Zwei Neulinge, ein alter Bekannter |
03.06.2015 12:49 Uhr |
Von Sven Siebenand / Am 1. Juni sind mit dem Krebsmedikament Olaparib und dem bei Psoriasis eingesetzten Antikörper Secukinumab zwei neue Wirkstoffe in den deutschen Handel gekommen. Ivermectin ist dagegen bereits vor allem aus der Tiermedizin bekannt; jetzt gibt es auf dem deutschen Markt auch ein Humanarzneimittel mit diesem Wirkstoff. Rosazea-Patienten wenden es zur Lokaltherapie entzündlicher Läsionen an.
Mit Olaparib (Lynparza™ 50 mg Hartkapseln, AstraZeneca) gibt es seit Anfang Juni ein neues Krebsarzneimittel. Angewendet wird es für die Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patientinnen mit einem Platin-sensitiven Rezidiv eines sogenannten high-grade serösen epithelialen Ovarialkarzinoms, Eileiterkarzinoms oder primären Peritonealkarzinoms. Vor Therapiestart muss ein Nachweis über eine Mutation in einem Brustkrebs-Suszeptibilitäts-Gen (BRCA) erbracht worden sein.
Olaparib hemmt die Wirkung von Enzymen, die humane Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) genannt werden und zur Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen benötigt werden. Nach Inhibition von PARP entstehen mit der nächsten Zellteilung dann Doppelstrangbrüche. Bei gesunden Zellen existiert ein alternativer Mechanismus zur Reparatur dieser Doppelstrangbrüche, welcher die BRCA1- und BRCA2-Proteine benötigt. Bei Krebszellen mit Mutationen in den BRCA1- oder BRCA2-Genen funktioniert das aber nicht mehr richtig. Die beschädigte DNA in den Krebszellen kann dann nicht mehr repariert werden, was zum Zelltod der Krebszellen führt.
Die Behandlung mit dem neuen Orphan Drug wird spätestens acht Wochen nach der letzten Dosis der platinbasierten Chemotherapie eingeleitet. Die empfohlene Dosis liegt bei 400 mg, also acht Kapseln, zweimal täglich. Es wird empfohlen, die Behandlung bis zur Progression fortzuführen. Nicht empfohlen wird die Gabe von Olaparib bei mäßig oder stark eingeschränkter Nieren- oder eingeschränkter Leberfunktion. Aufgrund der Auswirkung der Nahrungsaufnahme auf die Olaparib-Resorption sollten die Patientinnen die Kapseln frühestens eine Stunde nach dem Essen einnehmen und danach vorzugsweise bis zu zwei Stunden lang nichts essen.
Sehr häufige Nebenwirkungen von Olaparib, die bei mehr als 10 Prozent der Patientinnen in Studien auftraten, sind Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Sodbrennen, Kopfschmerzen, Geschmacksstörung, verminderter Appetit, Schwindel, Anämie, niedrige Zahl bestimmter weißer Blutkörperchen, Erhöhung der durchschnittlichen Größe der roten Blutkörperchen und erhöhte Kreatinin-Werte.
In der Fachinformation wird neben einem möglichen Auftreten eines myelodysplastischen Syndroms/einer akuten myeloischen Leukämie und einer Pneumonitis auch auf das Risiko der hämatologischen Toxizität eingegangen. Ein großes Blutbild bei Behandlungsbeginn und nachfolgende monatliche Kontrollen werden für die ersten zwölf Behandlungsmonate sowie danach in periodischen Abständen angeraten, um Veränderungen des Blutbildes während der Behandlung beobachten zu können. Sollte eine Patientin eine schwerwiegende hämatologische Toxizität entwickeln oder eine Bluttransfusion benötigen, sollte die Behandlung mit Olaparib unterbrochen und eine entsprechende hämatologische Untersuchung veranlasst werden.
Frauen dürfen während der Behandlung mit Olaparib und mindestens einen Monat nach der Behandlung nicht stillen. Zudem sollte der neue Wirkstoff während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die während der Therapie kein zuverlässiges Verhütungsmittel verwenden, nicht angewendet werden. Die Verhütungsmittel sind noch einen Monat nach Einnahme der letzten Dosis anzuwenden. Aufgrund möglicher Wechselwirkungen von Olaparib mit hormonellen Kontrazeptiva sollten eine zusätzliche nicht-hormonelle Kontrazeptionsmethode und regelmäßige Schwangerschaftstests während der Behandlung in Betracht gezogen werden.
