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Campher

Asiatisches Heilmittel hilft nicht nur gegen Katarrh

21.10.2011  12:11 Uhr

Von Monika Schulte-Löbbert / Bei dem charakteristischen Geruch von Campher denkt fast jeder gleich an Husten, Schnupfen und Heiserkeit. Doch das uralte chinesische Heilmittel lindert nicht nur diese lästigen Erkältungssymptome, sondern regt auch den Kreislauf an. Natürlicher Campher war früher überaus kostbar und wurde im Orient mit Gold aufgewogen.

Campher ist Bestandteil des ätherischen Öls zahlreicher Pflanzen, insbesondere aus den Familien der Lauraceae, Asteraceae und Lamiaceae. Gewonnen wird er aber aus dem immergrünen Kampferbaum, Cinnamomum camphora, der in Küstengebieten Ostasiens beheimatet ist. In »Tausendundeine Nacht«, der Sammmlung morgendländischer Erzählungen, wird seine mächtige Erscheinung wie folgt beschrieben: »Unter vielen Inseln, die wir durchwanderten, war auch eine, auf welcher der Kampferbaum wächst, der so dick und laubig ist, dass hundert Menschen in seinem Schatten Platz haben.« Tatsächlich erreicht der Baum Wuchshöhen von bis zu 50 Metern und kann mehrere hundert Jahre alt werden.

Cinnamomum camphora gehört zur Familie der Lorbeergewächse (Lauraceae). Der mächtige Stamm verzweigt sich nach oben in viele knorrige Äste. Die wechselständig angeordneten, gestielten, eiförmig-elliptischen Laubblätter sind beim Austrieb rötlich gefärbt, später grün bis gelb-grün. Aus den unscheinbaren grün-weißen, in Rispen angeordneten Blüten entwickeln sich purpurfarbene bis schwarze Früchte.

Da die Ölzellen über den gesamten Baum verteilt sind, riechen alle Pflanzenteile stark nach Campher, junge Zweige ­zunächst jedoch nur schwach. Mit zunehmendem Alter verändert sich die Zusammensetzung des Öls, und der Gehalt an Campher steigt. Um natürlichen Campher technisch zu gewinnen, lohnt es sich wirtschaftlich nur, das Holz der Stämme und Wurzeln etwa 50 bis 60 Jahre alter Bäume einzusetzen.

Hauptlieferant des natürlichen Camphers ist Taiwan, gefolgt von Japan mit seinen Kampferbaumbeständen auf Kyushu, der südlichsten japanischen Insel. In Europa wachsen einzelne Bäume im klimatisch milden Mittelmeerraum und an den oberitalienischen Seen bis zu 20 Meter heran. Ansonsten gedeihen die frostempfind­lichen Pflanzen in Deutschland nur in ­Kübeln.

Der Name »Campher« geht auf das altindische Wort »karpurah« zurück, das über das arabische »kafur« zu dem lateinischen »camphora« wurde. Autoren nicht wissenschaftlicher Bücher in deutscher Sprache benutzen oft die Schreibweise »Kampfer«.

Als uraltes asiatisches Heil- und Räuchermittel wird Campher schon in chinesischen Schriften aus dem dritten Jahrhundert erwähnt. Die Hindus weihten ihn einem ihrer wichtigsten Götter, der Gottheit Shiva, und verräuchern ihn noch heute zu dessen Ehren bei vielen Anlässen. Die Bewohner Sri Lankas verbrennen in einigen Tempeln Campher in einer ausgehöhlten Kokosnuss und äußern dabei in Gedanken einen Herzenswunsch. Ist die Flamme er­loschen, zerschmettert der Gläubige die Kokosnuss am Boden.

Da nach dem Koran das »Getränk der Seligen« im Paradies mit Campher gewürzt ist, galt dieser auch im Orient als genauso wertvoll wie Gold. Die Fürsten sandten sich Campher gegenseitig entweder als Tribut oder Geschenk.

