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Kolumne

Einmal ohne, bitte!

01.09.2014  14:44 Uhr

Von Claudia Herwig / In Großstädten sprießen vegane Restaurants wie Sojabohnen aus dem Boden. Wo man auch hinschaut, sind Schaufenster mit veganen Koch- und Ernährungsberatern überflutet. Ganz klar, vegan sein ist Trend. Und auch wenn nicht jeder Trend dazu einlädt, mitzumachen: Dieser hat es mir angetan. Von heute an will auch ich Veganer sein.

Ich streife zwischen den Regalen hin und her wie ein Wolf auf Beutezug. Hin und wieder finde ich etwas Essbares, greife danach, will es in meinen Einkaufskorb packen, bemerke aber schnell, dass ich mich geirrt habe. Enttäuscht stelle ich es wieder ins Regal und führe meinen Streifzug durch den Dschungel der Lebensmittel fort. Meine über Jahre hinweg einstudierte Route durch den Supermarkt ist nichts mehr wert. 

Einzig beim Obst- und Gemüsesortiment kenne ich mich noch aus. Also packe ich meinen Korb voll mit Früchten und Gemüse und mache mich wieder auf die Suche. Für meinen ersten veganen Einkauf habe ich eine präzise Einkaufsliste geschrieben. Zehn, wenn nicht eher 20 mir bisher unbekannte Produkte stehen darauf. Agavensirup, Amaranth, Sojamilch, Tofu, Quinoa, Chiasamen, Mandelmus. Noch unbekannter ist mir allerdings, wo ich all diese Produkte finden soll.

Immerhin einige der Lebensmittel entdecke ich nach langem Suchen im Supermarkt. Ich stürze mich darauf, als würde ich mich auf eine vierwöchige Expedition an den Rand der Zivilisation vorbereiten. Soja. Nichts wie hin! Agavensirup. Her damit! Der Korb füllt sich in Windeseile bis zum Rand. Was nicht mehr reinpasst, balanciere ich zwischen Armen und Kinn gepresst zur Kasse. Dann der Schock: Ich zahle vier Mal so viel, wie ich sonst für einen Wocheneinkauf ausgebe. Und damit nicht genug. Ein paar Lebensmittel habe ich im konventionellen Supermarkt nicht bekommen. Mit vollgepackten Tüten schleppe ich mich zu einem weiteren Beutezug ins Reformhaus. Amaranth. Quinoa. Chiasamen. Moment. Was waren nochmal Chiasamen? Ach, egal. Schnell zur Kasse. 23,45 Euro, bitte!

Dabei will ich es nicht gleich übertreiben. 30 Tage vegan müssen für den Anfang reichen. Dass weder Fleisch noch Fisch in meinen Kochtopf wandern, fällt mir nicht schwer, denn ich ernähre mich sowieso seit Jahren vegetarisch. Ab sofort verzichte ich aber zusätzlich auf Milch und Milchprodukte, auf Eier, ja sogar auf Honig. Ich bin gespannt, wie es mir damit ergehen wird.

Ein Experiment

In meinem Freundeskreis ernährt sich niemand vegan. Und auch meine gesamte Familie besteht aus Fleisch­essern. Was für mich ein spannendes Experiment werden soll, ist für meine Mitmenschen nicht zu verstehen: »Bekommst du da keinen Mangel?« »Isst du jetzt nur noch rohes Gemüse?« »Darfst du noch nicht einmal Geflügel essen?« Experimentierfreude trifft auf Unverständnis. Meine Eltern halten mein Vorhaben für totalen Quatsch. Ich lasse mir davon aber nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Sollen sie doch reden, denn schließlich liege ich voll im Trend.

Ich gebe zu: Leicht fällt mir die Ernährungsumstellung nicht. In den ersten Tagen drehen sich meine Gedanken nur noch um eines: ums Essen. Ich studiere Kochbücher, klebe Zettel zwischen die Seiten, male mir aus, was ich kochen und backen werde. Zwischendrin denke ich an Brot mit Gouda, an süße Puddingteilchen. Ich laufe mehrmals täglich zum Kühlschrank, prüfe den Inhalt und schließe die Türe wieder. In einem unbedachten Moment süße ich meine Salatsoße mit Honig, um dann festzustellen, dass Honig ja verboten ist. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.

Aber es gibt auch Erfolgserlebnisse auf dem Pfad der Vegan-Erleuchteten. Mein erstes ist eine selbst gemachte Lasagne. Gespannt sitze ich vor dem Ofen und warte. Die Mischung aus Tofu, Karotten, Tomatenmark, Agavensirup, Salz, Gewürzen und Zucchini brutzelt vor sich hin und erfüllt die Küche mit süßlich-pikantem Duft. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Der erste Bissen:Herrlich!

