Die Schattenseiten des Sommers |
15.06.2018 16:52 Uhr |
Von Verena Arzbach / Man muss sich im Sommer nicht unbedingt in tropische Gefilde begeben, um heiße oder schwüle Tage zu erleben. Auch in Deutschland machen empfindlichen Personen im Sommer immer wieder hohe Temperaturen, starke Sonneneinstrahlung und hohe Ozon-Konzentrationen in der Atemluft zu schaffen. Wie kann man gesundheitlichen Problemen vorbeugen und die heißen Tage gut überstehen?
Eigentlich kann sich der Körper recht gut an extreme Außenbedingungen, egal ob eisige Kälte oder tropische Hitze, anpassen. Bei Hitze und/oder hoher Luftfeuchtigkeit verlagert er einen großen Teil seines Blutvolumens in die Haut. So kann das Blut die Wärme vom Körperinneren nach außen transportieren. Über die Haut wird dann Schweiß abgegeben, der den Körper durch die entstehende Verdunstungskälte kühlt. Der Körper hält so normalerweise seine Kerntemperatur bei etwa 37 °C.
In einer extrem heißen Umgebung von etwa 40 °C können sich bis zu 75 Prozent des gesamten Blutvolumens, welches das Herz pro Minute durch den Körper pumpt, in den Außenbereich verlagern. Wer sich nun körperlich anstrengt, sorgt dafür, dass noch mehr Blut in diese Region transportiert und das zentrale Blutvolumen noch weiter verringert wird. In der Folge steigen der zentrale Venendruck wie auch das Schlagvolumen des Herzens. Produziert der Körper dann nicht genug Schweiß, kann er sich selbst nicht ausreichend kühlen. Die Thermoregulation versagt, und es entsteht ein Wärmestau. Die Körpertemperatur kann sich in einem solchen Fall auf 40 °C und mehr erhöhen (Hyperthermie) – es droht ein lebensbedrohlicher Hitzschlag.
Akuter Notfall
Der Pulsschlag steigt, der Blutdruck sackt ab, die Haut fühlt sich heiß und trocken an. Weitere Symptome eines Hitzschlags sind Krämpfe, Halluzinationen und Bewusstseinstrübungen. Auch plötzlich einsetzende, kurz andauernde Episoden von Bewusstlosigkeit, sogenannte Synkopen, sind möglich. Das Gehirn kann Wasser einlagern, und es sich bilden sich mitunter lebensgefährliche Hirnödeme, die mit Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Bewusstlosigkeit einhergehen. Es kann aber auch sein, dass die Betroffenen lediglich extrem müde und ermattet sind.
Mögliche Ursachen sind eine hohe Umgebungstemperatur, starke Sonneneinstrahlung (eventuell für längere Zeit), eine zu geringe Trinkmenge und starke körperliche Anstrengung bei Hitze. Wichtig: Ein Hitzschlag ist nicht nur draußen möglich. Auch in stark überhitzten Räumen und Autos oder bei zu dicker, enger Kleidung können Menschen einen Hitzschlag erleiden.
Präventionsmaßnahmen auf Reisen:
Dennoch: Der Hitzschlag ist immer ein akuter Notfall, das heißt, Beobachter sollten den Notarzt verständigen. Der Betroffene sollte schnellstmöglich aus der Hitze beziehungsweise Sonne an einen schattigen, luftigen Platz oder nach drinnen in einen klimatisierten Raum gebracht werden. Überschüssige Kleidung sollten Helfer entfernen beziehungsweise enge Kleidung lockern. Vor allem Hals und Achseln sollten gekühlt werden, zum Beispiel indem etwas Wasser auf die Haut gespritzt oder Luft zugefächert wird. Der Körper des Betroffenen kann auch stellenweise mit feuchten Tüchern gekühlt werden, er sollte aber nicht großflächig damit abgedeckt werden. Denn das könnte isolierend wirken und die Körpertemperatur weiter erhöhen. Der Betroffene sollte außerdem, falls er bei Bewusstsein ist und nicht erbricht, selbstständig trinken. Geeignet sind vor allem Mineralwasser oder Fruchtschorlen, die neben Flüssigkeit auch Elektrolyte liefern. Früher wurde auch dazu geraten, die Beine der Patienten hochzulagern. Heute wird das in der Regel nicht mehr explizit empfohlen, denn es ist nicht erwiesen, dass das Hochlagern Vorteile bringt. Ansprechbare Personen sollten so gelagert werden, wie es für sie angenehm ist.
