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Spagyrik

Trennen und vereinen

10.08.2015  10:52 Uhr

Von Lydia Polwin-Plass / Die Spagyrik gehört wie die Homöo­pathie und Anthroposophie zu den besonderen Therapie­richtungen. Die alte Heilkunst unterscheidet sich mit ihren ­philosophischen Grundprinzipien und den darauf aufbauenden Herstellungsprozessen aber in vielen Punkten von anderen alternativen Heilmethoden. Die Basis bildet die Vorstellung, dass in Menschen, Tieren und Pflanzen eine Lebenskraft enthalten ist, die freigesetzt und therapeutisch genutzt werden kann.

Der Name der alten Heilkunst Spagyrik kommt aus dem Griechischen. »Spaein« heißt trennen und »agarein« vereinen – zwei wichtige Grundprinzipen der Spagyrik. Der Lehre zufolge ist die Heilkraft in Naturstoffen wie Pflanzen und Mineralien gebunden. Die natürlichen Ausgangssubstanzen werden der Heilkunst entsprechend in wertvolle und nutzlose Bestandteile aufgetrennt. Die therapeutisch verwendbaren Komponenten werden anschließend wieder zusammengefügt. Ziel einer spagyrischen Therapie ist es, die Lebenskraft zu beeinflussen und die Selbstheilung des Körpers zu unterstützen.

Drei Prinzipien

Spagyriker gehen davon aus, dass in allem eine Art Urkraft oder universelle Lebensenergie existiert, in Menschen, Tieren und Pflanzen. Laut dem Forschungskreis Alchemie entspricht jede Natursubstanz einer ganz spezifischen Modifikation dieser Urkraft.

Neben der Heilung einzelner Organe soll in der Spagyrik nach ganzheitlicher Betrachtung des Körpers auch der Gesamtorganismus belebt werden. Spagyriker gehen sowohl bei der Diagnose als auch der Therapie von einem Zusammenwirken von Körper, Seele und Geist aus. Die Basis bilden drei philosophische Prinzipien: Sal (Salz), Merkur (Quecksilber) und Sulfur (Schwefel). Sal meint Körper und entspricht der stofflichen Basis, Merkur steht für den Geist, die Lebens- und Heilkraft, und Sulfur ist die Seele, das formgebende Prinzip.

Im Ungleichgewicht

Nach der Lehre der Spagyrik ist bei allen Erkrankungen die Vital- oder Lebenskraft beeinträchtigt. Sulfur, das ordnende Prinzip, ist in ein Ungleichgewicht geraten, das sich physisch manifestiert, zum Beispiel als chronische Erkrankung. In einem spagyrischen Arzneimittel müssen die drei Prinzi­pien Sal, Merkur und Sulfur vereint sein. Daher werden die drei Prinzipien der Vorstellung entsprechend bei der Arzneizubereitung von ihrer materiellen Erscheinungsform getrennt und zum Schluss wieder vereint.

Geschichtliche Ursprünge

Ihren geistigen Ursprung hat die Spagyrik in der Alchemie, einem Zweig der Naturphilosophie. Die alte Lehre betrachtet Erde, Kosmos und Mensch ganzheitlich und in gegenseitiger Wechselwirkung. Die Spagyrik ist sozusagen die praktische Anwendung der Alchemie in der Heilkunde.

Bereits im achten Jahrhundert vor Christus existierte in China eine Form der Alchemie, die auch später im Taoismus eine wichtige Rolle spielte. Auch in Indien, Persien, Tibet und Ägypten gab es Vorstufen der Spagyrik. Großen Einfluss auf die europäische Alchemie hatte vor allem die ägyptische Lehre. Im europäischen Mittelalter erlebte die Alchemie eine Renaissance. Allerdings stand im Zentrum der Aufmerksamkeit nicht die Medizin, sondern das Gold. Um sich von den »Goldmachern« klar abzugrenzen, nannten sich Alchemisten, die Arzneimittel herstellten, Spagyriker.

