Den häufigsten Fehler vermeiden |
Von Andreas Melhorn / Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e.V. prüft seit Jahren in Ringversuchen Rezepturen, die Apotheken freiwillig einsenden. Einer der Hauptgründe für eine Beanstandung der Rezeptur ist ein zu niedriger Wirkstoffgehalt. Die richtige Berechnung der Einwaagekorrektur hätte dies in den meisten Fällen verhindern können.
Der Wirkstoffgehalt kann aus verschiedenen Gründen zu niedrig sein kann. Zum einen können zum Beispiel bei der Wägung Verluste entstehen, zum anderen sind manche Wirkstoffe in der Rezeptur chemisch instabil. Mitunter ist auch der Gehalt der verwendeten Rezeptursubstanz geringer als angegeben, das heißt der Ist-Gehalt liegt unter dem Soll-Gehalt.
Verluste bei der Herstellung lassen sich meist durch sauberes Arbeiten vermeiden. Nur in seltenen Fällen empfiehlt der Deutsche Arzneimittel-Codex (DAC) beziehungsweise das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) einen Zuschlag, um Verluste bei der Herstellung auszugleichen. Bei einigen Standardrezepturen sowie in den Rezepturhinweisen unter www.dac-nrf.de finden sich solche Fälle. Wenn die verordneten Substanzmengen sehr gering sind, ist es hilfreich Rezepturkonzentrate zu verwenden. Die chemische Instabilität eines Wirkstoffs kann dazu führen, dass PTA oder Apotheker bei der Einwaage einen Zuschlag berücksichtigen müssen.
Weitaus häufiger als ein Verlust wegen Instabilität ist ein bereits zu geringer Wirkstoffgehalt der eingesetzten Rezeptursubstanz. In diesem Zusammenhang ist es auch von Bedeutung, zwischen den Begriffen Rezeptursubstanz, Wirkstoff und Wirkkomponente zu unterscheiden (siehe auch Kasten auf Seite 15). Folgende Aspekte können zu einem zu geringen Wirkstoffgehalt führen:
Auf manche Rezepturen treffen gleich mehrere dieser Punkte zu. Ein geminderter Gehalt laut Prüfzertikat kann durch Nebenprodukte und Verunreinigungen bei der Herstellung bedingt sein oder aufgrund der Ungenauigkeit der Gehaltsbestimmung. Aus diesem Grund definiert das Arzneibuch fast immer einen Gehaltsbereich.
Die Berechnung der Einwaagekorrektur kann mit einem einfachen Dreisatz erfolgen oder – wenn mehrere Gründe gleichzeitig vorliegen – recht komplex werden. Eine ausführliche Erklärung der Berechnungen befindet sich in Kapitel I.2.1.1 des DAC/NRF.
Es folgen zwei Beispiele, die häufig Schwierigkeiten machen: Gentamicinsulfat und Lidocainhydrochlorid.
Die Einwaagekorrektur wird als Faktor f berechnet. Dabei sind einige Grundregeln zu beachten:
Erstes Beispiel
Der Arzt verschreibt 100 g einer 0,2-%igen Gentamicinsulfat-Salbe.
Gentamicinsulfat wird wie einige andere Antibiotika in Internationalen Einheiten (I.E.) dosiert. Daher gibt das Prüfzertifikat den Gehalt der Rezeptursubstanz in I.E./mg an. Da Gentamicin einen hohen Wassergehalt aufweist und sich der Gehalt auf die getrocknete Substanz bezieht, muss auch dieser in die Rechnung einbezogen werden.
Verordnet der Arzt den Gentamicin-Gehalt in Prozent oder gibt das gewünschte Gewicht an, müssen PTA oder Apotheker den Wert zuerst in Internationale Einheiten umrechnen. Bei Gentamicin hat sich ein »Referenzwert« von 600 I.E./mg etabliert, auf den sich die meisten Fertigarzneimittelhersteller beziehen.
