Rezidivrate senken |
21.10.2011 12:37 Uhr |
Von Elke Wolf / Manchmal entwickelt sich eine Harnwegsinfektion zum Dauerbrenner. Bei rund einem Fünftel der Patientinnen kehren die Beschwerden mindestens zwei- bis dreimal im Jahr wieder. Arzneimittel aus der Selbstmedikation helfen, die Rezidivrate zu senken.
Die Übeltäter für ständig neue Harnwegsinfekte sind eindeutig ausfindig gemacht: Faktoren, die die natürliche Vaginalflora angreifen. Bei Frauen vor der Menopause erhöht die Frequenz des Geschlechtsverkehrs das Infektionsrisiko ebenso wie die Einnahme eines Antibiotikums, ganz gleich für welche Indikation. Nach der Menopause sorgt der Estrogenmangel neben organischen Veränderungen wie Blasenentleerungsstörungen oder Inkontinenz hauptsächlich für häufige Rezidive von Zystitiden.
Kehren die Symptome innerhalb von zwei Wochen zurück, konnte der Erreger trotz Therapie nicht komplett eliminiert werden, auch wenn die Behandlung zunächst erfolgreich schien. Tritt das Rezidiv später als 14 Tage nach der Primärtherapie auf, geht es auf eine erneute Infektion aus demselben Keimspektrum zurück. Dies trifft auf etwa 90 Prozent der Rezidive zu. Darm- und Vaginalflora bilden hierfür das Erregerreservoir. Das Erregerspektrum unterscheidet sich von dem der unkomplizierten, nicht rezidivierenden Zystitis. Beispielsweise kommt Escherichia coli (E. coli) dann weniger häufig vor, sondern vielmehr Problemkeime, vor allem grampositive Erreger.
Die Primärbehandlung des Rezidivs leitet der Arzt ein, bevor ihm das Ergebnis der Urinkultur vorliegt. Häufig geht der Arzt davon aus, dass die auslösenden Keime gegenüber dem Primärtherapeutikum resistent sind und verordnet ein anderes Antibiotikum. Die Therapiedauer beträgt mindestens zehn Tage. Ist eine Neuinfektion wahrscheinlich, kann das Antibiotikum meist kurzzeitig weiter eingenommen werden.
Rezidive nicht aufkeimen lassen
Direkt nach der Akuttherapie ist eine Rezidivprophylaxe sinnvoll. Dafür hat sich in kontrollierten Untersuchungen die Langzeiteinnahme bestimmter Antibiotika bewährt. Dann nehmen die Patienten für drei Monate bis zu einem Jahr ein Viertel jener Dosis ein, die zur Behandlung einer akuten Harnwegsentzündung üblich ist. Tipp: PTA oder Apotheker sollten die abendliche Einnahme empfehlen. Dadurch werden während der langen nächtlichen Urinspeicherphase wirksame Antibiotikaspiegel in der Blase aufgebaut.
Mittel der ersten Wahl sind Nitrofurantoin (50 mg) und Trimethoprim (50 mg). Diese Arzneistoffe senken die Häufigkeit der Rezidive um bis zu 95 Prozent: von durchschnittlich 2 bis 3 auf 0,1 bis 0,2 Harnwegsentzündungen pro Jahr. Unbefriedigend ist jedoch die Compliance: Mehr als die Hälfte der Patienten bricht die Prophylaxe ab, und rund 60 Prozent erkranken danach wieder genauso oft wie ursprünglich.
Deutlich effektiver schützt die vaginale Applikation von Estrogenen. Diese prophylaktische Maßnahme leuchtet sofort ein, gilt doch die postmenopausal veränderte Vaginalflora als wesentliche Ursache für die Harnwegsprobleme. So konnte durch die lokale Behandlung mit Estriol die Infektanfälligkeit der Frauen nach der Menopause im Vergleich zur Kontrollgruppe von jährlich 5,9 auf 0,5 Episoden gesenkt werden. Und das dauerhaft.
Scharfstoffe gegen Bakterien
Auch die rezeptfreie Fixkombination aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel (Angocin®) vorbeugend einzunehmen, hat sich in Studien als sinnvolle Alternative zur Dauereinnahme von Antibiotika erwiesen. Die in den beiden Heilpflanzen enthaltenen Senföle senkten in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie die Zahl der Rezidive im Vergleich zu Placebo signifikant. Teilgenommen haben 131 Patienten mit einer akuten Zystitis und mindestens zwei Infekten im letzten halben Jahr und normalerweise mehr als drei Infekten pro Jahr. Gegen den akuten Infekt erhielten die Probanden eine Woche lang Cotrimoxazol oder Ciprofloxacin. Durch diese Arzneistoffe klang der Infekt bei 103 von 131 Patienten klinisch und bakteriologisch ab. Diese 103 nahmen zur Prophylaxe ein Vierteljahr randomisiert entweder täglich zweimal 2 Tabletten des Phytopharmakons oder Placebo. Nach drei Monaten lag die Rezidivrate in der Verumgruppe bei 43 Prozent und in der Placebogruppe bei 77 Prozent. Diese signifikante Überlegenheit blieb auch während der Nachbeobachtungsphase von 180 Tagen bestehen. Die Nebenwirkungsrate lag auf Placeboniveau.
Pflanzen produzieren Senföle zu ihrem eigenen Schutz, zum Beispiel vor Fraßschäden oder als Abwehr gegen pathogene Mikroorganismen. Mediziner des Universitätsklinikums Freiburg bescheinigen den sekundären Pflanzenstoffen ein breites antibakterielles Wirkspektrum gegenüber 13 klinisch relevanten bakteriellen Erregern, sogar gegen Problemkeime wie MRSA. Dabei sind sie in etwa gleich wirksam gegen die multiresistenten und die nichtresistenten Phänotypen von Staphylococcus aureus. Daher bieten sich Präparate mit Senfölen also auch beim Nachweis von resistenten Erregern als Behandlungsoption an.
Beeren für die Blase
Zur Prophylaxe häufig wiederkehrender Harnwegsinfekte werden auch die Inhaltsstoffe von Cranberrys (wie TUIM® urofemin) empfohlen. Nach derzeitigem Kenntnisstand verhindern die im Saft oder Extrakt der Cranberrys enthaltenen Tannine (Pro- und Anthocyanidine), dass sich Bakterien am Zellgewebe der Harnwege anhaften können. So verfügt E. coli beispielsweise über P-fimbrale Adhäsine, mit denen er an die Zellwand der Harnwege andockt. Die Tannine sind in der Lage, selbst an die Adhäsine zu binden und blockieren somit die Adhäsion.
Eine Analyse der Cochrane Collaboration von zehn kontrollierten Studien mit über 1000 Teilnehmern ergab, dass Cranberrys als Fruchtsaft getrunken oder als Extrakt in Kapsel- oder Tablettenform eingenommen die jährliche Inzidenz von Infektionen des Harntrakts um 35 Prozent verringern. Am stärksten profitierten dabei Frauen mit rezidivierenden Zystitiden: In dieser Gruppe nahm die Infektrate signifikant um 39 Prozent ab. Dagegen spricht eine aktuelle randomisierte placebokontrollierte Studie, die in diesem Jahr veröffentlicht wurde, den Cranberrys einen prophylaktischen Effekt auf Rezidive ab. Ungeklärt ist zudem die Frage der optimalen Dosierung.
Festzuhalten bleibt: Derzeit werden alle in Deutschland verfügbaren Cranberry-Präparate als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Ein zugelassenes Arzneimittel mit Cranberry-Tanninen gibt es nicht. /