Einer der bekanntesten Spagyriker war Paracelsus (1493 bis 1541). Mit der Herstellung von Arzneimitteln durch alchemistische Verfahren grenzte er seine Heilmethode von der damals üblichen galenischen Medizin ab. Inspiriert von der paracelsischen Spagyrik entstand Ende des 16. Jahrhunderts die sogenannte Iatrochemie oder Chemiatrie. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte Johann Gottlieb Rademacher (1752-1850) die sogenannte Erfahrungsheillehre. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entstanden weitere unterschiedliche Formen der Spagyrik mit verschiedenen Herstellungsverfahren. Zum Teil sind diese heute als standardisierte Herstellungsvorschriften in der Homöopathie zu finden.

Verfahren und Prozesse

Spagyrische Arzneimittel gibt es in Form von Fertigpräparaten, sie können aber auch vom Heilpraktiker individuell zusammengestellt und in der Apotheke hergestellt werden. Dazu werden ausschließlich Naturstoffe verwendet: Metalle, Mineralien, Gesteine, Frischpflanzen, Drogen und tierische Substanzen. Spezielle Verfahren (siehe Kasten) erlauben die Herstellung verschiedener Zubereitungen. Die häufigsten Arzneiformen sind alkoholische Lösungen, die als Tropfen eingenommen werden, sowie Globuli.

Die Erkrankungssymptome sollen nach der Lehre der Spagyrik nicht »kaschiert« werden, vielmehr soll die Therapie einen Heilungsprozess anstoßen. Zur Unterstützung der Selbstheilung im spagyrischen Sinne muss auch nach den Ursachen für die Erkrankung gesucht werden. Bereits Paracelsus hat eine Reihe von Einflüssen auf die Gesundheit aufgelistet: Danach führen unter anderem psychosomatische Ursachen, physikalische, klimatische, geographische Einflüsse und toxische Belastungen zu Erkrankungen.

Wirkung nicht belegt

Spagyrische Arzneimittel sind als Komplexmittel oder als Einzelmittel erhältlich. Ihre Wirkung ist wissenschaftlich nicht belegt. Nebenwirkungen, Gewöhnungs- oder Reboundeffekte sind in der Spagyrik nicht bekannt. Auch Erstverschlimmerungen wie in der Homöopathie kennt die Spagyrik nicht. Rechtlich werden spagyrische Heilmittel wie homöopathische Arzneimittel behandelt: Sie brauchen keine Zulassung, sondern werden lediglich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registriert. /

Herstellungsverfahren in der Spagyrik

Nach Paracelsus' Vorgaben gliedert sich der Herstellungsprozess spagyrischer Heilmittel in vier Stufen. Am Anfang müssen Materie und Heilkraft getrennt werden (Separatio): Durch Faulstoffzersetzung (Putrefication) oder Vergärung (Fermentatio) sollen die Wirkkräfte aus den Ausgangsstoffen freigesetzt werden. Dann folgt die Reinigung, Purificatio, durch Destillation oder Feinfiltration. Der dritte Schritt ist die Veraschung (Calcificatio) und der vierte besteht aus der Wiedervereinigung, Conjugatio genannt. Dabei wird die Asche mit dem Destillat zur spagyrischen Urtinktur verbunden.

Im homöopathischen Arzneibuch (HAB) sind fünf spagyrische Herstellungsverfahren aufgeführt:

Löseverfahren: Ein Feststoff wird in einem Lösungsmittel vollständig aufgelöst. Dabei darf das Lösungsmittel keine Wechselwirkung mit dem zu lösenden Stoff eingehen. Am besten geeignet sind destilliertes Wasser und Alkohol.

Extraktionsverfahren: Mit oder ohne Wärme werden Bestandteile aus Naturstoffen herausgelöst. Die dabei zurückbleibenden Salze dienen zur Herstellung von Tinkturen.

Fermentatives Verfahren: Dieses Verfahren beschreibt ethanolische und milchsaure Gärungen.

Destillationsverfahren: Es wird zwischen einfacher, mehrfacher und Rückflussdestillation unterschieden.

Digestion: Bei dieser Wärmeanwendung unterscheiden Spagyriker zwischen Röstung und Verbrennung sowie Veraschung bei starker Hitze. Bei der Veraschung werden die organischen Anteile einer Subs­tanz verbrannt, zurück bleibt der mineralische Anteil.

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