Hilfe fürs Immunsystem |
01.09.2014 14:45 Uhr |
Von Isabel Weinert / PTA und Apotheker empfehlen häufig Zink, Vitamin C oder Echinacea, um Erkältungen vorzubeugen beziehungsweise schneller zu überstehen. Aber halten die Substanzen auch, was sich viele von ihnen versprechen? Ein Überblick zur Datenlage.
Täglich 10 Milligramm Zink für Männer und 7 Milligramm für Frauen, das reiche, um die Zink-abhängigen Abläufe im Organismus optimal aufrecht zu erhalten, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das Spurenelement ist im Körper fast überall aktiv, erklärt Professor Dr. Hajo Haase vom Institut für Immunologie an der Universitätsklinik Aachen im Gespräch mit PTA-Forum. Etwa 300 von Zink abhängige Enzyme sind bekannt, und im Genom weisen 10 Prozent aller Proteine Strukturen auf, die wie Zink-Bindungsstellen aussehen. Das macht mehrere 1000 verschiedene Proteine in allen Zellen, die ohne Zink nicht arbeiten können.
Abwehr ausgebremst
Ein Mangel an Zink wirkt sich unter anderem auf das Immunsystem aus: Schleimhäute und Haut lassen in ihrer Barrierefunktion nach, mehr Keime schaffen den Weg ins Innere des Körpers. Besonders die Effektivität des spezifischen Immunsystems leidet, wenn Zink fehlt. Die Zahl der Abwehrzellen sinkt, und damit auch die Fähigkeit, sich besonders gegen aggressive Krankheitserreger gut zu verteidigen, erklärt Haase. Auch die durch Zink vermittelte Kommunikation der Zellen untereinander leidet, wenn es am Spurenelement mangelt.
Was aber nutzt die Zinkzufuhr über eine bedarfsdeckende Ernährung hinaus? Vorhandene Studien zum Thema lassen sich aufgrund unterschiedlicher Abläufe und Dosierungen kaum miteinander vergleichen. In diesem Fall hilft eine Analyse der Cochrane Collaboration weiter, ein Zusammenschluss von Ärzten und Wissenschaftlern, die systematische Übersichtsarbeiten erstellen. Das Ergebnis der letzten Veröffentlichung: Zink kann Erkältungskrankheiten um einen Tag verkürzen, wenn es binnen der ersten 24 Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome eingenommen wird. Für Lutschtabletten wurde in der Analyse eine Dosierung von 75 Milligramm täglich angegeben. Eine Menge, die gehäuft Nebenwirkungen mit sich bringt, vor allem Übelkeit und Geschmacksstörungen. Wer länger bei dieser Dosis bleibt, entwickelt eine Kupfermangel-Anämie, die gefährlich werden kann. Auf der sicheren Seite bewegt sich, wer eine Menge von 30 bis 35 Milligramm pro Tag – inklusive Nahrungszink – nicht überschreitet, so Haase. In Deutschland erhältliche Zinkpräparate enthalten pro Dosis maximal 25 Milligramm des Spurenelements.
Es gibt einige Hinweise, dass Zink bei längerfristiger Gabe auch Erkältungen vorbeugen kann. Die Datenlage dazu ist aber nicht eindeutig. Die empfohlenen Tagesdosen dürfen bei der Prophylaxe jedenfalls nicht überschritten werden.
Besonders Senioren fehlt es häufig an Zink. Untersuchungen zeigen, dass der Gehalt im Serum generell bei älteren Menschen abnimmt. Diabetiker können aufgrund einer erhöhten Zink-Ausscheidung ebenfalls häufiger einen Mangel entwickeln. Spezielle Empfehlungen zur Zinkaufnahme für diese Gruppen existieren jedoch nicht.
Vitamin C
100 Milligramm Vitamin C pro Tag benötigen Erwachsene laut den Referenzwerten der Nährstoffzufuhr der DGE. Laut Nationaler Verzehrsstudie II nehmen sowohl Erwachsene als auch Kinder reichlich Ascorbinsäure auf, meist über den eigentlichen Bedarf hinaus. Vitamin C spielt im Organismus eine wichtige Rolle als Antioxidationsmittel. Es reagiert mit Prooxidanzien. Das schützt zum Beispiel LDL, das »schlechte« Cholesterol, und die DNA vor einer Oxidation. Vitamin C regeneriert unter anderem Tocopherol und Glutathion, inaktiviert Arzneimittel und Gifte in der Leber und hemmt die Reaktion von Nitrit mit Aminen. Im Rahmen der Immunabwehr spielt es eine Rolle bei der Nukleinsäurereparatur, bei der Gentranskription, der Proteintranslation und der posttranslationalen Proteinmodifikation.
