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Clevere Pillen

Medikamente der Zukunft

30.05.2018  11:36 Uhr

Von Annette Immel-Sehr / Die digitale Vernetzung gehört in den Apotheken längst zum Alltag. Eine Digitalisierung von Medikamenten klingt dagegen noch unwirklich. Doch schon heute können winzige Chips in Tabletten und Kapseln genutzt werden, um die Therapietreue des Patienten zu kontrollieren oder die Freisetzung des Wirkstoffs zu steuern.

Im Herbst des vergangenen Jahres erteilte die US-amerikanische Aufsichtsbehörde Food and Drug Adminstration (FDA) einem Medikament die Zulassung, das neben dem Wirkstoff Aripiprazol einen winzigen Sensor enthält. Die Technologie stammt von der kalifornischen Firma Proteus Digital Health. Bereits 2012 gaben die FDA und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) grünes Licht dafür, die neuartige Sensortechnologie in Placebos zu testen.

Der Silizium-Chip von der Größe eines Sandkorns enthält Spuren von Magnesium und Kupfer. Kommt er mit der Magensäure in Berührung, sendet er ein schwaches elektrisches Signal an ein Pflaster, das der Patient auf dem Brustkorb trägt. Die Daten lassen sich mit einer speziellen App vom Pflaster auf Mobilgeräte auslesen. So können der behandelnde Arzt oder Angehörige – die Zustimmung des Patienten vorausgesetzt – über die Einnahme informiert werden.

AbilifyMyCite, so heißt das neuartige Psychopharmakon, ist zugelassen zur Behandlung von Schizophrenie und bipola­ren Störungen – zwei Erkran­kungen, bei denen die Adhärenz der Patienten häufig sehr schlecht ist. Abilify­MyCite soll vorerst nur bei einer ­begrenzten Anzahl von Patienten in den USA angewendet werden, um ­zunächst einmal Erfahrungen zu sammeln. Ganz ausgereift ist die Technik offenbar noch nicht, denn das Signal wird erst mit einiger Verzögerung oder manchmal auch gar nicht übertragen. Vor allem bleibt abzuwarten, ob die ­Patienten eine solche Art der Kontrolle akzeptieren und wie Ärzte eigentlich handeln, wenn sie eine Zeitlang kein Einnahme-Signal erhalten haben. Der Beweis einer Therapieverbesserung durch diese Anwendung steht noch aus.

Die Zulassung von AbilifyMyCite fand ein großes Medien-Echo, auch in Europa. Die Reaktionen waren eher skeptisch bis ablehnend. In den Beiträgen heißt es beispielsweise: »Der Spion in mir« oder »Wenn wir eine Pille nicht nehmen, erfährt es unser Arzt sofort« oder »Big brother is watching you, take your medicine«. Dem Hersteller geht es nach eigenen Angaben vor allem darum, den Arzt zu unterstützen. Die Therapie soll effektiver werden, indem der Arzt bei Non-Compliance mit dem Patienten spricht oder die Medikation ändert, wenn trotz nachgewiesener Einnah­me der gewünschte Effekt ausbleibt.

Doch unabhängig davon, ob AbilifyMyCite eines Tages als Durchbruch in der Compliance-Förderung oder als Flopp in die Geschichte eingehen wird – das Präparat ist ein Meilenstein, dem mit Sicherheit weitere Medikamente folgen werden.

Spritze und Infusion ersetzen

Technologisch deutlich aufwendiger sind die Systeme, die die Firma Rani Therapeutics in San José, Kalifornien, entwickelt hat. Hier geht es nicht in erster Linie um Therapiekon­trolle, sondern um die Bestimmung bestimmter Faktoren im Körper und die gezielte Wirkstoffapplikation. Die gemessenen Daten übermitteln die smarten Pillen an Smartphones oder Computer. Von besonderem Interesse für Rani Therapeutics sind große Moleküle wie Proteine, Peptide und Antikörper, die bislang gespritzt oder per Infusion gegeben werden müssen. Die Forscher haben eine Pille entwickelt, in der winzige, mit Wirkstoff gefüllte Körper in eine Kapsel gepackt werden. Sie werden im Darm freigesetzt, ankern mit Hilfe eines ausgeklügelten Mechanismus in der Darmwand, wo sie sich auflösen und der Wirkstoff in die Blutbahn gelangt. Der Rest der Kapsel wird wieder ausgeschieden. Präklinische Studien haben eine 50-prozentige Bioverfügbarkeit ergeben, heißt es auf der Homepage der Firma. Rani Therapeutics ­arbeitet mit großen Pharmaunternehmen zusammen. Auf erste Fertigarzneimittel mit dieser Technologie darf man gespannt sein.

Punktgenau applizieren

Ein anderes neuartiges System stammt aus Europa. Die Entwicklung begann vor vielen Jahren beim Medizin­technikkonzern Philips im niederländischen Eindhoven. Die sogenannte IPill kann mithilfe von Sensoren die Tempera­tur und den pH-Wert auf ihrem Weg durch den Verdauungstrakt ermitteln und die Daten an einen ­Kontroll-Computer senden. Anhand der Werte lässt sich der optimale Punkt ermitteln, an dem die Kapsel den Wirkstoff freisetzen soll. Seit 2011 wird die Technologie unter dem Namen IntelliCap von der eigens gegründeten Firma Medimetrics weiterentwickelt. Zielgruppe ist die Pharmaindustrie, die IntelliCap für die Forschung nutzt, beispielsweise, um mehr über die Eigenschaften neuer Wirkstoffe zu erfahren. IntelliCap liefert hilf­reiche Daten, die bislang nicht oder nur mit wesentlich mehr Aufwand ermittelt werden konnten.

Ein Anwendungsgebiet für IntelliCap könnten chronische Darmentzündungen sein. Bei jedem Patienten ist die Entzündung im Darm unterschiedlich lokalisiert und ihre Stärke schwankt im Krankheitsverlauf. Die gezielte Appli­kation des Wirkstoffs genau am Entzündungs­geschehen und die be­darfs­genaue Dosie­rung je nach Ent­zündungs­situa­tion würden die Therapie effektiver und verträglicher machen. Doch das ist noch Zukunfts­musik.

Mittlerweile können smarte Kapseln nicht nur zielgerichtet Wirkstoffe in den Körper transportieren, sondern auch Proben aus dem Darm entnehmen. Man könnte sie dazu einsetzen, um Informationen über die Darmflora zu erhalten oder Darmkrebs frühzeitig zu erkennen. Außer den hier vorgestellten neuen Systemen gibt es eine Reihe weiterer Forschungsprojekte: beispielsweise Nanopartikel, die in der Blutbahn kreisen und den Gesundheitszustand des ­Menschen kontrollieren, oder Kontaktlinsen, die den Glucose­spiegel messen. In Zukunft werden sich Behandlungsoptionen eröffnen, die heute noch undenkbar sind oder doch zumindest befremd­lich erscheinen. /

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