Gegen plötzliche Ohnmacht

Mit der Verbreitung der arabischen Medizin im 12. Jahrhundert wurde der Campher auch in Europa bekannt. Die heilige Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) erwähnt in ihren Schriften, Campher helfe nicht nur gegen Fieber, sondern stärke die Kranken auf wundersame Weise und nehme ihnen alle Schwachheit. Damit hatte sie die kreislaufanregende Wirkung des Camphers richtig erkannt. Auch Gretchen in Goethes Faust hofft auf die belebende Wirkung des Camphers, wenn sie sagt: »Frau Nachbarin, ihr Riechfläschchen …« Die Zeiten sind noch nicht lange vorbei, dass Frauen für den »Ernstfall« einer plötzlichen Ohnmacht immer ein mit Campher gefülltes Riechfläschchen bei sich trugen.

Zu einem begehrten Handelsprodukt wurde der Naturcampher im 19. Jahrhundert nach der Entdeckung seiner antisep­tischen Wirkung und vor allem aufgrund seiner Verwendung zur Celluloid- und Sprengstoffherstellung. Nachdem es dem Amerikaner John Wesley Hyatt gelungen war, aus Cellulosenitrat und Campher (als Weichmacher) Celluloid herzustellen, meldete er diese Erfindung im Jahr 1868 als ­Patent an. Heute werden nur noch Tischtennisbälle aus Celluloid hergestellt.

Die Struktur des Camphers klärte der deutsche Chemiker Julius Bredt (1855 bis 1937) auf. Mit der Möglichkeit der synthetischen Herstellung, die dem finnischen Chemiker Gustaf Komppa (1867 bis 1949) im Jahre 1903 gelang, ging die wirtschaft­liche Bedeutung des Naturprodukts rapide zurück.

Zwei Stereoisomere

Zur Gewinnung des natürlichen Camphers wird das Holz mindestens 40 Jahre alter Kampferbäume zerkleinert und der Wasserdampfdestillation unterworfen. Aus dem so erhaltenen ätherischen Öl scheidet sich ein Teil des Camphers unmittelbar ab, ein weiterer Teil fällt bei der fraktionierten Destillation des Restöls an. Durch anschließende Sublimation entsteht der gereinigte Campher mit einem Schmelzpunkt von 177 °C und einem Flammpunkt von 74 °C. Das nach der Destillation verbleibende ­cineolreiche ätherische Öl, Cinnamoni camphorae aetheroleum, wird aufgrund der verbliebenen Inhaltsstoffe ebenfalls medizinisch genutzt. Das als Kampfer­baumöl oder Weißes Campheröl bezeichnete Öl enthält zwar keinen Campher mehr, aber so wirksame Substanzen wie Borneol, Carvacrol, Eugenol und Limonen.

Campherkristalle riechen charakteristisch stark eukalyptusartig und schmecken erst scharf brennend, dann leicht kühlend wie Menthol. In Wasser lösen sich die Kristalle kaum, mit Ethanol hingegen entsteht eine farblose Lösung.

Vom Camphermolekül, einem bizyklischen Monoterpen-Keton, existieren zwei stereoisomere Formen: die Enantiomeren D(+)-Campher und L(-)-Campher. Während aus Cinnamomum camphora (L.) SIEBOL rechtsdrehender Campher isoliert wird, ist der synthetisch hergestellte Campher ein Racemat aus rechts- und linksdrehender Form. Biologisch aktiv ist nur der D(+)-Campher. Das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur. 6.0) lässt als Arzneistoff den natür­lichen rechtsdrehenden D(+)-Campher und das synthetische Racemat zu. Auch die Kommission E bezieht sich in der Monographie »Camphora (Campher)« auf beide Formen.

Der Deutsche Arzneimittel Codex (DAC) enthält die Monographie »Campheröl 20%« oder »Oleum camphoratum 20 per centum«. Dieses Öl wird auch Starkes Campheröl genannt und aus Olivenöl mit einem Zusatz von 20 Prozent Campher hergestellt. Der Camphergehalt anderer Zubereitungen aus älteren Arzneibüchern wie der Campherspiritus (Spiritus camphoratus – DAB 8) und das Campheröl (Oleum camphoratum 10 per centum – DAB 8) beträgt nur 10 Prozent.

