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Telemedizin in Deutschland

30.05.2018  11:36 Uhr

Von Annette Immel-Sehr / Nicht mehr nießend und fröstelnd im Wartezimmer sitzen zu müssen, sondern sich per Videoschaltung oder Telefon von einem Arzt behandeln zu lassen – dies wird ­zukünftig ­vermutlich auch in Deutschland zur Normalität gehören.

Der Deutsche Ärztetag hat Anfang Mai in Erfurt mit großer Mehrheit für die Abschaffung des sogenannten Fernbehandlungsverbots gestimmt. Damit haben die Delegierten den Weg dafür frei gemacht, dass Ärzte Patienten per Telefon, E-Mail oder Online-Chat diagnostizieren und therapieren dürfen – und zwar auch solche Patienten, die sie zuvor nie in ihrer Praxis behandelt haben. Bislang waren Fernbehandlungen in Deutschland nur erlaubt, wenn der Arzt den Patienten zuvor persönlich untersucht hatte. So durften beispielsweise Kontrolltermine von Diabetikern oder Hypertonikern durchaus per Telefon oder online durchgeführt werden.

Der niedergelassene Arzt könnte also zukünftig im Rahmen seiner Praxis­tätigkeit auch eine Onlinesprechstunde anbieten. Voraussetzung für die Fernbehandlung ist, dass Sorgfalt bei Diagnostik, Beratung, Therapie und Dokumentation gewährleistet ist und der Arzt den Patienten über die Möglichkeiten und Grenzen der Online-Behandlung aufgeklärt hat. Rechtswirksam wird der Beschluss des Deutschen Ärztetages erst, wenn die Delegiertenversammlungen der einzelnen Landesärztekammern die neue Formulierung in ihre Berufsordnung übernehmen und die zuständige Aufsichtsbehörde zustimmt. Die Landesärztekammer Schleswig-Holstein hatte den Bundesbeschluss nicht abgewartet, sondern bereits im April 2018 ihre Berufsordnung entsprechend geändert.

Strukturiert vorgehen

Die Telemedizin ist schon seit Jahren ein Diskussionsthema in der Ärzteschaft. Vorreiter in Deutschland war die Landesärztekammer Baden-Württemberg, die verschiedene wissenschaftlich begleitete Modellprojekte angestoßen hatte, um Erfahrungen mit der Fernbehandlung zu sammeln. Bei dem Modellprojekt »Docdirekt« können sich gesetzlich Krankenversicherte in den Regionen Stuttgart und Tuttlingen ausschließlich über Kommunikationsmedien behandeln lassen. Akut erkrankte Versicherte können sich montags bis freitags zwischen 9 und 19 Uhr per App, online oder telefonisch an das Docdirekt-Callcenter der Kassenärztlichen Vereinigung wenden. Eine speziell geschulte Medizinische Fach­angestellte nimmt die Krankheitssymptome auf und beurteilt die Dringlichkeit. Notfälle leitet sie direkt an die Rettungsleitstelle weiter. In allen anderen Fällen verabredet sie den Rückruf eines Arztes und stellt den Fall in ein internes Portal ein. Die diensthabenden Ärzte greifen von ihrer Praxis aus auf das Portal zu und rufen die gemeldeten Patienten an.

Rund 30 vorwiegend Internisten, Allgemeinärzte sowie Kinderärzte ­arbeiten in dem Projekt mit. Um der beson­deren Situation der Fernbehandlung gerecht zu werden, ist ein strukturiertes Vorgehen erforderlich. Darin sind die Ärzte speziell geschult. Wichtig ist, dass jeder um die Grenzen der Fernbehandlung weiß. Stellt der Arzt bei der digitalen Konsultation fest, dass der Patient sich besser persönlich und »leibhaftig« bei einem Arzt vorstellen sollte, leitet er den Patienten an eine dienstbereite Haus- oder Facharztpraxis weiter. Rezepte oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dürfen die Docdirekt-Ärzte nicht ausstellen.

In einem anderen Modellprojekt zur Fernbehandlung können Verschreibungen für privat versicherte Patienten elektronisch direkt an den Patienten versandt und von ihm in der Apotheke eingelöst werden. Dieses baden-württembergische Pilotprojekt startete im Oktober 2017 in Kooperation mit zwei privaten Krankenkassen und einem Pool von circa 200 Ärzten verschiedener medizinischer Fachrichtungen.

Reichlich Skepsis

Ohne Wartezeiten oder Anfahrtswege von überall aus einen Arzt konsultieren können, kommt den Bedürfnissen vieler Patienten entgegen. Gerade in strukturschwachen Regionen könnte die Telemedizin die Gesundheitsversorgung verbessern, etwa wenn Patienten den Rat eines Spezialisten benötigen. Dennoch sind viele Versicherte skeptisch, wie eine Umfrage der Techniker Krankenkasse im vergangenen Herbst zeigte. Für 51 Prozent der Befragten kommt eine Online-Kommunikation mit der Arztpraxis grundsätzlich nicht in Frage. Nur jeder Vierte findet die Vorstellung attraktiv, Erst- oder Vorabgespräche mit dem Arzt beispielsweise per Video-Chat führen zu können. Ein Nachgespräch zur Kontrolle – etwa nach einer Operation – kommt für jeden Fünften in Betracht.

Auch viele Ärzte stehen der Fernbehandlung skeptisch gegenüber. Dies zeigte eine Mitgliederumfrage des Hartmannbundes: Die Mehrheit der Befragten lehnte eine Lockerung des bisherigen Verbots ab. Auch beim Deutschen Ärztetag ging eine kontroverse Diskussion voraus, bevor dem Vorschlag schließlich zugestimmt wurde. Allen Beteiligten ist klar, dass die Fernbehandlung eindeutige Rahmenbedingungen benötigt, die die Qualität der Behandlung sichern und Grenzen festlegen. Denn eine Vielzahl von körperlichen Beschwerden lässt sich mit Sicherheit nicht aus der Ferne diagnostizieren. Zu klären sind auch organisatorische Punkte, wie die sichere Patientenidentifikation, die Aufklärung der Patienten, Haftungsfragen und Fragen der Abrechnung. Nach den Vorstellungen der Ärzteschaft soll die Fernbehandlung die persönliche Zuwendung von Ärzten nicht ersetzen. Vielmehr soll der direkte menschliche Kontakt der Standard der ärztlichen Behandlung bleiben.

Die digitale Vernetzung macht bekanntlich nicht an den deutschen Grenzen halt, und das hatte die Ärzte unter einen gewissen Zugzwang gesetzt. Denn nicht wenige Deutsche nehmen auf eigene Kosten schon heute die Fernbehandlung ausländischer kommerzieller Telemedizin-Portale in Anspruch. In der britischen Online-Praxis DrEd erfolgt die Behandlung sogar durch deutsche Ärzte auf Deutsch. Auch in anderen Ländern gehören ­Videosprechstunden mittlerweile schon zum Alltag, beispielsweise in der Schweiz, Skandinavien und Spanien. Die deutschen Ärzte hoffen, die Konkurrenz aus dem Ausland durch medizinische Qualität und Sicherheit zu übertreffen. /

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