Nach ein paar Tagen habe ich einen veganen Rhythmus gefunden. Ich muss nicht mehr nachdenken, wenn ich das Frühstück zubereite, weiß, was ich mittags in der Firmenkantine bestellen kann: Salat mit Essig und Öl. Etwas anderes gibt es nicht. Um meinen Hunger zu stillen, koche ich abends wie ein Weltmeister. Zucchini-Pasta mit Tofu-Bolognese, Quinoa-Pfanne mit Baby­spinat und Cashewrahm, gefüllter Kürbis mit Reis und Oliven. Das Zubereiten der Speisen macht wirklich Spaß. Aber weil ich abends nur noch koche vernachlässige ich es, Sport zu machen. Klassischer Anfängerfehler! Abends fühle ich mich vollgestopft, morgens, als hätte ich Steine im Magen. All das schlägt mir aufs Gemüt. Ich werde langsam unausstehlich.

Nach zwei Wochen gönne ich mir deshalb eine Auszeit vom Alltag: Wanderurlaub in den Bergen. Da ist Bewegung quasi unumgänglich. In der Ferienwohnung kann ich mich problemlos vegan versorgen – bis zum Wandertag. Der Rucksack ist gepackt, die Verpflegung vorbereitet, die Bergspitze auf 1700 Meter anvisiert. Auf dem letzten Viertel des Weges – die Pause auf der Almhütte naht – drängen sich Gedanken an Kaiserschmarren und Käsespätzle in meinen Kopf. Ich frage mich, was es für mich dort oben wohl zu essen geben wird?

Dort angekommen dann die Ernüchterung: Schnitzel, Käsespätzle, Weißwürste, Bohnensuppe mit Speck, Landjäger. Wo um Himmels willen sind die veganen Alternativen? Ich bin genervt. Enttäuscht bestelle ich einen Salat. »Einmal den Salat, bitte. Aber ohne den Schinken, ohne den Käse, ohne das gekochte Ei. Ach ja. Und ohne das Joghurtdressing. Das darf ich nämlich nicht essen.« Den ganzen Abstieg kann ich an nichts anderes mehr denken als an den Geschmack von Käsespätzle.

Wieder in der Zivilisation angekommen habe ich 20 vegane Tage hinter mir. 20 Tage, in denen ich mehr an Essen gedacht habe als je zuvor. Denn das größte Problem am Vegansein ist der Alltag. Vielerorts ist man noch nicht ausreichend auf vegane Kost eingestellt. Außerhalb von Großstädten ist es schwer, vegane Produkte zu kaufen, geschweige denn im Restaurant vegane Mahlzeiten serviert zu bekommen. In den meisten Cafés gibt es noch nicht einmal Sojamilch. Wenn man nicht zum sozialen Außenseiter werden oder immer ein Fresspaket in der Tasche haben möchte, muss man sich zwangsläufig beugen. »Isst du schon wieder nur Salat?« »Ja Mutter, gibt ja nichts anderes.« Das schlägt nicht nur einem selbst, sondern auch den Mitmenschen auf Dauer aufs Gemüt.

An Tag 21 meiner veganen Challenge habe ich schließlich das Handtuch geschmissen. Schuld war ein Salat mit Ziegenkäse. Ich – besonders mein Frust und meine schlechte Laune – konnte einfach nicht mehr wider­stehen.

Langsam einsteigen

Später habe ich dem Vegansein aber doch noch eine Chance gegeben und mich nach meiner abrupten Kur noch einmal langsam herangetastet. Dabei habe ich festgestellt, dass mir die vegane Ernährung durchaus guttut, wenn ich mich davon nicht unterbuttern lasse. Tatsächlich fühle ich mich seither fitter, bin seltener müde, kann mich besser konzentrieren. Zu Hause bin ich jetzt leidenschaftlicher Veganer, als Gast kompromissbereiter Vegetarier und im Alltag – da entscheide ich nach Angebot. Und sollte ich demnächst mal wieder auf einer sonnigen Alm in 1000 Metern Höhe sitzen, habe ich sicher einen Teller mit Käsespätzle oder Kaiserschmarren vor mir stehen. Denn was ist die schönste Wanderung wert, wenn man auf dem Gipfel nicht nach Herzenslust genießen kann? /

Die Autorin

Claudia Herwig arbeitete nach ihrer Ausbildung zur PTA sieben Jahre in einer Apotheke in Frankfurt am Main. Nach ihrem Kunstpädagogik-Studium wechselte sie zur Online-Redaktion des Magazins »Glamour« in München und ist dort heute als Redakteurin verantwortlich für die Ressorts Liebe und Lifestyle.

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