Für den Kreislauf

Campher ist ein altbewährtes Hausmittel. Bei innerlicher Anwendung regt er das Atem- und Kreislaufzentrum an, allerdings erst in großen, der toxischen Dosis nahen Mengen. Deshalb ist die Verwendung von Campher als zentrales Analeptikum heute obsolet. In Studien aus dem Jahr 2008 konnten Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München jedoch belegen, dass Campher Menschen mit niedrigem Blutdruck innerhalb kurzer Zeit helfen kann. Mit der Steigerung des Blutdrucks verbesserte sich auch zeitgleich die Konzentrationsfähigkeit der Studienteilnehmer. Diesen Effekt des Camphers als schnell wirksames pflanzliches Antihypotonikum nutzen Phytopharmaka in der Kombination mit Weißdornfrüchten (enthalten zum Beispiel in Korodin® Herz-Kreislauf-Tropfen). Neben zahlreichen campherhaltigen Kreislauftropfen aus der Gruppe der homöopathischen Kombinationspräparate wie Corvipas® SL Tropfen und Diacard® sind derzeit als einziges Monopräparat zur innerlichen Anwendung Korovit Kreislauf-Kapseln mit 15 mg D-Campher pro Zerbeißkapsel im Handel. Beide Präparate sollen nicht mit Wasser geschluckt werden, weil Campher darin unlöslich ist.

Auch die Experten der ehemaligen Kommission E bewerteten in ihrer Monographie aus dem Jahr 1990 Campher zur innerlichen Verwendung bei hypotonen Kreislaufregulationsstörungen und Katarrhen der Atemwege sowie zur äußerlichen Anwendung bei Muskelrheumatismus, Katarrhen der Luftwege und Herzbeschwerden positiv.

Weitaus häufiger wird Campher äußerlich in Form von Salben und Emulsionen wie in Grippostad® Erkältungsbalsam oder Transpulmin® Erkältungsbalsam appliziert oder zu Bädern wie in Pinimenthol® Erkältungsbad und Inhalationen wie Wick® Inhalierstift eingesetzt. Je nach Konzentration wirkt Campher auf der Haut unterschiedlich: Einreibungen mit Konzentrationen bis maximal 0,3 Prozent wirken lokalanästhetisch und analgetisch. Zubereitungen mit mehr als 3 Prozent wirken auf intakter Haut hyperämisierend und eignen sich zur Behandlung von Neuralgien, Myalgien, Prellungen, rheumatischen Schmerzen und katarrhalischen Erkrankungen der Luftwege sowie als Herzsalben wie in Cor-Vel® Truw Herzsalbe. Campher regt die Hautdurchblutung an, durchwärmt das entsprechende Hautareal und lindert dadurch Muskelschmerzen. Neben zahlreichen Kombinationspräparaten für die genannten Indikationen ist derzeit als einziges Monoarzneimittel Camphoderm® N Emulsion im Handel. Auch in homöopathischen Arzneimitteln wie Schnupfencreme Weleda ist Campher enthalten.

Vorsicht bei Kleinkindern

Die Wirkung in Erkältungssalben beruht darauf, dass der Verschnupfte den leicht flüchtigen Campher einatmet und dieser in den Bronchien Schleim und Krämpfe löst. Der angenehm kühlende Effekt hängt mit der Erregung von Thermorezeptoren in der Nasenschleimhaut zusammen. Bei Schwangeren und Stillenden sowie bei Säuglingen und Kindern unter zwei Jahren sind campherhaltige Erkältungssalben und -bäder kontraindiziert. Trotz äußerlicher Anwendung wird ein Teil des Camphers durch die Haut resorbiert oder über die Atemwege inhaliert.

Bei den kleinen Patienten könnte Campher infolge der perkutanen Resorption und des gleichzeitigen Einatmens der Dämpfe zum Glottiskrampf (Stimmritzenkrampf) und zu Bronchospasmen bis hin zum Atemstillstand führen. Nach bisherigen Erfahrungen ist die minimale letale Dosis für Kleinkinder bereits 1 Gramm Campher (oral) und für Erwachsene etwa 20 Gramm. Bei Erwachsenen führten bereits 6 bis 10 Gramm, als Stimulans und Haschisch-Ersatz eingenommen, zu schweren Vergiftungen mit Angstzuständen, Halluzinationen und Krämpfen. /

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