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Hypnose

Renaissance eines alten Heilrituals

Datum 06.06.2016  15:34 Uhr

Von Nicole Schuster / Seit die Wirkung von Hypnose als Therapieform wissenschaftlich bestätigt ist, findet sie vielfältige Anwendungen, beispielsweise zur Raucherentwöhnung und Schmerzreduktion sowie zur Behandlung von psychosomatischen Störungen. Die gesetzlichen Kranken­kassen übernehmen allerdings nur in Ausnahmefällen die Kosten der Behandlung.

Hypnose kommt vom altgriechischen Wort hypnos und bedeutet Schlaf. Tatsächlich handelt es sich nicht um einen wirklichen Schlaf, sondern um einen Zustand des tief entspannten Wachseins mit fokussierter Aufmerksamkeit. In hypnotischer Trance sind Menschen besonders empfänglich für Beeinflussungen von außen. Dieser Effekt ist für Außenstehende so faszinierend, dass Hypnotiseure ihn in Bühnenshows vorführen. In diesen Situationen machen Hypnotisierte auf Anweisung Dinge, die sie bei vollem Bewusstsein höchstwahrscheinlich nicht täten. Diese sehr effektvoll inszenierte Hilflosigkeit und das Ausgeliefertsein an einen Anderen, völlig Fremden schaden dem Ruf der Hypnose als anerkannte Therapieform, nicht zuletzt, weil die Szenerie vielen Zuschauern Angst macht.

Diplom-Psychologin Dr. Helga Hüsken-Janßen, Vize-Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V., beruhigt daher gegenüber PTA-Forum: »Im klinischen Kontext wird Hypnose ausschließlich zum Wohle der Personen angewandt. Showhypnose ist dagegen auf den Effekt ausgerichtet. Sie hat mit klinischer Heilhypnose wenig gemeinsam.« Warum Menschen auf der Bühne bereit sind, sich selbst bloß zu stellen, erklärt sie so: »Es spielen dabei neben der möglicherweise vorhandenen suggestiven Fähigkeit des Hypnotiseurs die Bereitschaft der beteiligten Personen, sich auf der Bühne zu exponieren, die Tendenz zu – in der jeweiligen Situation – sozial erwünschtem Verhalten und die besondere Faszination dieser Showsituation eine sehr große Rolle.«

Konkretes Ziel

In Deutschland bieten etwa 10 000 Psychologen und Mediziner die Hypnotherapie an. Sie ist in der Regel auf ein konkretes Ziel ausgerichtet, beispielsweise um Patienten zu helfen, bestimmte Ängste zu überwinden. Erfahrungs­gemäß reichen meist nur wenige Sitzungen aus, um dieses Ziel zu erreichen.

Neben Phobien wie Lampenfieber, Flugangst oder extremer Prüfungsangst sind auch Schlafstörungen, Suchterkrankungen und sexuelle Störungen durch Hypnose therapierbar. Psychotherapeuten setzen die Methode außerdem ein, um beispielsweise unbewusste emotionale Konflikte aufzudecken oder zu Gefühlen beziehungsweise Erkenntnissen vorzudringen, die im bewussten Zustand nur schwer zugänglich sind. »Ein wichtiges Anwendungsgebiet sind psychosomatische Störungen. Hypnose hat sich hier therapeutisch unter anderem bei Herz-Kreislauf-Problemen, bei chronischen Schmerzen, Magen-Darm-Erkrankungen, Hauterkrankungen wie Neurodermitis sowie Erkrankungen der Atemwege und des Nervensystems bewährt«, sagt Hüsken-Janßen.

Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit belegt die Wirksamkeit und Sicherheit hypnotischer Techniken zur Behandlung somatischer Störungen. Sie bestätigt zudem, dass die Hypnotherapie bei Operationen und bei Reizdarmbeschwerden ein wirkungsvolles Verfahren ist. Bei Operationen dient sie vor allem dazu, ergänzend zu modernen Narkoseverfahren, Angst und Stress des Patienten zu verringern. So war beispielsweise die Hypnotherapie einer Standardtherapie bei der Behandlung emotionaler Belastungen und Schmerzen überlegen. Außerdem verkürzte sie die Genesungsdauer und verringerte den Medikamentenverbrauch nach medizinischen Eingriffen.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Zahnmedizin. Speziell ausgebildete Zahnärzte können durch Hypnose Patienten in einen Zustand versetzen, in dem diese ohne Betäubungsspritze keine Schmerzen mehr wahrnehmen. Auch zur Behandlung von nächtlichem Zähneknirschen (Bruxismus) wenden sie das Verfahren an. Einige Schwangere, die von den Möglichkeiten der Hypnose erfahren haben, wünschen diese zur Schmerzlinderung und Entspannung während der Geburt. Außerdem hat sich Hypnotherapie in der Raucherentwöhnung als wirksam erwiesen. Für manche Raucher, die schon mehrfach erfolglos versucht haben, den Zigarettenkonsum aufzugeben, könnte die Methode eine Alternative sein.

Doch Hypnotherapie erzielt nicht nur kurzfristige Erfolge: Moderne wissenschaftliche Untersuchungsmethoden zeigen, dass sie nachwirkt. Diese posthypnotischen Suggestionen lassen sich mit bildgebenden Verfahren sichtbar machen, denn im Gehirn hat sich die Verarbeitung von Informationen nachweisbar verändert. Dieser Effekt kann genutzt werden, um nachhaltige Änderungen zu erzeugen.

