Natürlicher Glamour aus Bad Boll |
21.10.2011 12:16 Uhr |
Von Annette Behr / Mit dem Wechsel in die kalte Jahreszeit haben viele Frauen das Bedürfnis, sich intensiver zu pflegen. Weil ihre Sommerbräune verblasst, greifen sie auch wieder häufiger zu dekorativer Kosmetik. Immer beliebter werden Produkte aus natürlichen Rohstoffen.
»Das Leben ist ein bunter Weg, der seine Geschichten in das Gesicht zeichnet. Spuren, die es schön und einzigartig machen«, heißt die Firmenphilosophie der WALA Heilmittel GmbH, die anthroposophische Heilmittel und die Dr. Hauschka Kosmetik herstellt. Diese Kosmetikserie wird nicht nur den Ansprüchen unterschiedlicher Hauttypen gerecht, vor allem ist sie frei von chemisch-synthetischen Substanzen wie Parabenen, Mineralölen, Silikonen und Polyethylenglykol.
Außerdem werden die Produkte ständig auf ihre dermatologische Verträglichkeit getestet. Der Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel e.V. (BDIH) hat deshalb Dr. Hauschka Kosmetik zertifiziert und ihr das Prüfzeichen für kontrollierte Natur-Kosmetik verliehen. Spätestens seit Schauspielerinnen wie Julia Roberts diese Schönheitspflege entdeckt haben, erlebt die Dr. Hauschka Kosmetik einen ungeahnten Boom. Ihre Produkte sind inzwischen international zu einer der beliebtesten Naturkosmetik-Marken avanciert.
Alles im Rhythmus
Die meisten Menschen verbinden wertvolle Kosmetika mit Metropolen wie London, Mailand oder Paris. Umso bemerkenswerter ist es, dass die hochwertige Kosmetiklinie der WALA aus dem kleinen Kurort Bad Boll am Rande der schwäbischen Alb stammt. Im Jahr 1923 gründete dort der Chemiker Dr. Rudolf Hauschka (1891 bis 1969) das Unternehmen. Hauschka tauschte sich intensiv mit dem Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner (1861 bis 1925) aus und setzte dessen Ideen gemeinsam mit den Erkenntnissen aus eigener Forschung in Präparate um. Die Aussage Steiners „Rhythmus trägt das Leben« prägte die Zukunft Hauschkas. Es gelang ihm, mit Wasser Pflanzenauszüge herzustellen, die ohne Zusatz von Konservierungsstoffen jahrelang haltbar blieben. Aus den rhythmischen Herstellungsverfahren der Pflanzenauszüge entstand der Name des Unternehmens WALA = Wärme-Asche, Licht-Asche.
Die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel begann im Jahr 1935. Unter dem Einfluss der Naturkosmetikerin Elisabeth Sigmund entschloss sich das Unternehmen in den 1960er Jahren schließlich, eine eigene Kosmetikserie zu entwickeln. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium beschäftigte sich Sigmund mit Naturkosmetik. In ihrem kleinen »Salon für die Schönheit« in Stockholm entwickelte sie eine eigene, besondere Kosmetikbehandlung. Schnell war ihr bewusst geworden, dass die Qualität der Berührung wesentlich zum Gelingen einer Anwendung und schließlich dem Wohlbefinden ihrer Kundinnen beiträgt. Daher steht bis heute die Lymphstimulation im Mittelpunkt der Behandlung. Diese regt den Flüssigkeitstransport im Gewebe an, entstaut, entschlackt und fördert die Regeneration. Zusätzlich entdeckte die Kosmetikerin die ausgleichende Wirkung des Wundklees auf die Haut.
So erhielt sie eines Tages eine Einladung von Rudolf Hauschka, ihn in Bad Boll zu besuchen. Beide verstanden sich sofort. Später entwickelte ein Team aus Ärzten, Apothekern und Chemikern anhand ihres Konzeptes das erste Kosmetiksortiment aus Cremes, Ölen und Gesichtswässern mit natürlichen Essenzen. Im Jahr 1967 startete die Produktion noch unter dem Namen »Kosmetik-Präparate nach Elisabeth Sigmund«, später wurde sie in Dr. Hauschka Kosmetik umbenannt und schließlich berühmt.
Regeneration fördern
Das Konzept der Kosmetikherstellung basiert auf einem einfachen und alles prägendem Prinzip: Nach Ansicht der Anthroposophen kann sich die Haut aus eigener Kraft heraus versorgen und regenerieren. Ausgewählte Heilpflanzen können allerdings auf der Haut Heilungsimpulse setzen und so ihre Regeneration unterstützen. Außerdem lebt die Haut in eigenen Rhythmen: Innerhalb von 28 Tagen erneuern sich alle Zellen der obersten Hautschicht. Außerdem verhält sich die Haut tagsüber anders als nachts. Weil sie sich in der Nacht regeneriert, unterstützen fettfreie Pflegeprodukte gerade dann diesen Prozess. »Mit dem Rhythmus pflegen« ist bis heute ein wesentliches Element der kosmetischen Philosophie nach Sigmund. Während der Behandlung werden die Flüssigkeitsströme im gesamten Körper angeregt.
Schmücken und pflegen
Jedes Produkt der dekorativen Kosmetik von Dr. Hauschka ist entwickelt nach dem zweifachen Ansatz: Es soll schmücken und gleichzeitig pflegen. Rudolf Hauschka habe sich jedes Mal gefreut, wenn sie Lippenstift benutzte, so die heute fast 96-jährige Sigmund. Sie begrüßt es sehr, dass 1999 eine komplette dekorative Serie nach ihrem und Hauschkas Konzept auf den Markt kam. »Der Mensch hat zwei Schönheiten – eine innere und eine äußere«, meint sie. Diesen Einklang auf natürliche Weise zu erreichen, ist seit jeher ihr Ziel.