Die Zahl der Hitzschlag-Fälle in Deutschland schwankt von Jahr zu Jahr. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2013 beispielsweise 1856 Menschen wegen Hitzschlag oder Sonnenstich behandelt, im extrem heißen Sommer 2003 waren es 2561 Menschen. Im Krankenhaus stabilisieren dann die Ärzte den Kreislauf des Patienten und führen ihm über Infusionen Flüssigkeit zu. Bei rechtzeitiger Behandlung geht es den Betroffenen nach ein bis zwei Tagen meist wieder besser. In ungünstigen Fällen können nach überstandenem Hitzschlag jedoch bleibende Schäden vor allem im neurologischen Bereich zurückbleiben. Schätzungen zufolge sind davon etwa 20 Prozent der Hitzschlag-Patienten betroffen.
Vor allem Senioren, chronisch Kranke und kleine Kinder sind gefährdet, einen Hitzschlag zu erleiden. Vernünftiges Verhalten ist dennoch für alle bei extremer Hitze sinnvoll (siehe Kästen). Übrigens kann auch die Einnahme verschiedener Medikamente Vorgänge beeinflussen, die der Körper zur Anpassung an Hitze beziehungsweise zur Balance des Flüssigkeitshaushaltes nutzt. Personen, die diese Medikamente einnehmen, können also eventuell schlechter mit Hitze umgehen, als sie es vielleicht von früheren Zeiten kennen. Zu den Hitze-kritischen Medikamenten zählen unter anderem Diuretika, H1-Antihistaminika der ersten Generation, Neuroleptika, Antihypertonika und trizyklische Antidepressiva sowie Medikamente, deren Pharmakokinetik durch Wassermangel beeinflusst wird, etwa Lithiumsalze, Antiarrhythmika, Antiepileptika und orale Antidiabetika wie Metformin und Sulfonylharnstoffe.
Nicht ganz so drastisch wie der Hitzschlag, aber ebenfalls ein Hitze-Notfall, ist die Hitzeerschöpfung. Ursache des Erschöpfungszustands ist ein extremer Flüssigkeits- und Elektrolytverlust durch sehr starkes Schwitzen, oft in Kombination mit einer zu geringen Trinkmenge. Das Blut ist dann dickflüssiger und kann schlechter durch die Gefäße fließen. Die Symptome ähneln denen eines Schocks: Schwäche, Blässe, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Die Atmung ist flach und schnell, das Herz rast. Im Gegensatz zum Hitzschlag steigt die Körpertemperatur jedoch nicht an, die Haut des Betroffenen bleibt kühl und feucht.
Bei einer Hitzeerschöpfung ist es am wichtigsten, den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust zügig auszugleichen. Sonst drohen Krämpfe, und die Hitzeerschöpfung kann sich zum gefährlichen Hitzschlag weiterentwickeln. Gut geeignet sind auch hier elektrolytreiche Getränke wie Mineralwasser, Saftschorlen oder isotonische Sport-Drinks. Der Körper regeneriert sich dann in der Regel wieder schnell und ohne fremde Hilfe. Verschlechtert sich der Zustand des Betroffenen, sollten Helfer aber den Notarzt verständigen.
Gereizte Hirnhaut
Ein weiterer Notfall, der sich im Sommer ereignen kann, ist der Sonnenstich (Insolation). Hierbei erwärmt starke Sonneneinstrahlung, meist über längere Zeit, das Gehirn und reizt direkt die Hirnhäute (Meningen). Das Gehirn kann sich ausdehnen und anschwellen, es kommt zu einem Hirnödem. Senioren, die aufgrund fehlender Haare schlechter geschützt sind, sowie Kleinkinder mit relativ dünner Schädeldecke sind anfälliger. Typische Symptome einer Insolation sind ein stark geröteter Kopf, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Fieber und ein steifer Nacken. Die Körpertemperatur ist im Gegensatz zum Hitzschlag nicht erhöht, die Haut am Körper ist nicht gerötet und fühlt sich nicht heiß an. Ein wichtiger Hinweis für Eltern: Vor allem bei kleinen Kindern können entsprechende Anzeichen auch mit einer Verzögerung von mehreren Stunden auftreten, also zum Beispiel am Abend nach einem Tag am Strand.
