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Mittelohrentzündung

Antibiotikum oder Zwiebelsäckchen?

Datum 11.10.2013  14:14 Uhr

Von Susanne Poth / Die Mittelohrentzündung gehört bei kleinen Kindern zu den häufigsten, vor allem aber zu den schmerzhaftesten Infekten. Dennoch: Die Selbstheilungsrate ist hoch. Experten raten daher von einem vorschnellen Einsatz von Antibiotika ab.

Neun von zehn Kindern sind bis zum dritten Lebensjahr mindestens einmal von einer Mittelohrentzündung, der Otitis media, betroffen. Die Gründe: Das Immunsystem der Kleinen ist noch nicht völlig ausgereift und die Ohrtrompete, auch Eustachische Röhre genannt, der Verbindungskanal zwischen Innenohr und Nasen-Rachen-Raum, ist noch sehr kurz und eng, sodass Krankheitserreger schnell eindringen können. Schwillt die Schleimhaut in diesem Kanal an, schließt sich die Tube, der Abfluss von eitrigem Sekret wird gestaut und die Erreger vermehren sich ungehindert.

Das Vorspiel zu dieser schmerzhaften Erkrankung besteht in der Regel aus einer viralen Atemwegserkrankung: eine Erkältung oder ein grippaler Infekt, der Nase, Hals und Bronchien betrifft. Die Viren greifen die Schleimhäute an, schwächen sie und können Bakterien den Weg ebnen, um einzudringen und sich niederzulassen.

Der häufigste bakterielle Keim ist Streptococcus pneumoniae. Daneben können auch Haemophilus influenzae, Streptococcus pyogenes, Moraxella catarrhalis und Staphylococcus aureus sowie seltener Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa Mittelohrentzündungen hervorrufen. Häufig liegen Mischinfektionen viraler und bakterieller Keime vor, aber auch allergische Reaktionen sind als Ursache einer Otitis media möglich. Gelegentlich stecken sich Kinder einen spitzen Gegenstand ins Ohr, durchstechen damit das Trommelfell und provozieren so eine bakterielle Entzündung.

Die akute Mittelohrinfektion meldet sich meist plötzlich mit einem stechenden Schmerz im Ohr. Sanftes Ziehen am Ohrläppchen oder Druck gegen die Ohrmuschel lässt das Kind aufschreien. Bei Säuglingen und kleinen Kindern ist die Symptomatik oft eher unspezifisch – sie sind unruhig, fiebrig, schreien und wollen nicht essen oder trinken. Oft erkennen die Eltern nicht sofort, dass der Schmerzauslöser im Ohr steckt. Besteht der Verdacht auf einen Mittelohrinfekt, sollten Eltern mit kleinen Kindern immer den Kinderarzt aufsuchen.

Bei seiner Untersuchung wirft der Arzt mit dem Otoskop routinemäßig einen Blick ins Ohr. »Zu Beginn einer Mittelohrentzündung sieht man eine zunehmende Gefäßzeichnung im Trommelfell, denn der Blutstrom steigt dort durch die Entzündung stark an. Im Verlauf rötet sich die Membran auch insgesamt stark«, erklärt Dr. Wolf Amrein, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Wiesbaden. »Das Trommelfell wölbt sich durch das im Mittelohr gebildete Sekret meist nach außen. Der beim gesunden Trommelfell vorhandene Lichtreflex verschwindet und das Trommelfell erscheint matt.« Klingt die Entzündung wieder ab, sieht das Trommelfell oft retrahiert aus, das heißt, es wölbt sich nach innen. Bei einem unkomplizierten Verlauf normalisiert sich der otoskopische Befund nach etwa 10 bis 14 Tagen wieder, auch wenn die Kinder schon wesentlich früher beschwerdefrei sind.

Eher selten, so erklärt der Pädiater weiter, trete eine Perforation der Membran ein. Dann sammle sich Sekret im äußeren Gehörgang, welches im Verlauf eintrockne. In diesem Fall rät der Kinderarzt dazu, das Ohr nach circa zwei Wochen noch einmal kontrollieren zu lassen.

In Fachkreisen ist die Frage umstritten, ob bei einem Mittelohrinfekt umgehend ein Antibiotikum verabreicht werden soll. »In circa 80 Prozent der Fälle ist eine antibiotische Therapie nicht erforderlich, zumal die überwiegende Zahl der Infekte viral bedingt ist«, weiß Amrein. »Selbst bakterielle Infekte müssen nicht grundsätzlich anti­biotisch therapiert werden. In der Regel reicht die Therapie mit Schmerzmitteln aus, gegebenenfalls ergänzt durch die Verabreichung von abschwellendem Nasenspray, um für die Belüftung der Ohrtrompete zu sorgen. Das Kind ist in der Regel nach zwei bis drei Tagen beschwerdefrei. Zusätzlich wirken gerade in der Anfangsphase auch Zwiebelsäckchen nicht nur gut schmerzlindernd, sondern auch antientzündlich.« (siehe Kasten)

Zwiebelsäckchen

So wirds gemacht: Ein bis zwei Zwiebeln kleinschneiden und in einen Mullfingerling füllen. Oben und unten mit einem Faden verschließen. Diese »Wurst« auf einem umgedrehten Topfdeckel auf dem Wasserbad leicht erwärmen. Anschließend den Wickel um die Ohrmuschel herumlegen und mit einem Tuch oder Schal fixieren.

