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Diabetes

Augenmerk auf die Füße

Datum 03.06.2015  12:49 Uhr

Von Isabel Weinert / Vielen Diabetikern fehlt noch immer das Bewusst­sein für die Gefährdung ihrer Füße durch den Diabetes. Dabei ließen sich mit etwas Eigeninitiative, Fußpflege, regel­mäßigen Kontrollen und interdisziplinärer Behandlung schwere Verläufe des diabetischen Fußsyndroms mit Geschwüren und Amputa­tionen oftmals verhindern.

Ein diabetisches Fußsyndrom entsteht nicht von heute auf morgen, sondern in der Regel langsam als Folge mehrerer begünstigender Faktoren. Dazu gehört das Schuhwerk. Enge Schuhe und Nähte, die Druck ausüben, Materialien, die die Hautatmung eindämmen und jeden Tag derselbe Schuh: Das begünstigt Hornhaut an den Füßen, Druckstellen und Blasen. Hornhautschwielen können derart auf das darunterliegende Gewebe drücken, dass ein Bluterguss entsteht, der sich im Extremfall infizieren kann. Blasen können ebenfalls Ausgangspunkt für eine tiefe, schwer heilende Wunde sein. Deshalb ist die Wahl des richtigen Schuhs von entscheidender Bedeutung, damit Fußulzera möglichst gar nicht erst entstehen.

Die Schuhanprobe findet am besten nachmittags oder abends statt, dann sind die Füße am dicksten. Lederschuhe eignen sich, weil das Material Feuchtigkeit aufnehmen kann. Greift man in den Schuh hinein, sollten keine Nähte tastbar sein. Der Schuh darf nicht drücken, soll aber an der Ferse fest sitzen. Die Absätze dürfen nicht höher als zwei Zentimeter sein. Bei bereits vorhandenen Problemen mit den Füßen steht der Besuch beim Orthopädieschuhmacher auf dem Plan. Therapeutisches Schuhwerk trägt zur Druckentlastung der betroffenen Areale bei, ein wichtiger Faktor, damit ein Ulkus abheilen kann.

Die Nerven: Die diabetische Neuropathie spielt eine Hauptrolle, wenn es um die Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms geht. Sensible, motorische und autonome Fasern können im Laufe einer Diabeteserkrankung Schaden nehmen – mit weitreichenden Folgen für die unteren Extremitäten.

Schädigen hohe Blutzuckerwerte die sensiblen Nervenfasern, führt das zu unterschiedlichen Beschwerden in den unteren Extremitäten und seltener auch in den Händen. Betroffene nehmen ein unangenehmes Kribbeln, ein schmerzhaftes Brennen oder das Gefühl von Pelzigkeit an den Füßen wahr. Bereiche des Fußes, vor allem die Zehen, können sich jedoch auch taub anfühlen und kalt, obgleich sie warm sind, wenn man mit den Händen nachprüft. Das Empfinden für Hitze und Kälte leidet, weshalb Diabetiker ihre Füße nach dem Waschen nie trockenföhnen sollten und die Temperatur eines Fußbades immer per Thermometer kontrollieren sollten. Mehr als 37 Grad Celsius darf das Wasser nicht haben. Besonders gefährlich: eine verringerte Schmerzwahrnehmung, die sich auch auf die Bewertung einer Wunde auswirkt. Weil der Diabetiker den Schmerz nicht spürt, scheint ihm die Wunde nicht wichtig, der Fuß rückt in der Wahrnehmung auf den letzten Platz. Nur so lässt sich erklären, warum manch Diabetiker erst zum Arzt geht, wenn Größe und Schwere eines Ulkus am Ende nicht selten nur noch eine Amputation zulassen. Gerade deshalb ist es so wichtig, Kunden mit Diabetes in der Apotheke immer wieder auf den Zustand ihrer Füße anzusprechen und sie an die mindestens einmal jährliche Vorsorge beim Diabetologen zu erinnern.

Neben den sensiblen können auch die autonomen Nervenfasern Schaden nehmen. Sie steuern sämtliche Organfunktionen. Auf die Füße wirken sich die Fehlsteuerung der Blutgefäße sowie eine beeinträchtigte Funktion der Schweißdrüsen negativ aus. Die Haut wird trocken, feinste Risse erleichtern es Bakterien und Pilzen, die Hautbarriere zu durchdringen und Infektionen auszulösen. Leiden auch motorische Fasern, kann die Muskulatur nicht mehr adäquat auf die Beanspruchung der Füße reagieren. Fußfehlstellungen und -fehlbelastungen sind die Folgen.

