PTA-Forum online
Welttag der Suizidprävention

Tabus brechen, über Gefahren reden

28.08.2013  12:59 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler / Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 10 000 Menschen durch Selbsttötung. Wissenschaftliche Unter­suchungen zeigen jedoch, dass vorbeugende Maßnahmen Suizide verhindern können. Darauf macht der Welttag der Suizidprävention am 10. September aufmerksam.

Wenn sich Prominente wie Robert Enke und Gunther Sachs das Leben nehmen, ist das Medienecho groß. Viel weniger öffentliches Aufsehen erregt die Tatsache, dass jedes Jahr deutlich mehr Menschen durch Suizid als im Straßenverkehr sterben. In Deutschland variieren offizielle Zahlen von rund 10 000 Suizidtoten pro Jahr bis zu 12 000 – bei einer vermutlich hohen Dunkelziffer. Noch deutlich höher liegt die Zahl der Suizidversuche.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass sich jedes Jahr etwa 1 Million Menschen das Leben nehmen. Daher hat die WHO im Jahr 2003 erstmals den 10. September zum Welttag der Suizidprävention erklärt. An diesem Tag finden weltweit Veranstaltungen statt, die auf das Problem Selbsttötung, frühe Anzeichen und vorbeugende Maßnahmen aufmerksam machen. Zudem ist er ein Tag der Trauer und des Gedenkens an die Verstorbenen, sodass die Angehörigen unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit ihre Verlusterfahrungen miteinander teilen können. Das Motto des diesjährigen, nunmehr 10. Welttags der Suizidprävention lautet: »Stigma – ein großes Hindernis für die Suizid­prävention«.

In Deutschland wird der Gesundheitstag getragen von der »Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention – Hilfe in Lebenskrisen« (DGS), die ein Nationales Suizid-Präventionsprogramm für Deutschland (NaSPro) initiiert hat. »Mit diesem Tag sprechen wir alle Betroffenen und Gefährdeten sowie die mit der Suizidprävention befassten Personen an, aber auch Firmen, Personalchefs, für Gebäude zuständige Personen, die Bahnpolizei und andere«, erklärt Professor Dr. Armin Schmidtke, Vorsitzender der Initiativgruppe NaSPro, gegenüber dem PTA-Forum. »Wir sehen Suizidprävention als gesamtgesellschaft­liche Aufgabe, nicht nur als Aufgabe der Profis im Gesundheitsbereich.«

Männer häufiger betroffen

Männer begehen häufiger Selbsttötungen und greifen dabei meist zu härteren Methoden als Frauen. Mit zunehmendem Alter steigen die Suizidzahlen an – bei Frauen und Männern. Eine weitere Risikogruppe sind Jugendliche und jüngere Erwachsene. Am stärksten gefährdet sind hier junge Frauen zwischen 15 und 25 Jahren.

Menschen mit einer Depression oder Persönlichkeitsstörung zählen ebenso wie Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängige zu den besonders gefährdeten Gruppen. Belastende Lebenssituationen wie Krankheit, starke Schmerzen oder Pflegebedürftigkeit sowie Verlusterlebnisse, zum Beispiel die Trennung von einem geliebten Menschen oder dessen Tod, können den Suizid auslösen. Dies gilt ebenso für finanzielle Sorgen, beruflichen Druck, Arbeitslosigkeit, Diskriminierung und erlebte Gewalt.

Am häufigsten töten sich Menschen durch Erhängen, Vergiften, Erschießen und Sturz aus großer Höhe. Fast immer tödlich endet, wenn sich Menschen vor einen fahrenden Zug werfen oder absichtlich einen schweren Verkehrsunfall auslösen. Viele Verkehrs- und Drogentodesfälle gehen vermutlich auch auf das Konto der Selbsttötungen. Zu den eher »weichen« Methoden zählen alle Arten der Vergiftung. Arzneimittel wie Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel sowie Antidepressiva werden dazu häufig missbraucht, auch in Kombination mit Alkohol. Manche Menschen trinken sogar Pflanzenschutzmittel in suizidaler Absicht.