»Aus der Natur für den Menschen« lautet der Wahlspruch für alle Marken aus Bad Boll: angefangen bei den WALA Arzneimitteln über die Dr. Hauschka Kosmetik bis hin zu der Serie Dr. Hauschka Med, die Mund-, Lippen- und Zahnpflegeprodukte umfasst. Außerdem gehören dazu noch Pflegeprodukte für trockene Haut, zum Beispiel für die Zielgruppe der Neurodermitiker.
Zum Konzept der WALA passt, dass der hauseigene, biologisch-dynamisch bewirtschaftete Heilpflanzengarten auf dem Firmengelände liegt. Auf fast fünf Hektar reihen sich dort akkurate Beete aneinander. Einst war der schöne Garten eine sumpfige Wiese, heute liegen Rosen- und andere Blumendüfte in der Luft.
Die Einwohner der Ortsteile Eckwälden und Bad Boll bezweifelten im Jahr 1924 sehr, dass aus einer matschigen Wiese eine derartige Pflanzenwelt entstehen kann. Vermutlich taten damals viele das »Steinersche« Prinzip der landwirtschaftlichen Individualität als Spinnerei ab. Was an einem Ort entstehen kann, darüber entscheidet zwar die Beschaffenheit des Bodens, aber natürlich auch die Menschen. Steiner betrachtete den Garten als einen in sich geschlossenen Kreislauf. Saatgut, Kompost und Aussaaterde stammen weitgehend aus eigener Herstellung. Handarbeit ist wesentlich bei der Beschäftigung mit den Pflanzen. Die WALA-Gärtner arbeiten bei der Aussaat und der Ernte mit den Rhythmen der Natur. Das Ergebnis sind gesunde Pflanzen, die die Basis der WALA-Produkte ausmachen. Neben edlen Rosen werden heute über 150 andere Heilpflanzen, darunter die Ringelblume oder das Ackerstiefmütterchen, angebaut.
Weil nicht alle Pflanzen hierzulande wachsen, unterstützt die WALA Heilmittel GmbH auch biologisch-dynamische Anbauprojekte in der ganzen Welt, beispielsweise in Rumänien, Bulgarien oder Burkina Faso. So fördert das Unternehmen den ihren Grundsätzen entsprechenden Landbau und ermöglicht Bauern in strukturärmeren Ländern ein Leben in mehr Eigenständigkeit und mit mehr wirtschaftlicher Sicherheit.
Qualitätsnarren
Apotheken, die Dr. Hauschka Kosmetik vertreiben möchten, schließen einen Depotvertrag mit dem Unternehmen ab. Danach können sie das komplette Sortiment beziehen, auch alle dekorativen Produkte. In Kaufhaus- und großen Supermarktketten wird man die Kosmetik dagegen nicht finden. »Wir sind Qualitätsnarren und passen nicht in die Massenmärkte«, sagt dazu Dr. Johannes Stellmann aus der Geschäftsführung . Dieses sei nicht möglich und zudem nicht gewollt, denn die hochwertigen Rohstoffe wären in den dann erforderlichen Mengen gar nicht verfügbar.
In diesem Buch werden zwölf Firmen vorgestellt, bei deren Gründung oder Führung die Anthroposophie eine zentrale Rolle spielt, darunter die Bio-Supermarktkette Alnatura, der Anbieter von Naturbekleidung hessnatur, die GLS Bank und der Arzneimittelhersteller Wala. Diese Firmen zeigen, wie sich der anthroposophische Geist im Business manifestiert – unaufdringlich, aber in seinen Werten kompromisslos, nicht vom Kommerz getrieben, aber materiell erfolgreich. Ein Buch für alle Unternehmer und an nachhaltigem Konsum Interessierten, die mehr über vom Kapitalmarkt unabhängige Unternehmen erfahren wollen, über nachhaltige Produktionsprozesse und über Mitarbeiterführung, die ohne Motivationsstrategien auskommt, weil menschliche Entfaltung zum Unternehmensziel gehört.
Kapital = Geist. Pioniere der Nachhaltigkeit: Anthroposophie in Unternehmen. Zwölf Porträts. Von Jens Heisterkamp, info3-Verlagsgesellschaft Brüll & Heisterkamp KG, Frankfurt a.M., 2010, 176 Seiten, ISBN 987-3-924391-42-3, 24,- Euro. Zu bestellen beim Govi-Verlag unter Tel. 06196 928257, per E-Mail unter service(at)govi.de oder unter www.govi.de
Den wirtschaftlichen Erfolg der Firma spiegeln folgende Zahlen wider: Im Jahr 1983 erwirtschaftete die WALA 17 Millionen D-Mark, im Geschäftsjahr 2008 103 Millionen Euro. Übernahmeangebote für das florierende Unternehmen gäbe es genügend, bestätigte Stellmann. Die WALA hat daran allerdings kein Interesse, denn sie ist unverkäuflich. Seit 1983 fließen die Gewinne in die hauseigene Stiftung. Die 4500 Arzneimittel werden beispielsweise darüber mitfinanziert, denn die medizinischen Produkte machen nur circa ein Viertel des Gesamtumsatzes aus. Unter rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Aufwand ihrer Produktion eigentlich zu hoch, doch der anthroposophische Gedanke macht es möglich: Er ist eine Weltanschauung, die bei WALA gelebt wird. /