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Schilddrüse

Unscheinbar und unentbehrlich

Eine Vergrößerung kann auch bei Knoten oder schlimmstenfalls Krebs auftreten. »Knoten sind sehr, sehr häufig«, weiß Weber. Als »kalt« bezeichnen Mediziner dabei diejenigen Knoten, die keine oder wenig Schilddrüsenhormone herstellen. Oft genügt hier ein kon­trolliertes Abwarten und Beobachten. »Heiße«, also autonome Knoten, setzen hingegen ungebremst Hormone frei.

Auch eine Entzündung der Schilddrüse ist möglich. Akute Verläufe durch Bakterien oder Viren sind die Ausnahme. Wesentlich häufiger ist sie durch eine Autoimmunreaktion chronisch ent­zündet. Dabei greifen Antikörper körper­eigenes Gewebe an. Bei Morbus Basedow richten sich diese gegen den TSH-Rezeptor und aktivieren ihn. Das regt das Wachstum der Schilddrüse an, setzt aber auch Hormone frei, die zur Überfunktion führen. Typisch ist die Beteiligung der Augen, die als Glubschaugen hervortreten.

Auch bei Hashimoto-Thyreoiditis lassen sich Autoantikörper nach­weisen. Zwar vergrößert sich die Schilddrüse manchmal zu Erkrankungsbeginn, einhergehend mit einer Überfunktion, im weiteren Verlauf wird die Schilddrüse jedoch zu­nehmend zerstört, sodass die Er­kran­kung häufig in einer Unterfunk­tion mündet. Da Autoimmunerkrank­ungen nicht selten gemeinsam vorkommen, treten sie gehäuft bei Patienten mit Typ-1-Diabetes, Morbus Addison und Zöliakie auf. Mitunter wird Selen therapeutisch genutzt, da es immun­modulierend wirkt. Weil Nebenwirk­ungen möglich sind, gehört die Behand­lung aber in ärztliche Hand. Darüber hinaus können auch Arzneimittel wie Amjodaron oder Lithium Funktionsstörungen der Schilddrüse hervorrufen.

»Eine Unter-, aber auch eine Überfunk­tion kann zu schweren Störungen führen­ und potenziell lebensbedrohlich sein«, erinnert Weber. Zwar sind Extrem­fälle in der Praxis selten. Dennoch drohen unbehandelt Risiken: Eine Überfunktion belastet das Herz-Kreislauf-System, begünstigt Vorhofflimmern und Osteoporose und führt zum Abbau von Eiweiß. Besonders bei vorgeschädigtem Herz oder bei älteren Menschen ist deshalb Vorsicht ge­boten. Bei einer Unterfunktion steigt ebenso das Risiko für tödliche Herz­erkrankungen, aber sie erschwert auch den Kinderwunsch.

Therapie mit Maß und Ziel

Gleichzeitig bergen die vielfältigen Symptome die Gefahr einer Übertherapie. Nicht nur dem Arzt, sondern auch dem Patienten fällt es mitunter schwer, abzugrenzen, welche Beschwerden dem Organ zuzuschreiben sind, welche unabhängig bestehen und welche gar hineininterpretiert werden. »TSH ist ein schwankender Wert«, gibt der Endokrinologe zu bedenken. Daher müssen Labor­werte immer im Gesamtkontext einschließlich Klinik, Ultraschall und Antikörperbestimmung betrachtet werden. »Ein alleiniger grenzwertiger TSH-Wert stellt hingegen keine Indikation zur Therapie dar«. Hierzulande wird seiner Meinung nach etwas zu schnell und etwas zu häufig der Rezept­block gezückt. Stattdessen empfiehlt er, auch subklinische Funk­tionsstörungen gründlich abzuklären und nicht Labor­werte zu behandeln, sondern den Menschen.

Sonderfall: In anderen Umständen

Im Laufe der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Schilddrüsenhor­monen und Jod an. Da beides für die normale­ körperliche und geistige Entwicklung des Kindes unver­zichtbar ist, sollten Frauen bereits bei Kinderwunsch Jod substituieren. »Auch Frauen mit Hashimoto Thyreoi­ditis dürfen Jod zu sich nehmen«, beruhigt Weber. »Dennoch sollten sie es mit ihrem Arzt ab­sprechen«. Da sowohl eine Über- als auch Unterfunktion das intrauterine Wachstum verzögern kann, wird die Schilddrüse routinemäßig bei jeder Schwangeren kontrolliert, um eine Funktions­störung rechtzeitig zu erkennen. Unbehandelt drohen an­sonsten vermehrt Fehl-, Früh- und Totgeburten, und ein erhöhtes Risiko für Präeklampsie wird diskutiert.

Die Schilddrüse des Fetus beginnt etwa ab Woche zwölf, Jod aufzu­nehmen und Schilddrüsenhormone herzustellen. Voll funktionsfähig ist sie ab der 18. bis 20. Woche. Daher muss der Arzt die Medikamente ­ge­rade bis dahin gut einstellen. ­Bekommt der Embryo durch eine un­behandelte Hypo­thyreose oder einen Jodmangel der Mutter nur unzu­reichend Schilddrüsenhormone und Jod, kann das zu Lasten der Intelligenz und des Längen­wachstums gehen. Das Vollbild heißt »Kretinismus«, kommt aber Gott sei Dank nur noch sehr selten­ vor. Eine Unterfunktion wird normalerweise sicher und problemlos mit L-Thyroxin ausgeglichen.

