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Lactoseintoleranz

Der lange Weg zur Beschwerdefreiheit

Datum 21.10.2011  12:31 Uhr

Von Maria Pues / Wer Milchzucker nicht gut verträgt, weiß häufig lange Zeit nicht, was seine Beschwerden verursacht. Ist der Auslöser endlich identifiziert, sind viele Betroffene dennoch weiter verunsichert. Ihre wichtigste Frage: Was darf ich denn eigentlich noch essen?

»Ich habe eine Milchzuckerallergie«, sagten noch vor einigen Jahren die meisten Patienten. Inzwischen hat es die Bezeichnung Lactoseintoleranz geschafft, in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen zu werden. Ob sich damit auch der Kenntnisstand der Patienten über den Ursprung ihrer Beschwerden erhöht hat, darf zumindest in manchen Fällen bezweifelt werden. Auch durch hartnäckiges Nachfragen können PTA oder Apotheker nicht immer eindeutig klären, ob der Betroffene unter einer Milcheiweißallergie oder einer Milchzuckerunverträglichkeit leidet. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um eine Lactoseintoleranz handelt. Die Häufigkeit einer Allergie gegen Kuhmilch-Proteine liegt in Deutschland bei ­Erwachsenen um 1 Prozent, während rund 10 bis 20 Prozent von einer Lactoseintoleranz betroffen sind. Bei Säuglingen ist hingegen eine Allergie auf Kuhmilch-Proteine, dem ersten fremden Nahrungseiweiß, mit dem sie in Kontakt kommen, häufiger als eine Lactoseintoleranz.

Der wesentliche Unterschied für den Patienten: Bei einer Milcheiweißallergie lösen in der Regel bereits geringste Mengen Milch oder Milchprodukte die Symptome aus, die durch eine Antikörperreaktion auf Milcheiweiß hervorgerufen werden. Je nach reagierender Haut oder Schleimhaut äußert sich die Allergie in Magen-Darm-Beschwerden, Urtikaria und sogar in Asthmaanfällen. Auch Kreislaufprobleme oder ein allergischer Schock kommen vor. Ein weiterer Unterschied: Während Menschen mit einer Kuhmilchallergie der Wechsel zum Beispiel zu Ziegenmilch helfen kann, bringt dies Patienten mit einer Milchzucker­unverträglichkeit nichts. Zwar unterscheiden sich die Milcharten in ihrer Eiweißzusammensetzung, ihr Gehalt an Milchzucker ist jedoch in etwa identisch.

Individuelle Intoleranz

Wie viel Milch Menschen mit einer Lactoseintoleranz symptomfrei vertragen, ist individuell unterschiedlich und hängt davon ab, in welcher Menge ihr Körper noch das Enzym Lactase bildet. Dieses spaltet das Disaccharid Lactose in die Monosaccharide Glucose und Galactose, die anschließend über die Darmschleimhaut resorbiert werden. Reichen die produzierten Enzyme für die Lactosemenge nicht aus, so gelangt der ungespaltene Anteil unverändert in tiefere Darmabschnitte. Dort wirkt er osmotisch. Die Lactose hält Wasser im Darmlumen zurück und wirkt auf diese Weise abführend. Daneben dient sie bestimmten Darmbakterien als Substrat. In diesem Fall entstehen als Endprodukte unter anderem organische Säuren, die ebenfalls abführend wirken, sowie gasförmige Substanzen, die bei den Betroffenen Blähungen und krampfartige Bauchschmerzen verursachen.

Vorurteile der Mitmenschen

Betroffenen machen auch die Vorurteile ihrer Mitmenschen, manchmal auch der Angehörigen medizinischer Berufe zu schaffen. Wer ständig Zutatenlisten studiert oder »das Essen seziert«, erntet bei den Tischgenossen selten Sympathie – eine Erfahrung, die Menschen mit Lactoseintoleranz zum Beispiel mit Allergikern und Vegetariern teilen. Dabei verursacht nicht in jedem Fall eine mehr oder weniger physiologische Abnahme der Aktivität eines Enzyms die Beschwerden. In seltenen Fällen kommen Neugeborene infolge eines Gendefektes bereits damit auf die Welt. Diese Form bezeichnen Fachleute als kongenitale Lactoseintoleranz. Für die Säuglinge kann dies schlimme Folgen haben, denn sie vertragen auch die Muttermilch nicht, die viel Milchzucker enthält. Unbehandelt kann die kongenitale Lactoseintoleranz sogar das Gehirn der Kleinen schädigen.

Tritt die Unverträglichkeit erstmals im Erwachsenenalter auf, sprechen Mediziner von erworbener Lactoseintoleranz, von einem primären Lactasemangel, wenn sie isoliert auftritt. Die meisten Asiaten und viele Afrikaner sind davon betroffen – alles in allem rund drei Viertel der Weltbevölkerung. Bezüglich der Lactaseaktivität besteht in Europa ein Nord-Süd-Gefälle: Während Skandinavier häufig keine Probleme haben, Milchzucker zu verwerten, leiden Menschen im mediterranen Raum häufiger an Lactoseintoleranz.

