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Phytopharmaka bei Obstipation

Dem Darm Beine machen

Datum 22.05.2017  13:13 Uhr

Von Carolin Gieck / Ist der Darm träge, vertrauen viele Patienten auf pflanzliche Mittel. Anthranoid-Abführmittel sind bei bestimmungsgemäßer Dosierung und Anwendungsdauer sicher. In der Beratung sollten PTA und Apotheker Kontraindikationen beachten und einem Missbrauch vorbeugen.

Mit einer Prävalenz von etwa 15 Prozent in Europa zählt die Obstipation, definiert als eine erschwerte oder zu seltene Darmentleerung, zu den Zivilisationskrankheiten. Wichtig zu wissen: Als normal und damit nicht behandlungsbedürftig gilt eine Stuhlfrequenz zwischen dreimal pro Tag bis dreimal pro Woche.

Es gibt viele Ursachen für eine Verstopfung. Bei manchen Betroffenen steckt Stress oder eine Reise dahinter, bei anderen eine Arzneimittelnebenwirkung oder schlicht Bewegungs- und Ballaststoffmangel. Bestehen Beschwerden wie klumpiger, harter Stuhl und eine unvollständige Entleerung länger als drei Monate, sprechen Mediziner von einer chronischen Ob­stipation. Besonders Patienten über ­65 Jahre sind häufig davon betroffen, ihre Lebensqualität leidet teilweise beträchtlich.

Duale Wirkung

In der Selbstmedikation stehen zahlreiche Laxanzien zur Verfügung. Ihre Wirkung beruht in der Regel entweder auf einer Steigerung der Peristaltik oder auf einer Verflüssigung des Stuhls. Bei Letzterem kommt es osmotisch bedingt zu einem vermehrten Einstrom von Wasser oder die Rückresorption von Wasser aus dem Darm wird gehemmt.

Anthranoide wirken über beide Wege und sind nicht zuletzt deshalb gut abführend. Da sie überwiegend als Glykoside vorliegen, spricht man auch von Anthraglykosiden.

Zu den klassischen Anthranoiddrogen zählen Sennesblätter/-früchte, Rhabarberwurzel, Cascararinde, Faulbaumrinde und Kap-/Curaçao-Aloe. Sie enthalten verschiedene Inhaltsstoffe wie Sennosid, Frangulin und Aloin, die für die laxierende Wirkung verantwortlich sind. Oft wird ihr Gehalt daher als Gesamtmenge an Hydroxyanthracenderivaten angegeben. Die Substanzen werden nicht resorbiert und erst von Dickdarmbakterien in ihre Wirkform überführt. Dort regen sie die Motilität an und beschleunigen die Passagezeit, was bei manchen Patienten zu Bauchkrämpfen führt. Durch die kürzere Kontaktzeit wird weniger Flüssigkeit rückresorbiert. Gleichzeitig stimulieren Anthranoide die Chloridsekretion, sodass ein zusätzlicher Wassereinstrom in den Darm hervorgerufen wird. Man nennt diese Wirkungen antiresorptiv und sekretagog.

Die Wirkung der Anthranoide setzt nach etwa acht bis zwölf Stunden ein. Daher werden entsprechende Zubereitungen am besten abends angewendet. Als Richtwert gilt, dass täglich nicht mehr als 20 bis 30 mg Hydroxyanthracenderivate eingenommen werden sollen­. Je nach verwendeter Pflanze entspricht dies 0,1 bis 2 g Droge.

In der Apotheke werden Präparate mit Sennesblättern oder -früchten (Ramend®­ Abführ-Tabletten, Bekunis® Instanttee und Kräutertee, Neda® Früchte­würfel, Midro® Tee), Sennes mit Flohsamenschalen (Agiolax® Granulat), Aloe (Kräuterlax® Dragees) oder Cascara (Legapas®) eingesetzt. Je nach Rezeptur sind Sennes, Aloe oder Rhabarber auch in Schwedentropfen oder Schwedenbitter enthalten.

Während der Einnahme kann es zu einer harmlosen rot-bräunlichen Verfärbung des Urins kommen, auf die in der Beratung hingewiesen werden sollte. Auch eine Pigmentierung der Darmschleimhaut ist bei chronischem Gebrauch möglich. Diese ist aber reversibel und ohne Krankheitswert. Außerdem fällt der Befund ohnehin nur bei einer Darmspiegelung auf.