Laut Prüfzertifikat enthält die Rezeptursubstanz nur 583 I.E./mg. Dieser Wert bezieht sich auf die getrocknete Substanz. Außerdem gibt das Prüfzertifikat einen Wassergehalt von 0,5 % an.
Ist-Gehalt = 616 I.E./mg
Wassergehalt = 8,2 %
Der Gehalt der ungetrockneten Substanz berechnet sich wie folgt:
[Gehalt ungetrocknete Substanz] = [Gehalt laut Prüfzertifikat] x
(100 - Wassergehalt) / 100
= 616 I.E./mg x (100 – 8,2) / 100
= 565,488 I.E./mg
Nach der Ermittlung des Ist-Gehalts der Rezeptursubstanz kann der Korrekturfaktor berechnet werden:
Soll-Gehalt = f x Ist-Gehalt
f = Soll-Gehalt / Ist-Gehalt
f = 600 I.E./mg / 565,488 I.E./mg
f = 1,061
Der Korrekturfaktor f = 1,061 gilt nur für den Fall, dass der Arzt als Arzneistoff Gentamicinsulfat verordnet hat. Für Gentamicin-Base ergibt die Berechnung den Wert f = 1,768. Dieser Korrekturfaktor ist also nur für Rezepturen relevant, bei denen der Arzt die Wirkkomponente Gentamicin – statt des Wirkstoffs Gentamicinsulfat – verordnet hat. Manche Ärzte machen allerdings keinen Unterschied zwischen Wirkstoff und Wirkkomponente. Im Zweifelsfall sollte der Arzt konsultiert werden.
Beispiel:
Rezeptursubstanz: Lidocainhydrochlorid (Monohydrat)
Wirkstoff: Lidocainhydrochlorid
Wirkkomponente: Lidocain
Zweites Beispiel
Der Arzt verschreibt ein 2%iges Lidocain-Gel für die Mundschleimhaut.
In einem Hydrogel empfiehlt es sich, Lidocainhydrochlorid zu verwenden, weil sich dieses darin löst. Der entsprechende Einwaagekorrekturfaktor wird ausgewählt, je nachdem ob der Wirkstoff (Lidocainhydrochlorid) oder die Wirkkomponente (Lidocain) verordnet ist.
Die Angaben auf dem Prüfzertifikat lauten wie folgt.
Ist-Gehalt der getrockneten Substanz = 99,7 %
Trocknungsverlust/Wassergehalt = 6,0 %
Berechnung:
f = Soll-Gehalt / Ist-Gehalt
Soll-Gehalt = 100 %
Ist-Gehalt = 99,7 % x ((100-6,0 %) / 100) = 93,718 %
f = 100 % / 93,718 %
f = 1,067
Dies wäre der Korrekturfaktor, wenn der Arzt die Gehaltsangabe mit Lidocainhydrochlorid gemacht hätte, zum Beispiel 2%iges Lidocainhydrochlorid-Gel. In diesem Beispiel geht er allerdings von der Wirkkomponente Lidocain aus. Der Korrekturfaktor für die Wirkstoffkomponente errechnet sich aus dem Verhältnis der Molaren Massen Mr von Wirkstoff und Wirkkomponente.
Die molaren Massen der Substanzen findet man zum Beispiel in der Arbeitshilfe »Einwaagekorrekur« im DAC/NRF.
fW = fW x MrW/MrWk
MrW = 270,8
MrWk = 234,3
fWk = 1,067 x 270,8 / 234,3
fWk = 1,233
W = Wirkstoff
Wk = Wirkstoffkomponente
Dies ist der Einwaagekorrekturfaktor für die Wirkkomponente Lidocain. Dieser und der Faktor für Lidocainhydrochlorid sollten auf dem Gefäß der Substanz vermerkt werden. /
Auf der CD, die der Losenblattsammlung des DAC/NRF beiliegt, ist eine Excel-Datei namens „Einwaagekorrektur“, die die Berechnung des Korrekturfaktors automatisiert durchführt. Auf der CD-Version des DAC/NRF findet man die Datei, wenn man nach dem Start den Button „Tools“ klickt.
