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Schlaflabor

Diagnostik im Reich der Träume

Datum 06.06.2016  15:34 Uhr

Von Michael van den Heuvel / Im Schlaflabor erfassen Ärzte während der Nachtruhe ihrer Patienten zahlreiche Parameter. Aus diesen Daten ziehen sie nicht nur Rückschlüsse auf deren Schlafqualität, sondern auch auf mögliche Krankheiten. Manchmal nutzen Forscher bei Arzneimittelstudien ebenfalls ein Schlaflabor.

Der Schlaf gehört zu den Grundbedürfnissen von Menschen. Ist er nicht erholsam, fühlen sich die Betroffenen am nächsten Tag wie gerädert. Schätzungsweise jeder zehnte Erwachsene klagt immer einmal wieder über Schlafstörungen. Wenige leiden dauerhaft unter diesem Problem. Bei manchen wirkt sich eine Grunderkrankung negativ auf die Nachtruhe aus. Fragt ein Patient in der Apotheke nach einem Arzneimittel gegen leichte Schlafstörungen, können PTA und Apotheker aus zahlreichen Präparaten auswählen. Bestehen die Beschwerden allerdings schon lange, sollten die Patienten ärztlichen Rat einholen.

In manchen Fällen überweist sie der Arzt dann in ein Schlaflabor. Zu dieser Form der Diagnostik raten die Autoren der Leitlinie »Nicht erholsamer Schlaf – Schlafstörungen« bei Patienten mit therapieresistenten Schlafstörungen, aber auch beim Schlaf-Apnoe- oder Restless-Legs-Syndrom sowie bei Epilepsie.

In Deutschland hat die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM) insgesamt 320 Schlaflabore akkreditiert. Diese decken jedoch den Bedarf bei weitem nicht ab, sodass manche Patienten mehrere Wochen oder Monate auf einen Termin warten müssen.

Die Einrichtungen bestehen aus einzelnen Zimmern oder Kabinen, meist innerhalb einer großen Klinik. Vor Beginn der Nachtruhe werden den Patienten zahlreiche Sensoren angelegt, um den Blutdruck, den Puls, die Sauerstoffsättigung, die Muskelspannung, Augen- und Fußbewegungen, die Gehirnströme, die Atmung oder die Erek­tion zu erfassen. Eine Infrarotkamera und ein Mikrofon halten weitere Auffälligkeiten fest. Alle Daten laufen in einem separaten Raum auf Computern zusammen. Aus den so erstellten Polysomnogrammen entnehmen Ärzte die Details, die sie für die jeweilige Diagnostik benötigen. Je nach Fragestellungen sind Experten unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt. Damit die Messung nicht verfälscht wird, erfahren die Patienten vorab, dass sie nach 14 Uhr des Untersuchungstages auf Alkohol und Coffein-haltige Getränke verzichten sollen.

Das Gehirn beobachten

Meist konzentriert sich die Arbeit in den Schlaflaboren darauf, den Grund einer Schlafstörung herauszufinden. Per Elektroenzephalogramm (EEG) werden die Hirnaktivitäten gemessen. Für den Wachzustand charakteristisch sind Betawellen der Frequenz von 14 bis 30 Hz. Die Einschlafphase (Stadium I) ist durch sehr leichten Schlaf gekennzeichnet. Der Körper entspannt sich, Atmung und Puls werden gleichmä­ßiger. Im Stadium I treten im EEG sogenannte Thetawellen mit einer Frequenz von 4 bis 7 Hz auf. In der Phase des leichten Schlafes (Stadium II) lässt die Muskelspannung weiter nach. Typisch für diese Phase sind Muskelzuckungen. Das EEG registriert dann spezielle Wellenmuster, sogenannte Schlafspindeln und K-Komplexe. Das Stadium III führt ins Stadium IV, den Tiefschlaf. Erst hier findet die Erholung statt.

Jeweils nach 60 bis 90 Minuten beginnt der REM-Schlaf (REM steht für Rapid Eye Movement). Dann bewegen sich die Augen sehr schnell – auch hinter geschlossenen Lidern sichtbar, und das Gehirn ist aktiv. Menschen, die im REM-Schlaf geweckt werden, erinnern sich besonders häufig an Träume. Auf den REM-Schlaf folgt wieder leichter Schlaf. In dieser Reihenfolge wechseln sich die Schlafphasen während der Nacht ab (siehe Grafik). Bei Patienten mit Schlafstörungen finden Ärzte im Schlaflabor andere Muster. Ihre Einschlafphase ist deutlich verlängert, und sie wachen während des Stadiums IV häufig auf.

Ein Grund für die Überweisung in ein Schlaflabor ist außerdem die sogenannte obstruktive Schlafapnoe (OSA). Die Betroffenen schnarchen nachts sehr laut, und ihr Atem setzt regelmäßig aus. Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe ringen im Schlaf ständig nach Luft. Das belastet nicht nur die Partnerin oder den Partner, sondern auch das Herz. Durch die wiederholten Atemaussetzer oder Phasen, in denen die Betroffenen unzureichend einatmen, sinkt die Sauerstoffkonzentration im Blut rasch ab. Die Atemaussetzer wecken den Schlafenden auf und verhindern so, dass er erstickt.

Gefährliche Pausen

Das ständige Wachwerden hat zur Folge, dass sich die Betroffenen trotz ausreichender Bettruhe morgens wie gerädert fühlen. Sie können sich aber nicht erklären, warum ihr Schlaf so wenig erholsam war. Tagsüber sind sie müde und schläfrig. Sie nicken oft für Sekunden ein und verursachen so mitunter schwere Verkehrsunfälle. Kardiologen schätzen, dass OSA langfristig das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle um den Faktor drei bis vier erhöht.

