Schützende Barriere |
28.08.2013 10:55 Uhr |
Von Michael van den Heuvel / Tag für Tag leistet die Haut Schwerstarbeit. Sie schützt den Körper vor äußeren schädlichen Einflüssen sowohl biologischer, chemischer als auch physikalischer Art. Verletzungen sollten sachgerecht versorgt werden, um den Heilungsprozess zu unterstützen und eine starke Narbenbildung zu vermeiden.
»Deine Haut: Die wichtigsten 2 m2 deines Lebens«, so lautete das Motto einer Hautschutzkampagne der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung in den Jahren 2007 und 2008. Kaum ein Organ ist Umwelteinflüssen so stark ausgesetzt wie die Haut. Normalerweise garantieren Regenerationsvorgänge, dass diese Barriere ihre Funktion erfüllen kann.
Schicht für Schicht
Dazu ein Blick auf anatomische Details: Von außen nach innen besteht die Haut aus der Oberhaut (Epidermis), der Lederhaut (Dermis) sowie der Unterhaut (Subcutis). In der Epidermis mit ihrer komplexen Feinstruktur wachsen und reifen neue Hautzellen, die Keratinozyten, heran. Alles beginnt mit der Teilung von epidermalen Stammzellen in der Basalschicht (Stratum basale). In der Stachelzellschicht (Stratum spinosum) verändern Keratinozyten ihr Erscheinungsbild, bilden Keratin und schrumpfen immer stärker. Nachfolgende Zellen schieben sie durch die Körnerzellschicht (Stratum granulosum) nach außen. Schließlich entstehen aus den Keratinozyten Hornzellen (Korneozyten), die das Stratum corneum als Barriere gegen äußere Einflüsse bilden.
Forscher haben herausgefunden, dass bestimmte Eiweiße, sogenannte Filaggrine, Keratinfilamente vernetzen und so die Epidermis stabilisieren. Darüber hinaus schützt Talg aus den Talgdrüsen der Haut den Körper vor Krankheitserregern. Aminosäuren, Salze und Harnstoff wirken in der Haut als natürliche Feuchthaltefaktoren. Sie sorgen für einen leicht sauren pH-Wert. Innerhalb der Basalzellschicht befinden sich auch sogenannte Merkel-Zellen, Sinneszellen für mechanische Reize, und pigmentbildende Melanozyten. Langerhanszellen, die bei der allergischen Sensibilisierung eine Rolle spielen, kommen in der Stachelzellschicht vor (siehe Grafik).
Die Lederhaut (Dermis) unter der Epidermis setzt sich aus der Papillenschicht (Stratum papillare) und der Netzschicht (Stratum reticulare) zusammen. Die Dermis wird von Blutgefäßen und Muskeln durchzogen. Hinzu kommen Haarfollikel, Schweiß- und Talgdrüsen. Sensoren zur Wahrnehmung von Berührungen, Druck, Temperatur oder Vibrationen haben hier ebenfalls ihren Platz. Kollagenfasern und elastische Fasern stabilisieren diesen Bereich.
In der Unterhaut (Subcutis) finden sich vor allem Blutgefäße und Nerven. Sie besteht aus Bindegewebe und subkutanem Fettgewebe, das als Wärmeisolator und Energiespeicher dient.
Notfallprogramm
Bei jedem Schnitt in die Haut werden je nach Tiefe der Verletzung verschiedene Schichten in Mitleidenschaft gezogen. Die Wunde blutet, da auch Kapillaren Schaden nehmen. Sobald die Blutgerinnung einsetzt, verschließen sich die Blutgefäße wieder. Kurz darauf beginnen die körpereigenen Regenerationsvorgänge: Wundsekret tritt aus, um Gewebereste und Keime zu entfernen. In dieser Exsudationsphase werden unter anderem Botenstoffe ausgeschüttet, die den Heilungsprozess ankurbeln. Nachdem Makrophagen beschädigte Zellteile sowie Blutgerinnsel abgebaut haben, produzieren Fibroblasten Kollagen. In die ursprüngliche Läsion wachsen Blutgefäße ein, um das neue Gewebe zu versorgen. Mit der Regenerationsphase endet die Heilung. Neues Deckgewebe entsteht, und die Wunde schließt sich.
Während leichte Verletzungen meist gut und ohne Hautveränderung verheilen, entstehen bei Durchtrennung der Lederhaut Narben. Das neue Gewebe ist anfangs rötlich gefärbt, da es von vielen Kapillaren durchzogen wird. Diese bilden sich jedoch nach und nach zurück. Im Gegensatz zu intaktem Gewebe verlaufen die neuen Kollagenfasern nicht dreidimensional, sondern parallel. Narben sind deshalb nicht so stark belastbar wie gesundes Gewebe, und je nach Beanspruchung brechen die Narben manchmal wieder auf. Die Läsion selbst ist heller als die umgebende Haut. Durch einwandernde Melanozyten bessert sich das Gesamtbild mittelfristig.