Als sekundäre Lactoseintoleranz bezeichnen Mediziner, wenn eine andere Erkrankung wie Morbus Crohn oder Zöliakie die Dünndarmschleimhaut geschädigt hat und dadurch nicht mehr ausreichend Lactase gebildet wird. Auch vorübergehende Durchfallerkrankungen können dazu führen. Und auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Durchfälle und Blähungen durch Lactoseintoleranz belasten Patienten mit vorbestehenden Darmerkrankungen noch zusätzlich. Dies gilt es nicht zuletzt für Patienten mit Reizdarmsyndrom, deren Dickdarm besonders empfindlich reagiert – auch auf die Produkte, die beim bakteriellen Abbau von Milchzucker entstehen wie Milchsäure oder Essigsäure.

Wegen der unspezifischen Beschwerden wie wiederkehrende Durchfälle, Bauchkrämpfe und Blähungen wissen Patienten lange Zeit nicht, dass diese durch ihre Lactoseintoleranz verursacht werden. Darüber hinaus reagieren manche Patienten mit Symptomen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Schwindel, die niemand mit dem Darm in Verbindung bringen würde.

Zwei alternative Testverfahren

Zur Diagnose der Lactoseintoleranz kommen zwei Verfahren zum Einsatz. Test der Wahl, da zuverlässiger, ist ein H2-Atemtest. Dieser eignet sich neben der Bestimmung der Lactosetoleranz auch zur Überprüfung, wie gut der Patient andere Zucker wie Fructose, Maltose oder Xylose verträgt. Der Test beruht darauf, dass bei der bakteriellen Verstoffwechselung enzymatisch nicht abgebauter Zucker vermehrt Wasserstoff-Gas gebildet wird. Zwar wird dieses zum Teil über den Enddarm abgegeben, ein Teil gelangt jedoch über den Blutweg in die Lunge und wird abgeatmet. Dieser Anteil lässt sich bestimmen. Vor der eigentlichen Messung wird zunächst ein »Nullwert« bestimmt. Danach muss der Patient eine Lösung trinken, die 50 Gramm Milchzucker enthält. Nach drei Stunden wird der H2-Gehalt in seiner Atemluft gemessen. Ein Anstieg zeigt an, dass der aufgenommene Milchzucker nicht durch die körpereigene Lactase gespalten und resorbiert, sondern durch Darmbakterien »verdaut« wurde. Der Anteil des Wasserstoffs, der nicht resorbiert wurde, führt meist zu Blähungen.

Lactose-Gehalt ausgewählter Lebensmittel (g/100 g bzw. g/100 ml)

Kuhmilch 4,8 – 5
Buttermilch 3,5 – 4
Ziegenmilch 4,4
Schafmilch 4,6
Dickmilch 3,7 – 5,3
Joghurt 3,7 – 5,6
Kefir 3,5 – 6 g
Sahne 2,8 – 3,6
Kondensmilch 9,3 – 12,5
Butter 0,6
Milchpulver 38 – 51,5
Molke 2 – 5,2
Magerquark 4,1
Frischkäse 2
Mozzarella 1
Hartkäse < 0,1
Schnittkäse < 0,1
Weichkäse < 0,1

Einen Umweg geht die Bestimmung mit Hilfe eines Blutzucker-Messgerätes. Dieses Verfahren beruht darauf, dass funktionsfähige Lactase Milchzucker im Dünndarm in die Monosacharide Glucose und Galactose spaltet. Da diese anschließend resorbiert werden, führt die Aufnahme der Glucose zu einem Blutzuckeranstieg. Zwei Stunden nach dem Trinken der Milchzuckerlösung sollte der Blutzucker bei intaktem Enzym um 20 mg/dl (aus Kapillarblut) steigen. Bei Menschen mit Lactoseintoleranz bleibt dieser Anstieg aus. Da weitere Faktoren, nicht zuletzt ein unerkannter Diabetes mellitus, den Blutglucosespiegel und damit das Messergebnis beeinflussen können, wird meist der H2-Atemtest bevorzugt.

Rat aus der Apotheke

Was können PTA oder Apotheker Betroffenen raten, die in der Apotheke berichten, dass ihr Testergebnis positiv ausfiel? Zunächst können sie die Patienten beruhigen: Selten fällt das Enzym total aus. Um zu testen, welche Milchzucker-Mengen der Einzelne verträgt, verzichtet er einige Tage auf sämtliche Milchprodukte und isst anschließend nach und nach solche Lebensmittel, die nur geringe Mengen Milch­zucker enthalten, bis die Symptome ein­setzen. Gut 10 Gramm Lactose am Tag ­vertragen die meisten Menschen mit ­Lactoseintoleranz, großzügigere Schätzungen reichen bis zu 24 Gramm am Tag. Einig sind sich Experten hingegen, dass Empfindlichere nur bis zu 1 Gramm Lactose beschwerdefrei genießen können.

