboten, die wie Vortioxetin die Schwelle für Krampfanfälle herabsetzen.
Weitere Warnhinweise beziehen sich auf die Auslösung von Suizidgedanken und auf Patienten mit Manie/Hypomanie in der Vorgeschichte. Bei ihnen sollte Vortioxetin nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Gehen die Patienten in eine manische Phase, sollte der Wirkstoff abgesetzt werden.
Häufige Nebenwirkungen
Mehr als 10 Prozent der Patienten litten in Studien unter Vortioxetin an Übelkeit. Häufig traten auch verminderter Appetit, abnormale Träume, Schwindelgefühl, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen sowie generalisierter Juckreiz auf. Im Allgemeinen waren die Nebenwirkungen leicht oder mittelschwer und kurzfristig. Sie traten in der Regel nur in den ersten zwei Wochen der Behandlung auf. Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt treten bei Frauen häufiger als bei Männern auf. Im Vergleich zu Placebo hatte Vortioxetin in Kurz- und Langzeitstudien keine Wirkung auf das Körpergewicht, die Herzfrequenz oder den Blutdruck.
In der Schwangerschaft darf der neue Wirkstoff nicht eingesetzt werden, es sei denn, dies ist unbedingt aufgrund des klinischen Zustands der Frau erforderlich. Bei Stillenden muss entweder das Stillen unterbrochen oder auf die Behandlung mit Vortioxetin verzichtet beziehungsweise diese unterbrochen werden. /