Nicht nur Suizide mit tödlichem Ausgang, sondern bereits der Versuch trifft immer auch Angehörige, Freunde und Bekannte. Laut DGS verlieren dadurch jährlich weit mehr als 100 000 Menschen einen nahen Verwandten. Von jedem Suizid oder -versuch sind durchschnittlich sechs Angehörige betroffen, die danach meist selbst Hilfe brauchen. Aufgrund starker Schuldgefühle und depressiver Syndrome tragen sich diese nicht selten ebenfalls mit Selbsttötungsgedanken.

Helfen statt stigmatisieren

Um suizidgefährdete Menschen nicht länger sich selbst zu überlassen und ihnen nachhaltig helfen zu können, hat es sich die DSG zur Aufgabe gemacht, Tabus zu brechen, die sich um die Selbsttötung ranken. Wie groß die Vorbehalte waren oder sind, zeigt der früher übliche Begriff »Selbstmord«, der den Suizid grundsätzlich als kriminelle Handlung brandmarkt.

»Früher war der Suizid ein großes religiöses Tabu«, erklärt Schmidtke. Man habe die Not der Suizidenten nicht erkannt, sondern eher gedacht, sie verstießen gegen göttliche Gesetze: Das Leben als Geschenk Gottes dürfe der Mensch nicht selbst vernichten. »Daher galt der Suizid als Sünde. Daraus erklärt sich die Stigmatisierung der Suizidenten und deren Angehörigen.« Das Motto des diesjährigen Präventionstages setzt genau hier an.

»Der Wandel der Einstellungen entlastet Suizidgefährdete und Angehörige und öffnet Wege für eine bessere Prävention und Versorgung suizidgefährdeter Menschen«, heißt es in den Grundsätzen des NaSPro. Hier müssten sich möglichst viele gesellschaftliche Institutionen engagieren. »Jeder der Hilfe sucht, sollte umkompliziert und schnell qualifizierte Hilfe finden können.«

Mit ihrem Programm will die DGS ein generelles suizidpräventives Klima fördern und Forschung sowie prak­tisches Handeln vorantreiben. Dabei geht es den Wissenschaftlern um Prävention auf drei Ebenen:

  • primär, das umfasst allgemeine suizidpräventive Maßnahmen,
  • sekundär, das bedeutet suizidgefährdete Menschen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln,
  • tertiär, das bedeutet, Menschen nach einem Suizidversuch umfassend zu versorgen.

Vorsicht Depression

Auch Apotheker und ihr Team können zur Prävention beitragen, beispielsweise indem sie mit Plakaten und Flyern auf den Welttag hinweisen oder in den Medien darauf aufmerksam machen. Zudem können sie sich in Fortbildungen über die Risiken der Depression informieren. »Denn es ist sehr wichtig, eine Depression früh zu erkennen«, betont Schmidtke. Bestimmte Beschwerden, zum Beispiel Schlafstörungen oder Antriebsschwäche, können auf die Erkrankung hinweisen. Darauf kann das Apothekenteam den Patienten behutsam ansprechen.

Hat der Arzt eine Depression diagnostiziert und verordnet Antidepressiva, könne der Apotheker die Medikamente wochenweise stellen, schlägt der Psychiater vor. Dies diene zwei Zwecken: Die Patienten erhalten keine Dosis, die ausreicht, sich zu töten; zum anderen haben sie regelmäßig Kontakt mit der Apotheke.

Die zentrale Veranstaltung zum Welttag der Suizidprävention in Deutschland gilt dem Gedenken an die Menschen, die durch Suizid verstorben sind. Jedes Jahr am 10. September findet ein Gottesdienst zusammen mit Angehörigen von Suizidenten (AGUS) in der Gedächtniskirche in Berlin statt. Auch in anderen Städten laden die Kirchen zu Gedenkgottesdiensten ein. Das Evangelische Forum Annahof in Augsburg bringt die Botschaft auf den Punkt: »Niemand bringt sich gerne um – darüber reden kann Leben retten«. /

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