Die Durchblutung: Seltener löst eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ein diabetisches Fußsyndrom aus. Die Arteriosklerose in den Arterien verhindert jedoch die Wundheilung erheblich. Die Symptome einer pAVK nehmen betroffene Diabetiker infolge einer Polyneuropathie nicht selten kaum wahr, weil sie zum Beispiel die pAVK-typischen Schmerzen beim Gehen sowie den Ruheschmerz kaum spüren.

Die psychosoziale Situation: Tabak- oder Alkoholabusus, Depressionen, Arbeitslosigkeit: Eine Reihe von Umständen erhöhen das Risiko für ein diabetisches Fußsyndrom bei Diabetikern zusätzlich. Doch oft lassen sich gerade diese Faktoren schwer beeinflussen. PTA können aber zumindest Möglichkeiten der Raucherentwöhnung aufzeigen oder bei Anzeichen auf eine Depression auf eine Therapie durch Spezialisten hinweisen. Eindeutig bewiesen ist der Zusammenhang zwischen einer Depression und einer Verschlechterung der Stoffwechseleinstellung, weil durch die psychische Erkrankung eigene Belange vernachlässigt werden.

Die Füße eines jeden Diabetikers, gleich ob mit oder ohne Symptome für ein diabetisches Fußsyndrom, gehören mindestens einmal im Jahr auf den Prüfstand bei einem Diabetologen. Er schaut sich die Füße genau an, achtet auf Druckstellen, Hornhautschwielen, Verletzungen und Infektionen, prüft, ob die Füße Berührung und Druck wahrnehmen, Wärme und Kälte unterscheiden können, wie lange sie der Vibration einer Stimmgabel nachspüren, ob Achilles- und Kniesehnenreflex reagieren und die Fußpulse gut spürbar sind. Diese Untersuchungen zeigen grob an, ob eine Polyneuropathie und/oder eine pAVK vorliegen könnten. Bei grenzwertigen Befunden verweist er an einen Neurologen und/oder einen Angiologen, die weitere Möglichkeiten haben, eine Neuropathie oder eine pAVK zu diagnostizieren.

Gegen die Schmerzen angehen

  • Gegen die durch eine periphere Poly­neuro­pathie bedingten, oft quälenden Schmerzen in den Füßen können laut Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG) Paracetamol und Metamizol zum Einsatz kommen.
  • Nicht steroidale Antirheumatika und selektive COX-2-Hemmer sollen nicht angewendet werden.
  • Der Arzt kann gegen die Schmerzen Opioide verordnen, allein oder in Kombination mit trizyklischen Anti­depressiva oder dem SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer) Duloxetin in einer Tages­dosis bis zu 60 Milligramm. Ebenso kommen die Antiepileptika Gabapentin und Pregabalin zum Einsatz.
  • Für alternative Therapien wie Akupunktur, Elektrotherapie und auch Psycho- sowie Verhaltenstherapie empfiehlt es sich, vorab den Arzt zu fragen, wie die Chancen auf eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse stehen. Die genannten Maßnahmen können sich zusätzlich zu einer Behandlung mit Medikamenten eignen.
  • Zur Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie empfiehlt die DDG-Leitlinie weder Alpha-Liponsäure noch Benfotiamin. Es bleibt an dieser Stelle dem betroffenen Diabetiker überlassen, ob er einen Versuch mit entsprechenden Präparaten unternehmen möchte.
  • Cannabisextrakte, Vitamin B, Capsaicin und Lidocain-Pflaster sollen nicht eingesetzt werden.

Hilfe zur Selbsthilfe

PTA können Diabetikern viele wertvolle Tipps für deren Fußgesundheit geben. Das Ratschlagpaket umfasst den Bereich Lebensstil – Rauchen, Alkohol, Übergewicht – sowie die notwendige Aufmerksamkeit, die Diabetiker ihren Füßen zukommen lassen müssen. Täglich gilt es, die Füße auf Wunden, Druckstellen und Infektionen zu inspizieren. Älteren und oft dazu übergewichtigen Menschen bereitet das Schwierigkeiten. Dann kann ein Handspiegel Hilfe leisten, besser noch ein Verwandter, der sich die Füße regelmäßig anschaut. Auch kleine Verletzungen dürfen nicht in Eigenregie behandelt werden, sondern müssen vom Diabetologen abgeklärt werden. PTA tun gut daran, an die regelmäßige Einnahme von Antidiabetika zu erinnern und ab und zu zu erfragen, ob die verordneten Medikamente vertragen werden.