Fehlgebrauch vermeiden

Alle pflanzlichen Laxanzien haben gemeinsam, dass ihre Anwendung auf maximal ein bis zwei Wochen begrenzt ist. Ein Dauer- oder Übergebrauch von Abführmitteln ist kritisch zu sehen. Dabei sind, besonders in Kombination mit Medikamenten wie Diuretika oder wenn der Patient wenig isst, Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt gefürchtet. Vorsicht ist auch bei Patienten geboten, die Herzglykoside einnehmen: Treten bei ihnen Durchfälle auf, können Kaliumverluste die Herztätigkeit empfindlich stören. Auch die Darmträgheit wird dadurch weiter verschlimmert. Das kann wiederum dazu führen, dass der Patient die Dosis des Abführmittels erhöht. Ein Teufelskreis entsteht. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch wurden solche Elektrolytverschiebungen allerdings nicht beobachtet.

Bei ungewöhnlich hohen Dosen und langfristiger Anwendung sind toxische Leberschäden im Zusammenhang mit Senna beschrieben worden–wenn auch nur sehr selten. Umso wichtiger ist es, im Beratungsgespräch auf die kurzfristige Anwendung und korrekte Dosierung hinzuweisen. Es ist auch ganz normal, dass es nach der Anwendung eines Abführmittels längere Zeit als üblich bis zum nächsten Stuhlgang dauert.

Patienten mit Darmverschluss oder akut-entzündlichen Erkrankungen des Darms wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sowie Bauchschmerzen unbekannter Ursache sollten keine Anthrachinon-Präparate einnehmen. Auch in der Schwangerschaft sollte unbedingt auf die Anwendung von Anthrachinonen verzichtet werden. Denn sie regen die Uterusmuskulatur an, wodurch im Extremfall Wehen ausgelöst werden können.

Außerdem wird diskutiert, ob die Anwendung beim Fetus zum Abgang vom Kindspech (Mekonium) führen kann. In der Stillzeit sind Anthranoide ebenfalls kontraindiziert. Stattdessen sollte auf Füll- und Quellstoffe, Macrogol oder Lactulose zurückgegriffen werden.

Basismaßnahmen

Bevor Patienten bei einer Verstopfung zu Medikamenten greifen, sollten sie versuchen, ihre Lebensweise umzustellen. Besonders eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichend Bewegung sowie 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeitszufuhr wirken unterstützend. Noch mehr zu trinken hat allerdings keinen zusätzlichen Effekt. Als Ergänzung zur Ernährung eignen sich sowohl lösliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen (wie in Mucofalk®, Flosine® Balance) als auch natürliche Ballaststoffe wie Weizen­kleie. Sie verkürzen die Transitzeit und erhöhen außerdem das Stuhlgewicht – sofern auf ausreichend Flüssig­keit geachtet wird. Dadurch lässt sich der Bedarf an Abführmitteln oft zumindest reduzieren, besonders bei chronischen Beschwerden. Leider kommt es zu Beginn der Anwendung häufig zu unangenehmen Begleit­symptomen wie Bauchkrämpfen und Blähungen. Dennoch sollten sie unabhängig von der Ursache der Verstopfung immer versucht werden. Genügen die Basismaßnahmen nicht, kann zu einem Laxans geraten werden. Dies ist aber nur möglich, wenn keine Warn­signale vorliegen. Unerklärter Gewichtsverlust, Blut im Stuhl, Anämie sowie ein Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung müssen zuvor ärztlich abgeklärt werden.

Zweite Wahl

Lange wurde vor der Einnahme von Anthrachinon-Drogen gewarnt, da das toxikologische Profil als nicht aus­reichend untersucht galt. Mittlerweile konnte in vielerlei Hinsicht Entwarnung gegeben werden, sofern man sich an die Dosis hält und Kontraindika­tionen beachtet. Eine kurzfristige Anwen­dung der Anthranoide gilt somit als sicher. So bewertet auch die Deutsche Gesellschaft für Neurogas­troenterologie und Motilität sowie die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten in einer S2k-Leitlinie die Anwendung von An­thranoiden bei chronischer Obstipation. Dennoch sind sie in der Leitlinie nach Macrogolen­, Natriumpicosulfat und Bisacodyl nur Mittel zweiter Wahl, da langfristige systematische Beobachtungen fehlen. Dass es sich bei diesen pflanzlichen Präparaten um potente Arzneimittel handelt, ist vielen Patienten in der Selbstmedikation oft nicht bewusst. Um einem Fehlgebrauch vorzubeugen, ist eine gute Beratung für den sicheren Einsatz wichtig. /

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