Hitzschlag | Hitzeerschöpfung | Sonnenstich | |
---|---|---|---|
Symptome | Trockene, heiße Haut Hyperthermie Krämpfe Verwirrtheit, Bewusstseinstrübungen Bewusstlosigkeit Schwäche | Starkes Schwitzen Schwäche, Kreislaufkollaps Blässe, Schwindel Übelkeit, Erbrechen Kopfschmerzen Flache, schnelle Atmung | Roter Kopf Kopfschmerzen Übelkeit, Erbrechen Steifer Nacken Schwindel Fieber Schwäche, Kreislaufkollaps |
Wichtige Erste-Hilfe- Maßnahmen | Notarzt verständigen Betroffenen in den Schatten/kühlen Raum bringen Überschüssige Kleidung entfernen Abkühlen: Wasser auf die Haut spritzen oder Luft zufächern kühle Getränke Bei Bewusstlosigkeit: stabile Seitenlage | Flüssigkeits- und Elektrolytverlust ausgleichen: Mineralwasser oder Fruchtschorle anbieten Tritt keine Besserung ein, Notarzt verständigen | Betroffenen in den Schatten/kühlen Raum bringen Eventuell feuchte, kühle Tücher um den Kopf wickeln Kühle Getränke Oberkörper erhöht lagern |
Die Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Sonnenstich ähneln denen beim Hitzschlag: Der Betroffene sollte schnell in den Schatten oder in einen kühlen Raum gebracht werden und mit Flüssigkeit versorgt werden. Die Helfer lagern den Betroffenen am besten mit erhöhtem Oberkörper. Falls zur Hand, können auch kühle feuchte Tücher um den Kopf gewickelt werden
Eine gute Möglichkeit, sich etwa vor einem Urlaub auf ein warmes, schwüles Klima vorzubereiten und Hitzschlag und Co. vorzubeugen, sind Saunabesuche. Menschen, die an Hitze gewöhnt sind, können körpereigene Kühlungsmechanismen besser nutzen, um die Körperkerntemperatur niedrig zu halten: Sie beginnen früher zu schwitzen, und sie schwitzen insgesamt mehr als nicht angepasste Menschen. Außerdem enthält der Schweiß von Menschen, die an Hitze gewöhnt sind, weniger Natriumchlorid, was zusätzlich den Elektrolytverlust begrenzt. Chronisch Kranke sollten zunächst immer ihren Arzt fragen, ob Saunagänge für sie geeignet sind.
Problem Ozon
Nicht nur Temperatur, Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit, auch die Ozonkonzentration kann Menschen im Sommer zu schaffen machen. Das gilt besonders bei körperlich anstrengenden Aktivitäten im Freien. Das farblose, aus drei Sauerstoff-Atomen bestehende Ozon-Gas hat eigentlich eine Schutzfunktion. In einer Höhe von 20 bis 30 Kilometern in der Atmosphäre befindet sich die natürliche Ozonschicht, die die Erde vor der schädlichen Ultraviolettstrahlung der Sonne schützen soll.
In Erdnähe wird Ozon über photochemische Prozesse durch die Reaktion von Sauerstoff mit sogenannten Ozonvorläufern gebildet. Zu diesen Vorläufersubstanzen zählen vor allem Stickoxide (aus dem Kraftverkehr und aus Feuerungsanlagen) und flüchtige organische Verbindungen, etwa aus industriellen Lösemitteln und aus der Kraftstoffverbrennung von Motoren. Bei starker, intensiver Sonneneinstrahlung und hohen Lufttemperaturen im Hochsommer entsteht besonders viel Ozon, das sich in der Luft anreichert und den sogenannten Sommersmog bildet.
Ozon ist ein starkes Oxidationsmittel, das alle Oberflächen angreift, mit denen es in Kontakt kommt. In der Atemluft kann Ozon schon in geringen Konzentrationen bei Menschen und Tieren zu Reizungen der Schleimhäute, Atemwege und Augen führen sowie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Konzentrationsschwäche auslösen. Beschwerden treten umso wahrscheinlicher auf, je höher die Ozonkonzentration in der Luft ist, je länger man sich dem Ozon aussetzt und je höher das Atemvolumen ist. Letzteres nimmt bei körperlicher Aktivität zu.
Warnwert
Etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung gelten als Ozon-empfindlich. Besonders gefährdet sind laut Umweltbundesamt Säuglinge, Kleinkinder, ältere Personen und Kranke, möglicherweise auch Asthmatiker. Noch unsicher sei, ob Ozon chronische Wirkungen auf das Lungengewebe (»vorzeitiges Altern der Lunge«) habe und ob es Asthma bronchiale auslösen oder verschlimmern könnte, heißt es vonseiten des Amtes.
