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Gene Pharming

Tiere als Pharmaproduzenten

Datum 19.06.2017  14:36 Uhr

Von Verena Arzbach / Forscher können das Erbgut von Tieren so verändern, dass sie Arzneistoffe gegen verschiedene Erkran­kungen produzieren. Die Medikamente können dann etwa aus Ziegenmilch oder Hühnereiern gewonnen werden. In der Theorie überzeugend, stellt das sogenannte Gene Pharming die Wissenschaftler in der Praxis allerdings vor große Herausforderungen.

Genetisch veränderte Tiere sind für die Erforschung und Gewinnung von Arzneimitteln von großer Bedeutung. Wissenschaftler verändern zum Beispiel das Erbgut von Mäusen oder Ratten, um bestimmte Erkrankungen zu erzeugen und dann Medikamente an den Tieren zu testen. Aber auch als Arzneistoffproduzenten kommen Tiere zum Einsatz. Insulin etwa war bis in die 1980er-Jahre aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern extrahiert worden. Heparin wird auch heute noch aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen.

Beim Gene Pharming oder Molecular Pharming gehen die Forscher aber einen Schritt weiter. Pflanzen oder Tiere werden dabei genetisch so verändert, dass sie die gewünschten pharmazeutischen Wirkstoffe produzieren. »Pharming« ist ein Kunstwort aus den Begriffen »Pharma« und »Farming«, dem englischen Wort für Landwirtschaft. Die Idealvorstellung: Auf dem Bauernhof produzieren Mäuse, Ziegen, Kaninchen oder Rinder Proteine, die dann beim Menschen bei Mangelerkrankungen oder als Heilmittel eingesetzt werden. Bestenfalls gelingt es, das Gen so in das Erbgut der Tiere einzubringen, dass diese den gewünschten Stoff in den Milchdrüsen produzieren. Die Gewinnung kann dann einfach über das Melken erfolgen, die Ziegenmilch enthält dann die benötigten Proteine. Prinzipiell vorstellbar ist aber auch, dass Blut, Urin, Speichel oder Eier als Wirkstoffträger dienen.

Tracy, Dolly und Co.

Das erste gentechnisch veränderte Tier, das für die Arzneistoffproduk­tion genutzt wurde, war das Schaf Tracy. Zu Beginn­ der 1990er-Jahre war es Forschern der schottischen Gentechnik-Firma­ PPL – bei ihnen kam auch später das berühmte Klonschaf Dolly zur Welt – gelungen, das Schaf so zu verändern, dass es α-1-Antitrypsin mit seiner Milch abgab­. Das Protein kann bei Patienten mit einem angeborenen Mangel eingesetzt werden und schützt vor einer entzündlichen Lungenerkrankung und einem Lungenemphysem. Bis zur Marktreife schaffte es der so produzierte Wirkstoff allerdings nie, das Projekt wurde aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt.

Mehr Erfolg hatten US-amerikanische Forscher der Firma GTC Biotherapeutics. Sie brachten 2008 das erste in transgenen Tieren hergestellte Arzneimittel auf den europäischen Markt: ­ATryn®, das Antithrombin III enthält und die Blutgerinnung hemmt. Eingesetzt wird es bei einem erblich bedingten Antithrombin-III-Mangel, etwa zum Schutz und zur Behandlung von Thrombosen. Die genetische Informa­tion für die Herstellung des Proteins hatten die Forscher in das Genom von Ziegen eingeführt. Sie bilden den Wirkstoff in der Milchdrüse und geben ihn mit der Milch ab.

Das zweite und bisher auch letzte von transgenen Tieren produzierte Medikament, das in der EU zugelassen wurde, ist Ruconest® (Conestat alfa). Es wurde von dem niederländischen Unternehmen Pharming Group entwickelt und 2010 auf den Markt gebracht. Es handelt sich um ein rekombinantes Analogon des humanen C1-Esterase-Inhibitors, ein Plasmaprotein, welches bei Patienten mit der seltenen Erkrankung Hereditäres Angioödem (HAE) in zu geringer Konzentration vorliegt. ­Dadurch können lebensgefährliche Schwellungen der Haut und Schleimhäute auftreten. Bei der Herstellung dient ebenfalls die Milch als Reservoir: Ruconest wird in den Milchdrüsen transgener Kaninchen produziert.

Weitere auf diese Weise produzierte Arzneimittel lassen bisher auf sich warten. Dennoch sehen Wissenschaftler viele Möglichkeiten, die Technik zukünftig in größerem Ausmaß für die Arzneistoffproduktion einzusetzen. Denn transgene Tiere können zumindest theoretisch komplexere Substanzen herstellen als Bakterien oder Hefen, die bisher größtenteils rekombinante Wirkstoffe produzieren. Zudem ist die Gewinnung der Stoffe relativ unkompliziert, kostengünstig und ethisch vertretbar, da die Tiere etwa durch das Melken nicht wesentlich belastet werden. Ein weiterer Vorteil ist die Ergiebigkeit: Das gewünschte Protein liegt meist relativ hoch konzentriert in der Milch vor. Mit nur wenigen Tieren lassen sich meist schon hohe Erträge erzielen, die den Bedarf – besonders bei seltenen ­Erkrankungen – vollständig abdecken.

Hemmschuh Züchtung

Doch dazu müssen die Forscher die transgenen Tiere erst einmal erfolgreich züchten. Das ist in der Praxis weitaus weniger erfolgreich, als man zunächst annehmen könnte. Maximal ein Drittel der Embryonen nimmt die fremden Gensequenzen auf, und von diesen entwickelt sich auch wieder nur ein Bruchteil zu gesunden Tieren. Selbst dann ist aber nicht sicher, dass die Tiere auch die gewünschte Substanz produzieren und in die Milch abgeben, das funktioniert nur bei 1 bis 10 Prozent der transgenen Tiere. Und auch dass die Tiere die gewünschte Eigenschaft an ihre Nachkommen vererben, ist eher Glückssache.

Die Haltung der transgenen Tiere ist kaum mit der normalen Nutztierhaltung vergleichbar und muss unter anderem strengen hygienischen Vorschriften folgen. Denn würden die Tiere mit Krankheitserregern infiziert, könnten diese auf die Patienten übertragen werden. Eine sterile Umgebung ist allerdings kaum ein artgerechter Lebensraum für Tiere.

Eine womöglich unkompliziertere Alternative könnte da die Produktion von Biopharmazeutika in transgenen Pflanzen sein. Diese sind ebenfalls in der Lage, komplexe Proteine inklusive Glykosylierungen (Anhängen von Zucker­molekülen an das Protein) herzustellen. Auch eine Übertragung gefähr­licher Krankheitserreger auf den Menschen ist unwahrscheinlich. Die Forschung läuft derzeit auf Hochtouren: Acht Biopharmazeutika, die in transgenen Pflanzen – meist Tabak – produziert werden, werden derzeit in klinischen Studien getestet. /

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