Finden Ärzte im Schlaflabor Hinweise auf eine Schlafapnoe, erhalten die Pa­tienten meist ein CPAP-Atemtherapiegerät (Continuous Positive Airway Pressure). Dieses erzeugt einen leichten Überdruck von 5 bis 20 Millibar. So verhindert es, dass die Atemwege zusammenfallen und damit auch das Schnarchen. Die Patienten müssen während der Nacht eine spezielle Atemmaske tragen, was die meisten zu Beginn stört. Mittelfristig gewöhnen sich fast alle Betroffenen daran. Reicht diese Methode nicht aus, wird der Rachenraum mit Stents geschient. In seltenen Fällen müssen vergrößerte Rachen- oder Gaumenmandeln operativ entfernt werden.

Kontrollverlust am Tag

Deutlich seltener weisen Ärzte Patienten mit Narkolepsie in ein Schlaflabor ein. An dieser Krankheit leiden bundesweit rund 40 000 Menschen. Nach Ausschluss organischer Erkrankungen lautet die Diagnose: idiopathische Narkolepsie. Die Erkrankten sind tagsüber extrem schläfrig und manche verlieren vorübergehend die Kontrolle vor allem über die Nacken- und Kniemuskeln, ohne dass ihr Bewusstsein beeinträchtigt ist. Den Kontrollverlust bezeichnen Ärzte als Kataplexie. Patienten mit Narkolepsie kämpfen außerdem mit Durchschlafstörungen.

Im Schlaflabor werden bei diesen Patienten zwei zusätzliche Untersuchungen durchgeführt. Beim multiplen Schlaflatenztest (MSLT) sollen sie versuchen, innerhalb von 20 Minuten einzuschlafen. Der multiple Wachbleibetest (MWT) verfolgt genau das Gegenteil: Hierbei sollen die Patienten trotz entspannter Körperhaltung 40 Minuten lang wach bleiben. Beide Untersuchungen folgen – wie der Name erkennen lässt – mehrfach aufeinander.

Gegen Tagesmüdigkeit verschreiben Ärzte Methylphenidat oder Modafinil. Gegen Kataplexien helfen trizyklische Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder das Natriumsalz der 4-Hydroxybutansäure. Von dieser medikamentösen Therapie profitieren die Patienten in mehrfacher Hinsicht. Unter anderem senken die Arzneimittel deutlich das Risiko, einen Verkehrsunfall zu verursachen. Außerdem verbessert sich ihre Stoffwechsellage.

Ruhelos im Bett

Auch das Restless-Legs-Syndrom (RLS) lässt sich im Schlaflabor exakt nachweisen. Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent aller Menschen in Deutschland leiden unter dieser neurologischen Erkrankung. Typische Symptome sind Gefühlsstörungen und Bewegungsdrang in den Beinen und Füßen, weniger häufig auch in den Armen.

In der Regel lindert Bewegung die Beschwerden, Ruhe, vor allem abends oder nachts, verstärkt diese. An Schlaf ist oft nicht zu denken. Deshalb klagen RLS-Patienten hauptsächlich über Müdigkeit, Konzentrationsstörungen sowie Leistungsschwäche.

Als Ursachen kommen Polyneuropathien, Schwangerschaft, Nierenerkrankungen, Rheuma, aber auch Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Eisenmangel infrage. Manche Neuroleptika oder Antidepressiva lösen ebenfalls RLS-Symptome aus. Gegen die Beschwerden verschreiben Ärzte den Betroffenen primär L-Dopa in Kombina­tion mit einem Decarboxylasehemmer wie Benserazid. Weitere Möglichkeiten sind Dopaminagonisten, Antikonvul­siva oder Opioide.

Erektile Dysfunktion

Auf der Suche nach den Ursachen einer erektilen Dysfunktion helfen Messungen im Schlaflabor ebenfalls weiter. Bei der Phallografie wird ein spezielles Messinstrument, das Erektometer, am Penis des Patienten befestigt, das fortlaufend dessen Umfang und Steifigkeit bestimmt. Ein gesunder Mann hat pro Nacht zwischen einer und fünf Erektionen, die zwischen 15 und 40 Minuten dauern. Die oft zitierte Morgenerek­tion ist lediglich die letzte Schlaferek­tion. Finden Ärzte nächtliche Erektionen bei einem Patienten mit erektiler Dysfunktion, hat sein Leiden wahrscheinlich psychische Ursachen.

Aus der Forschung

Auch bei klinischen Studien nutzen Forscher die Polysomnographie, um die Wirkung von Substanzen auf die Schlafphasen und die Schlafqualität zu testen. So untersuchten sie beispielsweise, wie extern zugeführtes Melatonin den Schlaf beeinflusst. Das körpereigene Hormon steuert normalerweise den Tag-Nacht-Rhythmus. Im Vergleich mit Placebo verkürzte es im Schlaflabor die Einschlafzeit der Probanden und verbesserte deren Schlafqualität. Beim Jetlag-Symptom war der Effekt deutlich schwächer.

In einem anderen Experiment zeigten Forscher des Universitätsklinikums Freiburg kürzlich, dass Schlafen Erinnerungen zwar festigt, aber diese nicht mit anderen Gedächtnisinhalten neu vernetzt. Außerdem bestätigen Wissenschaftler der Universitäten Zürich und Freiburg, dass niemand im Schlaf Neues lernen kann. Dennoch sei es wirkungsvoll, so die Forscher, tagsüber gelernte fremdsprachige Wörter sich zu nächtlicher Stunde noch einmal anzuhören – am besten kurz vor dem Schlafengehen. /

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