Wer als Diabetiker mit den Händen nicht mehr so geschickt ist, sollte die Nagelpflege besser einem Podologen überlassen, einem Fußpfleger, der eigens auf die Belange von Diabetikern ausgebildet ist. Hat der Arzt ein diabetisches Fußsyndrom diagnostiziert, tragen die Krankenkassen die Kosten für die podologische Versorgung. Wer es als vorbeugende Maßnahme nutzt, muss jedoch selbst zahlen. Immer wieder auf die leichte Schulter genommen wird der Rat, nicht barfuß zu laufen. Dabei ist es von großer Bedeutung, die Füße nicht unnötiger Verletzungsgefahr auszusetzen, so wie sie beim Barfußlaufen besteht. Fehlt nämlich der Schmerz als Warnsignal, kann schon die kleinste Scherbe, die gesunde Menschen sofort schmerzhaft spüren würden, der Beginn einer schweren Fußwunde sein.

Wichtige Pflegeregeln

Diabetiker, die die Fußpflege in Eigenregie vornehmen möchten, sollten wissen, dass scharfe Werkzeuge an den Füßen nichts zu suchen haben. Schere und Hobel sind tabu, Feile und Bimsstein sind gefragt. Die Nägel sollten mit der Feile gerade gefeilt werden, jedoch an den Ecken so gerundet, dass sie nicht einwachsen können. Hornhaut kann vorsichtig und nicht zu weit mit Bimsstein entfernt werden.

Gängige Mittel gegen Hühneraugen haben in der diabetischen Fußpflege nichts zu suchen, weil sie im ohnehin geschädigten Gewebe weiteren Schaden anrichten könnten. Infektionen wie Fuß- oder Nagelpilz sollten Maßgabe des Arztes behandelt werden. Häufig sehen sich die trockene Fußhaut bei Diabetikern und eine Pilzinfektion zum Verwechseln ähnlich. Im Zweifel also erst abklären lassen, um was es sich handelt! Die trockene Haut lässt sich mit einer passenden Pflege deutlich geschmeidiger halten. Spezialpräparate mit hoch dosiertem Harnstoff für die Fußpflege bei Diabetikern sollten jeden Tag zum Einsatz kommen.

Wie es bei Wunden weitergeht

Diabetische Fußzentren sind die Spezialisten, wenn es um die Behandlung von Ulzera und/oder die Entscheidung über eine Amputation geht. Diabetiker sollten dorthin verwiesen werden statt sie über längere Zeit erfolglos in einer Hausarzt- oder diabetologischen Schwerpunktpraxis zu behandeln. Denn die Betreuung eines diabetischen Fußsyndroms erfolgt am besten durch ein multidiziplinäres Team aus Hausärzten, Diabetologen, Gefäßmedizinern (Gefäßchirurgen, Angiologen, interventionellen Radiologen), Chirurgen, Diabetesberatern, Schuhmachern und Podologen. Das senke die Inzidenz für Amputationen deutlich, schreibt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in ihren Leitlinien.

Doch trotz aller Aufklärung, Vorsorge und Behandlung in spezialisierten Einrichtungen: Auch engagierte Ärzte geraten immer wieder an ihre Grenzen, weil sich Patienten uneinsichtig zeigen und nach der Amputation einer Gliedmaße weder den Lebensstil ändern noch sonstige Regeln im Hinblick auf die Fußgesundheit beachten und schon bald wieder in der Klinik landen. PTA können ihren Teil dazu beitragen, Diabetiker in dieser Hinsicht immer wieder zu sensibilisieren. /

Klarheit mit dem 5-Punkte-Plan

Die Autorin des Ratgebers – Apothekerin und selbst Diabetikerin – hat die fünf wichtigsten Punkte im Umgang mit Diabetes herausgearbeitet. Isabel Weinert empfiehlt typgerecht die richtigen Arzneimittel, schafft Sicherheit bei der Ernährung und befreit Diabetiker von zu engen Vorschriften. Sie räumt mit falschen Mythen auf, die sich um die Zuckerkrankheit ranken. Ihr Plädoyer gilt einer genussvollen Ernährung und einem abwechslungsreichen Leben.

Isabel Weinert:
Diabetes – endlich Klarheit mit dem 5-Punkte-Plan

Govi-Verlag 2015,
96 Seiten, Euro 11,90
PZN 10918093, ISBN 978-3-7741-1277-3

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