Apropos Wechselwirkungen: Die gleichzeitige Anwendung von Olaparib mit starken CYP3A-Induktoren oder -Inhibitoren sollte vermieden werden, da dies die Blutspiegel des Krebsmedikamentes beeinflussen könnte. Umgekehrt hemmt Olaparib in vitro CYP3A4 und es ist nicht auszuschließen, dass der Wirkstoff die Exposition von Substraten dieses Enzyms in vivo erhöhen kann. Daher ist bei der Kombination von Substraten von CYP3A4 und Olaparib Vorsicht geboten, besonders bei solchen mit geringer therapeutischer Breite.
Aufgrund seines Wirkmechanismus verfügt Olaparib über das Potenzial, auch bei anderen Tumorarten mit DNA-Reparaturdefekten wirksam zu sein. So laufen derzeit Phase-III-Studien für die Zweitlinien-Therapie des Magenkarzinoms, des BRCA-mutierten Pankreaskarzinoms und des frühen und metastasierten BRCA-mutierten Mammakarzinoms.
Antikörper gegen Psoriasis
Psoriasis ist eine chronische, immunvermittelte Erkrankung, die durch dicke und ausgedehnte Hautläsionen, sogenannte Plaques, gekennzeichnet ist. Die Erkrankung verursacht Juckreiz, Schuppung sowie Schmerzen und kann die Lebensqualität beträchtlich einschränken. Schätzungsweise 3,7 Millionen Europäer sind von Plaque-Psoriasis, dem auffälligsten Erscheinungsbild der Schuppenflechte, betroffen. Bei etwa 2,4 Millionen ist diese Form mittelschwer bis schwer ausgeprägt.
Seit Anfang Juni steht mit Secukinumab (Cosentyx® 150 mg Injektionslösung in einem Fertigpen/ in einer Fertigspritze, Novartis Pharma) ein neuer Wirkstoff für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, die für eine systemische Therapie infrage kommen, auf dem deutschen Markt zur Verfügung.
Das Interleukin-17 A (IL-17A) findet sich in hohen Konzentrationen in den von Psoriasis betroffenen Hautarealen. Dieses Zytokin spielt eine wichtige Rolle bei Entzündungen und anderen Prozessen im Immunsystem, die Psoriasis verursachen. Als monoklonaler Antikörper neutralisiert er selektiv IL-17A. Indem es daran bindet und dessen Wirkung hemmt, reduziert Secukinumab die Aktivität des Immunsystems und somit die Symptome der Erkrankung.
Die empfohlene Dosis beträgt 300 mg Secukinumab als subkutane Injektion. Jede 300-mg-Dosis wird als zwei separate Injektionen zu je 150 mg verabreicht. Die ersten fünf Dosen werden in einem Abstand von jeweils einer Woche verabreicht. Danach setzen die Patienten die Therapie mit einer Dosis von 300 mg einmal pro Monat fort. Nach einer Schulung können sich die Betroffenen zu Hause selbst spritzen. Eine Injektion in von Psoriasis betroffene Hautbereiche sollten sie dabei möglichst vermeiden.
In Studien traten Infektionen der oberen Atemwege mit Entzündungen der Nase und des Rachens sehr häufig auf. Häufig kam es zu oralem Herpes, Rhinorrhö, Diarrhö und Urtikaria. Da Secukinumab das Risiko für Infektionen erhöhen kann, darf es bei Patienten mit schweren aktiven Infektionen, zum Beispiel einer Tuberkulose, nicht zum Einsatz kommen. Bei Patienten mit einer chronischen oder einer rezidivierenden Infektion in der Vorgeschichte sollte der Arzt den neuen Antikörper nur mit Vorsicht verordnen. PTA und Apotheker sollten die Patienten darauf hinweisen, einen Arzt zu kontaktieren, wenn der Verdacht und Symptome einer möglichen Infektion auftreten. Sollte sich bei einem Patienten eine schwerwiegende Infektion entwickeln, ist er engmaschig zu beobachten. Zudem sollte die Behandlung mit Secukinumab bis zum Abklingen der Erkrankung unterbrochen werden.