Außer Kontrolle
Auch bei leichteren Verletzungen treten Komplikationen auf. In manchen Fällen produziert der Körper zu viele Bindegewebsfasern. Eine hypertrophe Narbe entsteht. Sie ist zwar auf das ursprüngliche Verletzungsgebiet begrenzt, aber im Vergleich zur umgebenden Haut deutlich erhaben. Gutartige Tumoren, sogenannte Narbenkeloide, machen an den Grenzen der Läsion nicht Halt. Schuld an ihrer Entstehung sind Fibroblasten, die sich zu stark vermehren. Neben Umwelteinflüssen gilt das Erbgut als Risikofaktor: Europäer dunkleren Hauttyps sind weitaus häufiger betroffen. Die meisten Patienten empfinden diese harmlosen Gewebswucherungen ästhetisch als extrem belastend.
Die Bildung von Keloiden lässt sich meist verhindern. Bei großflächigen Wunden setzen Ärzte heute als beste Maßnahme auf Druck. Im Anschluss an die chirurgische Erstversorgung sollten sofort Kompressionsbandagen oder -anzüge auf die Läsion mindestens 20 bis 30 mmHg ausüben. Wissenschaftler vermuten, dass das neue Gewebe durch die Belastung schlechter durchblutet wird und die Stoffwechselprozesse so langsamer ablaufen.
Bei ausgeprägten Keloiden profitieren je nach Datenquelle 50 bis 100 Prozent aller Patienten von Injektionen mit Triamcinolonacetonid. Darüber hinaus versuchen manche Hautärzte , Gewebe mit flüssigem Stickstoff zu entfernen. Alternativ lassen sich die Zellen auch durch hochenergetische Laserstrahlen zerstören. Die besten Resultate liefert meist die Kombination mehrerer Verfahren.
Nach der Abtragung von Keloiden entstehen in vielen Fällen Rezidive. Um das zu verhindern, kann die Stelle postoperativ sofort mit Gammastrahlung behandelt werden. Ist die Wunde abgeheilt, bremst 5-Fluoruracil überaktive Fibroblasten. Wirkstoffhaltige Cremes dürfen nur auf den betroffenen Regionen verteilt werden, um gesundes Gewebe nicht zu schädigen. Bei schwangeren Patientinnen ist dieser Wirkstoff kontraindiziert.
Im Bereich der Selbstmedikation lohnt ein Versuch mit Siliconpflastern oder -gelen. Durch den Okklusionseffekt wird die Hornschicht feucht gehalten. Außerdem haben Forscher die Wirkung verschiedener Arzneistoffe im Labor untersucht. Das Flavonoid Quercetin und das Polysaccharid Heparin hemmen die Vermehrung von Fibroblasten. Allantoin wirkt keratolytisch. Nach Anwendung dieser Stoffe heilten Wunden im Tierexperiment schneller, und die Narbenbildung war deutlich geringer ausgeprägt.
Sachgerecht versorgt
Patienten mit Wunden fragen häufig auch PTA oder Apotheker um Rat. Neben schweren Verletzungen sollten Biss- oder Kratzwunden durch Tiere, infizierte oder chronische Wunden ärztlich versorgt werden. In diesem Zusammenhang überprüft der Arzt meist auch den Tetanus-Impfstatus. Für alle anderen oberflächlichen Wunden eignen sich zahlreiche Präparate aus der Selbstmedikation. Antiseptika der ersten Wahl sind Octenidin, Polyhexanid oder Povidon-Iod (PVP-Iod). Aus Silber in Wundauflagen entstehen in Spuren Silberionen, die Bakterien chemisch abtöten. Topische Antibiotika bewerten viele Experten kritisch, weil sie die Wundheilung verzögern. Bei schweren Infektionen verabreichen Ärzte entsprechende Präparate oral oder intravenös.
Für trockene Wunden gibt es auf dem Markt zahlreiche Verbandsmaterialien. Dadurch gelingt es, mechanische Irritationen zu vermeiden, das Infektionsrisiko zu minimieren und Sekrete aufzunehmen. Hydroaktive Materialien kommen bei chronischen Wunden zum Einsatz. Sie enthalten Polymere, Alginate, Hydrokolloide oder Hydrogele. Hydrokolloide haben sich auch bei leichten Verbrennungen ersten Grades bewährt. Bei Blasenbildung (Grad 2) können PTA und Apotheker Wundauflagen mit Alginaten oder Hydropolymeren abgeben.
Oberflächliche Läsionen, beispielsweise Schürfwunden, sollten gesäubert, mit Desinfektionsmitteln behandelt und mit Hydrokolloid- beziehungsweise Gelpflastern abgedeckt werden. Bei tiefen Verletzungen besteht die Gefahr, dass Partikel in der Wunde verblieben sind. Dann ist eine Wundreinigung in der ärztlichen Praxis erforderlich. /
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