Bei einer Überfunktion dient ­Propylthiouracil als Mittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit. Im Gegen­satz zu den sonst bevorzugten Mitteln ruft es zwar häufiger Neben­wirkungen bei der Mutter hervor und muss mehrmals täglich verabreicht werden. Da bei Thiamazol und Carbimazol­ jedoch ein seltenes­ Fehlbildungsmuster beschrieben wurde, nimmt diese Unannehmlichkeit wohl jede werdende Mutter gerne in Kauf. Dennoch passieren alle Thyreo­statika die Plazenta und können so eine ­fe­tale Unterfunktion oder ein Struma hervor­rufen. Um die Dosis so gering wie möglich zu halten­, sollten Thyreo­statika deshalb­ nicht mit Thyroxin­ kombiniert­ werden­. Absolut kon­­tra­indiziert ist die Radio­jodtherapie.

Einnahmezeitpunkt beachten

Ist eine Therapie nach sorgfältiger Abklär­ung nötig, ­stehen neben der Jod-Supplementierung grundsätzlich drei Prinzipien zur Verfügung: Hormone können ersetzt oder gedrosselt sowie Gewebe entfernt werden.

Bei einer Unterfunktion liegt es nahe, die fehlenden Hormo­ne zu er­gänzen. In der ­Regel wird nur Levothyroxin (L-Thyroxin, T4) substituiert und langsam eingeschlichen. Die nötige Menge T3 kann der Körper – bis auf wenige­ Ausnahmen – schließlich selbst daraus herstellen. Durch die lange Halbwertszeit von einer Woche genügt die einmal tägliche Einnahme. Die Tablette sollte mindestens 30 Mi­nuten vor dem Frühstück eingenommen werden, um die Resorption nicht zu beeinträchtigen. Dank Tanninen und Gerbstoffen gilt der Abstand übrigens auch für Kaffee und Tee. Wem das schwerfällt, der kann die Tagesdosis vor dem Schlafen­ einnehmen. Dass bei den Präparaten Firmenwechsel tabu sind, ist seit der Substi­tutions-Austauschliste ein alter Hut und allseits bekannt.

Obwohl mit der Substitution von T4 fast alle Patienten gut eingestellt werden können, weiß Weber aus der Praxis: »Die alleinige Substitution mit T4 ist vielleicht für manche Patienten nicht das Optimale«. Dann stehen Präparate mit T3 oder einer Kombination von T3 und T4 zur Verfügung (Thybon®, Novothyral®). »Allerdings ist in den Prä­pa­raten T3 in der Regel zu hoch dosiert«, kritisiert er. Da die Halbwertszeit deutlich kürzer ist, müsste T3 am besten mehrmals täglich verabreicht werden. In der Praxis lässt sich das nicht um­setzen, wodurch Nebenwirkungen bei den Konzentrationsspitzen möglich sind. Nicht zuletzt deshalb­ gehört diese Therapie in die Hand erfahrener Endokrinologen und sollte Ausnahmefällen vorbehalten sein. Standardtherapie ist und bleibt daher L-Thyroxin.

Kröpfe und Knoten lassen sich am besten in Kombination von T4 und Jod behandeln und vorbeugen. Auch eine Monotherapie entweder nur mit Jod oder Schilddrüsen­hormonen ist möglich. Allerdings sei insgesamt die medikamentöse Therapie nicht sehr effektiv.

Eine Überfunktion kann mit Thyreostatika behandelt werden. Jodinationshemmer wie Perchlorat (Irenat®), hochdosiertes Jod oder Lithium hemmen die Aufnahme von Jod in die Schilddrüse. Bei mehr als 5 mg Iodid pro Tag unterdrückt Iod sogar die Freisetzung der Hormone (»Plummerung«). Diese Wirkung ist begrenzt, setzt aber innerhalb eines Tages ein. Daher wird sie bei der thyreotoxischen Krise sowie zur Operationsvor­bereitung ver­wendet. ­Lithium wirkt ähnlich. Die sogenannten Io­disa­tionshemmer wie Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil hemmen die Hormonproduktion selbst. Der Vorrat bereits gebildeter Hormone verhindert jedoch, dass sie sofort Wirk­ung zeigen. Zur Überbrückung können Beta­blocker die Symptome lindern.

Vielfältige Nebenwirkungen limitieren bei allen Thyreostatika die Therapie­dauer. Sie reichen je nach Wirkstoff vom Leber­schaden über das nephrotische Syndrom bis hin zur Agranulozytose. Medikamente sind also keine Dauer­lösung. Ist eine Spontanheilung wie bei Morbus Basedow möglich, wird zunächst­ für eine bestimmte Zeit medikamentös be­handelt. Tritt die Überfunktion nach dem Absetzen erneut auf, so rät der Arzt zu einer definitiven Therapie. Eine Möglichkeit stellt die Radio­iodtherapie dar: Unter stationären Beding­ungen wird radioaktives ­Iod-131 ver­abreicht, das sich in der Schilddrüse anreichert. Da die Strahlung­ weniger als einen Millimeter reicht, gilt die Therapie­ als sicher und nebenwirkungsarm. Alter­nativ können­ Ärzte eine Vergrößerung oder einen Knoten sowie Krebs natürlich auch operativ entfernen. Neben der Narbe kann der Eingriff Schäden an der Neben­schilddrüse, sowie Ver­letzungen der Stimmbänder mit sich bringen. Welche Therapie­form die richtige ist, hängt von vielen Faktoren ab. /

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