Seit vielen Jahrzehnten diskutieren Wissenschaftler, ob das Vitamin als Supplement im Kampf gegen Erkältungskrankheiten nutzt. Das letzte Cochrane-Review berücksichtigt bei dieser Frage placebokontrollierte Studien, in denen Probanden 200 Milligramm oder mehr Vitamin C pro Tag einnahmen, zum Teil über mehrere Jahre. Die Ergebnisse der Studien zeigten aber, dass eine Vitamin C-Gabe keinen Einfluss auf das Auftreten von Erkältungskrankheiten in der Allgemeinbevölkerung hat. Allerdings: Marathonläufer, Skifahrer und Soldaten profitierten von der Vitamin-Gabe während des Trainings, also Menschen, die über kurze Zeiträume großem körperlichen Stress ausgesetzt sind. Bei ihnen halbierte sich das Risiko, an einem grippalen Infekt zu erkranken.
Wenn die Einnahme von Vitamin C auch keinen Einfluss der Erkrankungshäufigkeit hatte: Dauer und Schwere eines Infekts ließen sich durch die Einnahme von Vitamin C durchaus verringern, bei Kindern (Reduktion der Dauer um 14 Prozent) stärker als bei Erwachsenen (Abnahme um 8 Prozent). Unter Nebenwirkungen wie Durchfall, der bei sehr hohen Dosierungen auftreten kann, litten Studienteilnehmer, die Vitamin C einnahmen, nicht häufiger als die Probanden, die ein Placebo bekommen hatten. Die Autoren der Cochrane-Analyse halten eine Routine-Supplementierung wegen des fehlenden Einflusses auf die Erkrankungshäufigkeit aber trotzdem für nicht gerechtfertigt. Da das Vitamin jedoch die Erkältungsdauer verkürzt, die Schwere mindert und zudem sicher ist, sei es sinnvoll, den Nutzen auf individueller Basis auszuprobieren. Das gilt sowohl für die Allgemeinbevölkerung als auch für Menschen mit großer körperlicher Belastung. Die Wissenschaftler halten es aber für notwendig, weitere Studien durchzuführen, um die Wirksamkeit von Vitamin C bewerten zu können.
Achtung: Hohe Vitamin-C-Dosen können Nierensteinen Vorschub leisten. Das ist zumindest das Ergebnis einer schwedischen Studie mit 23 355 Männern zwischen 45 und 79 Jahren. Bei einer Tagesdosis von 1000 Milligramm beobachteten die Wissenschaftler beinahe eine Verdopplung des Nierenstein-Risikos. Von einer hoch dosierten Vitamin C-Zufuhr sollten PTA und Apotheker Männern in diesem Alter deshalb abraten, allen voran jenen, die schon Nierensteine hatten. Frauen hingegen entwickeln insgesamt seltener Nierensteine als Männer.
Echinacea
Der Sonnenhut (Echinacea) stammt aus Nordamerika und wird dort ebenso wie in Europa seit vielen Jahren angewendet, um das Immunsystem des Menschen zu stärken. Die Crux: Zum Einsatz kommen Zubereitungen dreier verschiedener Echinacea-Arten, verschiedene Pflanzenteile sowie unterschiedliche Extraktionsmittel und galenische Zubereitungen. Das ergibt in Untersuchungen zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungskrankheiten einen Mix, aus dem sich schwer eindeutige Ergebnisse ziehen lassen.
Die letzte Analyse der Cochrane Collaboration kam zu folgenden Ergebnissen: In keiner der Studien, in denen Echinacea der Vorbeugung von Erkältungen dienen sollte, zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied gegenüber Placebo. Die Wissenschaftler errechneten verglichen mit Placebo eine absolute Reduktion des Risikos von 10 Prozent. In sieben Studien, die sich der Erkältungsdauer widmeten, fand sich lediglich bei einer ein statistisch signifikanter Effekt, verglichen mit Placebo. Zudem brachen die Teilnehmer, die Echinacea-Zubereitungen zur Prävention einnahmen, die Therapie wegen Nebenwirkungen tendenziell häufiger ab als die Probanden, die ein Placebo bekamen. In den Behandlungsstudien lagen die Abbruchraten bei Verum und Placebo aber gleichauf. Weitere Untersuchungen stehen noch aus, um Klarheit in die heterogene Produktvielfalt zu bekommen. Viele Präparate wurden bis dato in klinischen Studien nicht untersucht.
Hygiene hilft
Nach einem durchschlagenden Mittel gegen die banale Erkältung suchen Wissenschaftler also weiterhin, bislang jedoch erfolglos. Der beste, erwiesenermaßen hilfreiche Ratschlag zum Schutz vor einer Infektion lautet: so oft wie möglich Hände waschen. /