Patienten unter Cosentyx können mit inaktivierten Impfstoffen oder Totimpfstoffen geimpft werden, Lebendimpfstoffe sollten dagegen nicht injiziertwerden. Ferner wird in der Fachinformation des neuen Präparats geraten, die Verschreibung von Secukinumab bei Patienten mit Morbus Crohn nur vorsichtig vorzunehmen, da in klinischen Studien Exazerbationen der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung beobachtet wurden.
Auch zum Thema Wechselwirkungen gibt es in der Fachinformation einen Hinweis: Die Bildung mancher CYP450-Enzyme wird bei chronischer Entzündung durch erhöhte Konzentrationen von Zytokinen unterdrückt. Somit könnten entzündungshemmende Behandlungen, wie mit Secukinumab, die CYP450-Enzymspiegel normalisieren. Deshalb kann ein klinisch relevanter Effekt auf CYP450-Substrate mit enger therapeutischer Breite, bei denen die Dosis individuell angepasst wird, nicht ausgeschlossen werden. Falls Patienten mit derartigen Arzneimitteln behandelt werden, sollte der Arzt zu Beginn der Secukinumab-Therapie ein therapeutisches Monitoring in Erwägung ziehen.
Das im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagernde neue Medikament soll aus Vorsichtsgründen nicht in der Schwangerschaft zum Einsatz kommen. Frauen im gebärfähigen Alter sollen während und für mindestens 20 Wochen nach der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Weil unerwünschte Reaktionen bei gestillten Kindern prinzipiell nicht ausgeschlossen werden können, müssen Arzt und Patientin abwägen, ob der Nutzen des Stillens für das Kind oder der Nutzen der Secukinumab-Therapie für die Frau höher ist.
Ivermectin in der Humanmedizin
Der antiparasitäre Wirkstoff Ivermectin ist vor allem aus der Tiermedizin zur Behandlung von einem Befall mit Fadenwürmern oder Ektoparasiten wie Milben, Läusen und Zecken bekannt. Zwar wird der Wirkstoff auch bei Menschen, unter anderem bei der Behandlung der Flussblindheit oder als Mittel gegen Kopfläuse oder Fadenwürmer, eingesetzt. Doch auf dem deutschen Markt existierte aber kein Fertigarzneimittel mit diesem Wirkstoff. Das hat sich Anfang Juni geändert. Galderma brachte mit Soolantra® 10 mg/g Creme ein Ivermectin-haltiges Topikum zur Behandlung von entzündlichen Läsionen der Rosazea auf den Markt. Die verschreibungspflichtige Creme wird einmal täglich für die Dauer von bis zu vier Monaten aufgetragen. Ivermectin wirkt antientzündlich, indem es die Zytokin-Produktion hemmt.
Der genaue Wirkmechanismus von Soolantra bei der Behandlung der entzündlichen Läsionen ist nicht bekannt, kann aber laut Fachinformation des Präparates sowohl mit den zuvor genannten antientzündlichen Effekten von Ivermectin als auch mit der Abtötung von sogenannten Dermodex-Milben in Zusammenhang stehen. Diese sollen bei der Entzündung der Haut eine gewisse Rolle spielen.
Patienten tragen jeweils eine erbsengroße Menge der Creme auf die Haut der fünf Bereiche des Gesichts auf: Stirn, Kinn, Nase und beide Wangen. Mit Augen, Lippen und Schleimhäuten soll das Arzneimittel nicht in Kontakt kommen. Nach dem Trocknen der Creme können Kosmetika aufgetragen werden. Studien zeigten, dass Ivermectin vor allem über das CYP3A4-Enzym metabolisiert wird. Daher ist laut Fachinformation Vorsicht geboten, wenn die Creme gleichzeitig mit starken CYP3A4-Hemmern angewendet wird, da dadurch der Plasmaspiegel von Ivermectin signifikant erhöht werden könnte. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen der neuen Creme sind brennendes Gefühl auf der Haut, Hautreizung, Juckreiz und trockene Haut. Meist sind sie von leichter bis mäßiger Natur und lassen im Laufe der Behandlung nach. /