Nutzen nicht belegt

Damit bestätigt der Mediziner die aktuelle Studienlage, die einen Nutzen von Antibiotika bei Mittelohrinfekten nicht eindeutig belegt. Demnach ist die Selbstheilungsquote sehr hoch, und die kleinen Patienten schlucken das Antibiotikum häufig umsonst, allerdings oftmals mit Nebenwirkungen wie Ausschlägen, Übelkeit oder Erbrechen. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) empfiehlt den Eltern, die Kinder körperlich zu schonen. Insbesondere bei Fieber sollten die kleinen Patienten außerdem viel trinken. In ihren Leitlinien, die sich zurzeit in einer Überarbeitung befinden, raten die Fachleute davon ab, lokale Schmerzmittel ins Ohr zu tropfen. Diese dringen ohnehin nicht bis ins Mittelohr vor, sondern bleiben im äußeren Gehörgang. Das behindert die Sicht auf das Trommelfell und erschwert die Diagnose einer Perfora­tion.

Faktoren, die eine Otitis media begünstigen:

  • Häufiger betroffen sind Jungen, Kinder aus Großfamilien und Allergiker
  • Luftverschmutzung in Ballungsräumen
  • Passivrauchen
  • Kita-Besuch
  • Flaschenfütterung
  • Schnuller

Je nach Befund können Eltern also zunächst ein bis zwei Tage abwarten, ob sich die Lage unter Gabe von Paracetamol oder Ibuprofen sowie unter Alpha-Sympathomimetika als Nasentropfen oder -spray entspannt. Trotzdem gibt es Befunde, bei denen sich der Einsatz von Antibiotika nicht vermeiden lässt. Dazu erklärt der Wiesbadener Pädiater: »Antibiotika verabreiche ich vor allem dann, wenn der Verlauf kompliziert ist, das heißt bei hohem Fieber über mehr als zwei bis drei Tage, starken Schmerzen, die sich unter einer Schmerztherapie mit Ibuprofen oder Paracetamol nicht ausreichend bessern, oder bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion bei Kindern unter zwei Jahren. Bei ihnen ist das Immunsystem noch nicht so gut ausgebildet und es kann deshalb häufiger zu Komplikationen kommen. Außerdem verordne ich die Antibiose bei einer länger anhaltenden Otorrhoe, das heißt, wenn der Sekretfluss nach einer Perforation länger als eine Woche dauert.«

In der Regel setzt Amrein dann Amoxycillin oder Cephalosporine wie Cefaclor ein. Lassen sich im Abstrich A-Streptokokken nachweisen, verordnet er Penicillin. Da die Therapie mit Breitbandantibiotika immer auch die Darmflora schädige und damit die Funktion des Immunsystems potenziell beeinträchtigen könne, empfiehlt der Kinderarzt, das Kind nach der abgeschlossenen Therapie vier Wochen lang mit einem Probiotikum zu behandeln.

Konstitutionsmittel: Die persönliche Arznei

Konstitutionsmittel beziehen das gesamte Persönlichkeitsbild mit körperlichen und psychischen Eigenschaften, aber auch Ängste, Träume und geschmackliche Vorlieben des Patienten mit ein. Sie haben damit den Anspruch eines umfassenden Einflusses auf das Heilgeschehen. Der behandelnde Homöopath ermittelt in einer ausführlichen Anamnese das jeweils passende Homöopathikum. Die Konstitutionsmittel, auch personotrope Homöopathika genannt, kommen in hohen Potenzen zum Einsatz.

Persönliches Mittel

Da der Kinder- und Jugendmediziner auch homöopathisch ausgebildet ist, greift er bei Mittelohrinfekten auch auf komplementärmedizinische Methoden zurück: »Nach meiner Erfahrung werden Mittelohrinfekte homöopathisch am besten mit dem sogenannten Konstitutionsmittel des Patienten behandelt, weil dieses dann tatsächlich zur Heilung führt. Die Therapie mit anderen niedrigpotenten homöopathischen Mitteln, also D4 oder D6, ist oft zu ungenau und führt nicht selten zur Symptomverschiebung. Das heißt, die Otitis bessert sich zwar, aber das Kind entwickelt dann eine Tonsillitis, eine Bronchitis oder andere Symptome, weswegen ich diese Art der Therapie nicht empfehlen kann.« /

E-Mail-Adresse der Verfasserin
redaktion.poth(at)arcor.de

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