Ob der Darm mit der Lactose zurechtkommt, hängt jedoch nicht nur von deren Menge ab. Auch in welcher Form und mit welchen anderen Nahrungsmitteln der Betroffene sie zu sich nimmt, entscheidet mit darüber, wie gut – oder wie schlecht – er sie verträgt. Latte macchiato beispielsweise auf nüchternen Magen »to go« auf dem Weg zum Bus zu trinken, bereitet vielen Menschen Probleme, auch ohne Enzymmangelkrankheit. Der Darm reagiert auf die »heiße Milch mit Kaffee« fast wie auf eine reine Milchzucker-Lösung, und die Folgen lassen meist nicht lange auf sich warten. Nach einer Mahlzeit mit gut gefülltem Darm verträgt jeder Milchzucker meist besser, da feste Nahrung den Zeitraum verlängert, der dem Enzym zum Lactoseabbau zur Verfügung steht.

Saure Milchprodukte verträglicher

Ein Tipp für Menschen mit Lactoseintoleranz: Sauermilchprodukte wie Joghurt, Kefir oder Dickmilch vertragen viele Patienten besser als Milch. Vermutlich tragen die enthaltenen Milchsäurebakterien dazu bei, den Milchzucker abzubauen. Da zur Herstellung verschiedene Kulturen Verwendung finden und außerdem manches Endprodukt keine vermehrungsfähigen Kulturen mehr enthält, hilft hier nur das Ausprobieren. Wer Sauermilchprodukte gut verträgt, kann drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er ist – in der fruchtfreien Ausführung – eine vielseitig einsetzbare Zutat für leckere Gerichte, er kann seine Calcium-Bilanz verbessern, und die Darmflora profitiert ebenfalls davon. Zur ausreichenden Calciumzufuhr eignen sich auch Hart-, Schnitt- und Weichkäse. Diese enthalten herstellungsbedingt nur geringe Mengen Milchzucker.

Wer ganz auf Milchprodukte verzichten muss oder möchte, kann seinen Calciumbedarf jedoch auch durch den regelmäßigen Verzehr von Gemüse wie Brokkoli sowie durch Mineralwasser decken. Manche Produkte enthalten Milchzucker, obwohl ihn niemand dort vermutet. So verbessert der Zusatz von Magermilch- oder Molkepulver die Haltbarkeit von Brot. Ein kleiner Milchzuckerzusatz in Bratwürsten fördert deren Bräunung beim Braten. Besonders Lactose-reich sind Fertiggerichte wie Instantsuppen oder -soßen sowie Süßwaren wie Schokolade und Sahnebonbons und sogar manche Erfrischungsgetränke. Für Lactose-Empfindliche mit einer Vorliebe für Fertiggerichte können sich die Lactosemengen addieren, denn der Hersteller muss den Zusatz erst ab einer Menge von 2 Prozent deklarieren.

Sojamilch und Reismilch enthalten – anders als ihr Name vermuten lässt – keine Milch und damit auch keinen Milchzucker. Lactosefreie Milchprodukte sind eine weitere Alternative. Bei ihrer Herstellung wird Milch mit bakterieller Lactase versetzt. Diese wandelt Lactose wie die körpereigene Lactase in Glucose und Galactose um. Dies erklärt den süßeren Geschmack. Zu beachten ist allerdings, dass auch manches Lactose-freie Produkt unter 0,1 Prozent Lactose enthält, die sich bei Menschen mit ausgeprägtem oder kongenitalem Lactasemangel nachteilig auswirken kann.

Diätetika schafften Abhilfe

Bereits seit längerem sind Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel in Form von Kapseln oder Kautabletten im Handel, die Lactase enthalten (wie Lactrase®, KeruTabs®, Laluk®plus). Wer außer Haus , zum Beispiel während einer Essens­einladung, eine milchhaltig Speise zu sich nimmt, deren Lactosegehalt sich nur schwer einschätzen lässt, kann sich mit den Kapseln helfen. Da die benötigte Lactasemenge vom Lactosegehalt der Nahrung und der individuellen Bildung körpereigener Lactase abhängt, empfiehlt es sich, die notwendige Dosierung vorab mit bekannten Milchzuckermengen zu testen. Auch ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Tilactase (aus Aspergillus oryzae wie in ­TilactaMed®) in Form von Kautabletten gibt es ­inzwischen. /

E-Mail-Adresse der Verfasserin

maria.pues(at)t-online.de

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