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Arzneimittel bei Neurodermitis

Hilfe im akuten Schub

15.08.2016  10:28 Uhr

Von Verena Arzbach / Beim atopischen Ekzem kann eine individuell abgestimmte Pflege das Hautbild der Patienten verbessern und Krankheitsschübe hinauszögern. Kommt es dennoch zu einem akuten Schub mit Hautläsionen, gibt es verschiedene Therapieoptionen, die den Betroffenen helfen können.

Bei akuten, aber auch subakuten oder chronischen Ekzemen kommen vor allem topische Glucocorticoide zum Einsatz. Glucocorticoide haben eine antientzündliche, antiallergische und immunsuppressive Wirkung. Ihr Wirkmechanismus setzt sich aus vielen verschiedenen Komponenten zusammen: Unter anderem hemmen Glucocorticoide die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB und damit die Bildung entzündungsfördernder Botenstoffe. Außerdem fördern sie gleichzeitig die Synthese des entzündungshemmenden Proteins Lipocortin. Meist reicht bei Neurodermitis die Wirkung schwacher bis mittelstark wirksamer Corticoide wie Hydrocortison, Prednisolon, Dexamethason oder Triamcinolon­acetonid aus, um die Ekzeme zu bessern.

Patienten sollten die Gluco­corticoid-Zubereitung bis zum Abheilen der Läsionen in der Regel einmal täglich auftragen, in Ausnahmefällen auch zweimal täglich. Das empfehlen Dermatologen in der AWMF-Leitlinie »Neurodermitis«, die im vergangenen Jahr überarbeitet und aktualisiert wurde. Allerdings eignen sich Glucocorticoide nicht zur Behandlung aller Körperstellen: Problemzonen sind Gesicht, Hals, Genital­bereich sowie Flächen, bei denen sich gegenüberliegende Hautflächen berühren, etwa in der Achselhöhle, in der Gesäßfalte oder unter der weiblichen Brust. Bei Säuglingen und Kleinkindern zählt aufgrund erhöhter Resorption auch die Kopfhaut zu den problematischen Bereichen. Auf den genannten Hautarealen sollten Glucocorticoide nur wenige Tage hintereinander eingesetzt werden oder es sollte auf Alternativen ausgewichen werden (siehe unten). Die Gefahr einer erhöhten Resorption besteht auch bei okklusiven Verhältnissen, etwa im Windelbereich.

Viele Patienten kennen und fürchten die lange Liste möglicher Nebenwirkungen einer Corticoid-Therapie. PTA und Apotheker sollten Patienten im Beratungsgespräch die häufig anzutreffende Cortison-Angst nehmen: Die oft gefürchteten systemischen Nebenwirkungen, etwa Steroid-Diabetes, Cushing-Syndrom oder eine Hautatrophie, treten – wenn überhaupt – nur bei einer langfristigen systemischen Gabe auf. Nebenwirkungen der topischen Anwendung können Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen kleiner Blutgefäße), Hautinfektionen, periorale Dermatitis und Rosazea sein. Studien zeigen aber, dass das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen gering ist, wenn die Patienten die Zubereitung richtig verwenden. Der Arzt wird zudem immer die geringst mögliche Dosis verordnen.

Calcineurin-Inhibitoren

Seit 2002 gibt es eine Alternative zur topischen Therapie akuter Ekzeme: die Calcineurin-Antagonisten Tacrolimus und Pimecrolimus. Die Behandlung ist, ähnlich wie bei den topischen Glucocorticoiden, eine symptomatische antientzündliche Therapie. Patienten bekommen einen Calcineurin-Inhibitor verordnet, wenn topische Glucocorticoide nicht eingesetzt werden können oder wenn sie zu unerwünschten Wirkungen führen können. In den Problem­arealen der Cortison-Therapie können die Calcineurin-Inhibitoren als First-line-Therapie empfohlen werden, heißt es in der Neurodermitis-Leitlinie.

Der Arzt muss bei der Therapie allerdings die Altersbeschränkungen beachten: Pimecrolimus und Tacrolimus sind in der 0,03-prozentigen Formulierung erst ab dem dritten Lebensjahr zugelassen, Tacrolimus in der Konzen­tration von 0,1 Prozent erst ab dem 17. Lebensjahr. Bei schweren chronischen Gesicht-/Wangenekzemen kann der Arzt einen der Wirkstoffe allerdings auch bei Säuglingen und Kleinkindern einsetzen, heißt es in der Leitlinie.