Körpermotorik aktiv

Hypnose lässt sich als ein Zustand zwischen Wachsein und Schlafen beschreiben. Anders als im gewöhnlichen Schlaf sind in hypnotischer Trance weiterhin die für die Körpermotorik zuständigen Hirnareale aktiv. Daher führt der Hypnotisierte, wenn auch unbewusst, Bewegungsbefehle aus. Kognitive Kontrollmechanismen des Hirns sind dabei allerdings inaktiv. Die nachvollziehbare Angst vor einem Kontrollverlust ist zumindest bei der klinischen Hypnose unbegründet, wie Hüsken-Janßen bestätigt: »Ärzte wenden das Verfahren an, um Ressourcen des Patienten zu aktivieren und zugänglich zu machen, die zum Erreichen des jeweiligen Therapieziels erforderlich sind. Es geschieht nichts ohne sein Einverständnis. Der Patient behält die Kontrolle, wird nicht zu Verhalten aufgefordert, das ihm schadet oder ihn bloßstellt.«

Im veränderten Bewusstseins­zustand des Patienten kann der Mediziner dessen Erinnerungen, Wahrnehmung und Verhalten verändern und dadurch Süchten oder Ängsten entgegenwirken. Im Trancezustand Erfahrenes durchlebt der Patient wie reales Geschehen. Diesen Zustand nutzt der Hypnotherapeut, um festgefahrene Prozesse und alte, negativ besetzte Erlebnisse durch positive Erfahrungen zu ersetzen. Dabei kann er auch auf vorhandene Erinnerungen zurückgreifen, die dem Patienten aber nicht bewusst sind. Wer beispielsweise Angst hat, vor vielen Menschen zu sprechen, den bringt der Arzt unter Hypnose dazu, eine entsprechende Situation zu durchleben. Gleichzeitig sorgt er aber dafür, dass sein Patient dabei angstfrei ist und positive Gefühle empfindet, die er bislang mit anderen Situationen asso­ziierte. So will der Therapeut bleibende Verhaltensänderungen herbeiführen. Um den Effekt zu unterstützen, leiten Ärzte Betroffene oft an, auf bestimmte Reize oder Situationen im Alltag mit neuen Gefühlen und Handlungen zu reagieren, indem sie sich gezielt an Suggestionen und Erfahrungen aus der Therapie erinnern.

Qualifizierte Therapeuten

Nicht jeder lässt sich gleichermaßen gut in den Trancezustand versetzen. »Damit jemand hypnotisierbar ist, muss er über eine gewisse Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, und eine gewisse Vorstellungsfähigkeit verfügen«, so die Expertin.

Etwa 10 Prozent aller Menschen gelten als hoch hypnosefähig. Ungefähr genauso viele erweisen sich als wenig suggestibel und lassen sich kaum oder gar nicht hypnotisieren. Bei den meisten Menschen reiche das durchschnittliche Maß der Empfänglichkeit in der Regel für eine Hypnotherapie aus, so die Expertin. Voraussetzung ist, dass der Therapeut erfahren ist und sich auf den jeweiligen Patienten einstellen kann. Allerdings kann niemand gegen seinen eigenen Willen hypnotisiert werden. Vertrauen zum Therapeuten und die Hoffnung auf den Erfolg der Behandlung sind Voraussetzungen dafür, dass das Verfahren wirken kann.

Zudem sollten sich die Patienten nur in die Hände eines qualifizierten und verantwortungsvollen Therapeuten begeben. »Ein Qualitätsmerkmal ist, dass der Arzt oder Psychotherapeut die Zusatzqualifikation in Hypnose/Hypnotherapie hat, die bei einer seriösen Hypnosegesellschaft in Form einer soliden Hypnoseausbildung erworben werden kann«, erklärt Hüsken-Janßen. Entsprechend qualifizierte Fachleute wüssten auch, dass Hypnose zwar bei manchen Erkrankungen oder in bestimmten Ausgangssituationen nicht grundsätzlich kontraindiziert ist, dass sie diese dann aber sehr vorsichtig und auf besondere Weise anwenden müssen. Die deutschen gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Hypnose nur dann, wenn sie im Rahmen einer Verhaltenstherapie angewandt wird.

Selbsthilfetechnik

Um in einen hypnotisierten Zustand zu gelangen, bedarf es nicht zwingend der Hilfe eines anderen. So kann beispielsweise ein Mensch, der das Verfahren beherrscht, inmitten eines stressigen und belastenden Umfelds das Gefühl bewusst erzeugen, eine sehr schöne und vor allem sehr entspannende Situation zu durchleben. Dadurch gewinnt er emotional Abstand vom realen Stress und kann auf diese Weise besser damit umgehen. Eine ähnliche Methode besteht darin, schwierige Gespräche vorab in Gedanken in einem gefühlsmäßig entspannten und guten Zustand durchzuspielen und sie dann mit einem Gefühl der inneren Stärke zu führen.

»Bei Selbsthypnose ist ein Teil des Bewusstseins mit der Steuerung des Übungsablaufs beschäftigt. Je geübter jemand darin ist, umso automatisierter kann es ablaufen, sodass es von Mal zu Mal leichter gelingt«, erklärt Hüsken-Janßen. Die meisten Menschen, die noch nicht so sehr in Selbsthypnose geübt sind, empfänden es jedoch als angenehmer und vor allem einfacher, wenn ein Hypnotherapeut sie anleitet. »Selbsthypnose muss aber dennoch nicht schwächer wirken als Fremdhypnose.«

In den letzten Jahren hat das öffentliche Interesse an den vielfältigen Möglichkeiten der Hypnotherapie zugenommen. »Es werden mehr und mehr Informationen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse bekannt. Die moderne Medizin erforscht ständig neue Einsatzgebiete«, freut sich die Expertin. /

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