Da von CD gestartete Dateien manchmal nicht verändert werden können, kopiert man sie am besten zunächst auf den Computer und öffnet sie von dort. Auf dem ersten Tabellenblatt wird die Benutzung erklärt. Gern dürfen Apothekenmitarbeiter, die die Berechnung am heimischen Computer nachvollziehen wollen, die Datei abspeichern und zu Hause ausführen.
Eine ausführliche Erklärung der Berechnungen befindet sich in Kapitel I.2.1.1 im DAC/NRF.
Wie dort beschrieben, wählt man zunächst das Tabellenblatt “Liste”. Die verschiedenen Tabellenblätter sind über die Reiter am unteren Rand zu erreichen.
In der Liste findet man die Gruppe, zu der der Wirkstoff gehört. Klickt man auf das Tabellenblatt mit der entsprechenden Gruppe, kann man sich dort die Einwaagekorrektur berechnen lassen.
Erstes Beispiel: Gentamicinsulfat (Gruppe 8)
Ein Blick auf das Tabellenblatt “Liste” der NRF-Excel-Datei “Einwaagekorrektur” verrät, dass Gentamicinsulfat der Gruppe 8 angehört. In der Gruppe 8 gibt es drei gelbe Felder, die ausgefüllt werden müssen.
Werte laut Prüfzertifikat (Beispiel):
Gehalt cs* [I.E./mg] = 616
Trocknungsverlust t/Wassergehalt w [%] = 8,2
“Referenzwert” von Gentamicinsulfat laut Tabelle (siehe Abbildung):
“Referenzwert” cR [I.E./mg] = 600
Die gelben Felder füllt die Apothekenmitarbeiterin aus. Werden die Werte eingetragen, zeigen die blauen Felder folgende Ergebnisse an:
Aktivität / mg ungetrocknete Substanz: Gehalt cs [I.E./mg] = 565,488
für Verordnung nach Masse: f = 1,061
für Verordnung der Gentamicin-Base: f = 1,768
Der untere Korrekturfaktor wäre für eine Rezeptur relevant, bei der der Arzt die Wirkkomponente Gentamicin (statt des Wirkstoffs Gentamicinsulfat) verordnet hat.
Zweites Beispiel: Lidocainhydrochlorid (Gruppe 4)
In Gruppe 4 befinden sich die Wirkstoffe mit Wirkkomponenten, vermindertem Gehalt laut Prüfzertifikat und ggf. Wassergehalt. Der entsprechende Einwaagekorrekturfaktor wird ausgewählt, je nachdem ob der Wirkstoff (Lidocainhydrochlorid) oder die Wirkkomponente (Lidocain) verordnet ist. Im Tabellenblatt “Liste” ist zu finden, dass Lidocainhydrochlorid zur Gruppe 4 gehört.
Ein Klick auf das Tabellenblatt “Gruppe 4” offenbart folgende Tabelle:
Die gelben Werte im Prüfzertifikat (Beispiel):
Gehalt cs* = 99,7 %
Trocknungsverlust t / Wassergehalt w = 6,0 %
Molare Massen laut Tabelle:
Mr-Wirkkomponente = 234,3 (Base)
Mr-Wirkstoff = 270,8 (Salz)
Die blauen Ergebnis: f = 1,233
Sollte der Arzt den verordnet haben (also: ein Gel mit einem Gehalt von 2 % Lidocain) ist der obere der beiden Faktoren der richtige. In diesem Fall sind nur der tatsächliche Gehalt und der Trocknungsverlust relevant für die Berechnung.
Ergebnis: f = 1,067
Beide Faktoren sollten auf dem Standgefäß notiert werden.
E-Mail-Adresse des Verfassers
a.melhorn(at)gmail.com