PTA sollten Patienten, die einen Calcineurin-Inhibitor verordnet bekommen haben, auf einen wirksamen Sonnenschutz hinweisen. Direkt nach der Anwendung sollten die Patienten ihre Hände gründlich waschen und den Kontakt mit Augen und Schleimhäuten vermeiden. Zwei Stunden vor und nach dem Auftragen von Tacrolimus (nicht bei Pimecrolimus)sollten keine Hautpflegemittel verwendet werden. Bei kutanen viralen Infektionen sollte die Behandlung unterbrochen werden. Die Calcineurin-Inhibitoren dürfen auch nicht mit einer Phototherapie kombiniert werden.

In der Regel genügt eine topische Therapie, um einen akuten Schub einzudämmen. Bei schweren, großflächigen Verschlechterungen können allerdings auch systemische Arzneimittel erforderlich werden. Zur Unterbrechung eines schweren akuten Schubs bei Erwachsenen kann der Arzt eine Kurzzeittherapie mit oralen Glucocorticoiden erwägen. Wegen der möglichen Nebenwirkungen wird eine längerfristige Anwendung aber nicht empfohlen.

Ciclosporin A

Die Leitlinienautoren empfehlen zur systemischen Therapie der chronischen schweren Neurodermitis bei Erwachsenen das Immunsuppressivum Ciclosporin A. Die Anfangsdosis bei Neurodermitis beträgt 2,5 bis 3,5 mg bis maximal 5 mg/kg pro Tag, also eine deutlich geringere Dosis als beim Einsatz von Ciclosporin nach Organtransplantationen. Bei gutem Ansprechen empfehlen die Leitlinienautoren eine Therapieunterbrechung nach vier bis sechs Monaten. Ciclosporin kann auch bei Kindern und Jugendlichen mit therapieresistentem, sehr schwerem Verlauf der Neurodermitis off Label eingesetzt werden.

Während der Behandlung mit Ciclo­sporin sollten Patienten nicht mit Lebend­impf­stoffen geimpft werden. Aufgrund eines erhöhten Risikos der Tumor­entstehung ist Ciclosporin auch nicht mit einer Phototherapie zu kombinieren. Die Patienten sollten außerdem auf einen guten Lichtschutz achten. Einen Hinweis im Beratungsgespräch ist auch der Alkohol­gehalt der Ciclosporin-Kapseln und -Lösungen wert. Bei Schwangeren, Stillenden, Alkoholkranken und Epileptikern kann die Einnahme unter Umständen zu Problemen führen.

Kontraindiziert ist die Gabe von Ciclosporin bei Nierenfunktionsstörungen, da der Wirkstoff selbst die Niere schädigen kann. Während der Einnahme wird der Arzt auch alle vier bis sechs Wochen die Nierenparameter des Patienten überprüfen.

Bleibt ein Erfolg unter der Ciclosporin-Therapie aus, kann der Arzt alternativ Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder Methotrexat verordnen. Allerdings erfolgt der Einsatz dieser Wirkstoffe bei Neurodermitis off Label. Den Anti-IgE-Antikörper Omalizumab empfehlen die Leitlinienautoren nicht bei Neurodermitis. Auch zu anderen Biologika raten die Experten (noch) nicht: Zwar gibt es einzelne Fallberichte zur Wirksamkeit verschiedener Biologicals, die generelle Studienlage erlaube jedoch noch keine Bewertung zum Einsatz bei Neurodermitis.

Eine Phototherapie wie die PUVA-Therapie (Psoralen + UVA) wird ebenfalls bei verschiedenen entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt. In der Leitlinie wird sie adjuvant in akuten Krankheitsphasen der Neurodermitis bei Patienten über 18 Jahren empfohlen. Auch bei Jugendlichen über zwölf Jahre kann der Einsatz der Lichttherapie erwogen werden. /

Weitere Leitlinienempfehlungen

  • Spezielle antimikrobielle Neuro­dermitis-Wäsche (etwa mit Silber­nitrat) kann bei chronischer Neurodermitis erwogen werden.
  • Antihistaminika: Keine Evidenz für H1-Antihistaminika bei Neurodermitis-bedingtem Juckreiz, können aber in Einzelfällen in Kombina­tion mit anderen Therapiemaßnahmen eingesetzt werden. H2-Antihistaminika und topische H1-Antihistaminika werden nicht empfohlen.
  • Mastzellstabilisatoren und Ketotifen: keine Empfehlung.
  • Lactobazillen und essenzielle Fettsäuren (γ-Linolensäure) werden aufgrund der aktuellen Studienlage nicht empfohlen.
  • Bei Neurodermitikern mit Hausstaubmilbenallergie: spezielle Bettbezüge (Encasings) erwägen.
  • Psychologische Therapie kann er­wogen werden, empfohlen werden besonders verhaltensthera­peutische Interventionen.
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