Generell gilt: Die höchsten Ozonkonzentrationen werden am Nachmittag zwischen 14 und 17 Uhr gemessen. Bei starker Hitze sollten Sportler also vorsichtshalber nicht in diesem Zeitraum draußen trainieren, besser geeignet sind die Morgenstunden. Ab Werten von 180 µg/m3 Ozon in der Luft gibt das Umweltbundesamt eine Warnung heraus, weil ab diesen Werten die Leistungsfähigkeit ozonempfindlicher Menschen eingeschränkt sein kann. Sie sollten sich dann möglichst nicht lange im Freien aufhalten. Steigen die Werte auf über 240 µg/m3, den Warnwert, sind anstrengende Tätigkeiten im Freien generell zu vermeiden. Einen solchen Ozon-Alarm gab es zuletzt im Jahrhundert-Sommer 2003.
Schwacher Kreislauf
Viele chronisch kranke Menschen fühlen sich bei heißem Klima schlecht und haben das Gefühl, dass die Wetterlage den Kreislauf und die Symptome ihrer Erkrankung beeinflusst. Besonders markante Wetteränderungen, die in Europa recht häufig vorkommen, können sich auf die Gesundheit auswirken. Bei chronisch Kranken kann sich der Körper häufig nicht schnell genug anpassen.
In praller Sonne geparkte Autos können für Kleinkinder bereits nach kurzer Zeit zur lebensgefährlichen Falle werden. Nach rund einer Stunde könne bei Zweijährigen die Körpertemperatur auf 40 °C klettern, was zum Hitzschlag führen kann, berichten US-amerikanische Forscher im Journal »Temperature« nach Tests in der Sommersonne von Arizona. Bei den Tests herrschten Außentemperaturen zwischen 36 und 41 °C.
Besonders schnell erhitzten sich Kleinwagen. Im Durchschnitt wurden nach einer Stunde in der Sonne in allen Fahrzeugen Temperaturen über 47 °C gemessen. In im Schatten geparkten Autos sind die Innenraumtemperaturen nach einer Stunde mit knapp 40 °C etwas niedriger – sie steigen nach zwei Stunden aber ebenfalls kritisch hoch an.
Um die Auswirkungen auf Kleinkinder zu bestimmen, nutzten die Experten mathematische Rechenmodelle. Atme ein Kind aus, werde die Luft feuchter und der Körper könne sich noch schlechter durch Schwitzen abkühlen. Innere Verletzungen durch die starke Hitze könne ein Kleinkind auch schon unterhalb der 40-Grad-Grenze erleiden. Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse Autohersteller inspirieren, Alarmsysteme für solche Fälle zu entwickeln. In den USA sterben jährlich im Durchschnitt 37 Kinder in überhitzten Autos.
Etwa Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen berichten dann von Atemnot, Schwindel oder Herz-Rhythmus-Störungen. Zum Beispiel auf der Website www.menschenswetter.de, die der Biologe Holger Westermann zusammen mit der Abteilung Medizin-Meteorologie des Deutschen Wetterdienstes (DWD) betreibt, können sich Patienten über das zu erwartende Wetter und entsprechende Beschwerden informieren.
Bei extremen Wetterlagen sollten Herz-Kreislauf-Patienten besser im Haus bleiben. Bei nassem, schwülem oder kaltem Wetter sollten sie sich aber bewusst mit moderater Aktivität draußen der Witterung aussetzen. Das empfahl Dr. Rainer Stange, Internist aus Berlin, bei einer Presseveranstaltung der Firma Schwabe. Das helfe dem Körper bei der Regulation. Die Studienlage spreche auch für Wärme- oder Kälteanwendungen wie Kneipp-Kuren, Sauna oder Infrarotbehandlungen. Zuvor sollten die Patienten jedoch ihren Arzt befragen.
Weißdorn-Extrakt (wie in Crataegutt® novo, Esbericard® novo oder Koro Nyhadin®) kann den Kreislauf stärken und bei Herz-Kreislauf-Patienten wetterbedingt verstärkte Beschwerden wie Erschöpfung, Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Schwellungen der Beine lindern. Ein wichtiger Hinweis: Die Wirkung tritt meist erst nach vier bis sechs Wochen ein. Man sollte also bestenfalls einige Zeit vor der heißen Sommersaison mit der Einnahme beginnen.
Menschen mit niedrigem Blutdruck, die bei heißen Temperaturen unter Kreislaufbeschwerden wie Müdigkeit oder Schwindel leiden, kann auch die rasch wirksame Kombination von Weißdornfrüchte-Extrakt mit D-Campher in Tropfenform (wie Korodin®) empfohlen werden. Auch Etilefrin (wie in Effortil®), das die Wandspannung der Blutgefäße erhöht und die Herztätigkeit anregt, hilft in solchen Fällen. /
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