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Übelkeit

Hilfe bei Magen­verstimmung & Co.

Wenn jemand in der Apotheke ein ­Mittel gegen Übelkeit verlangt, ist ­Ursachenforschung unverzichtbar. Bei Frauen zum Beispiel kann Übelkeit Symptom eines Herzinfarkts sein. Dieser untypische »Eva-Infarkt« kommt oft ganz harmlos daher: ohne be­klemmende Brustenge, ohne Ver­nichtungsschmerz, ohne Todesangst. Übelkeit – oft mit, aber auch ohne ­Er­brechen – kann sogar das einzige Anzeichen eines weiblichen Herzinfarkts sein. Manchmal gesellen sich weitere un­spezifische Symptome wie Schwäche, Müdigkeit und Kopfschmerzen hinzu. Auch Kurzatmigkeit ist typisch für den weiblichen Myokardinfarkt.

Das unspektakuläre Szenario des Eva-Infarkts birgt das Risiko von Fehl­diagnosen, wobei speziell Übelkeit und Erbrechen oft falsch gedeutet werden – ein Irrtum, der tödlich ausgehen kann. Wichtig zu wissen: Die unspezifischen weiblichen Herzsymptome treten eventuell schon Wochen vor dem ­eigentlichen Herzinfarkt auf. Vor allem wenn Frauen mittleren und höheren Alters wegen Übelkeit und Erbrechen die Apotheke aufsuchen, sollten PTA und Apotheker diese Möglichkeit im Hinterkopf haben. Das gilt auch für ein breites Spektrum weiterer Erkran­kungen: Möglich sind in seltenen Fällen auch zerebrale Ursachen, von einer ­Gehirnerschütterung bis hin zu Hirn­tumoren. Bei heißem Wetter könnte zudem ein Sonnenstich hinter Übelkeit und Erbrechen stecken, Stresssituationen können ebenfalls Auslöser sein. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist schließlich auch an die Möglichkeit ­einer Schwangerschaft zu denken.

Ohne ärztlichen Rat kann eine Selbstmedikation in Erwägung ge­zogen werden, wenn die Beschwerden leicht bis moderat sind und der Be­troffene eine plausible Erklärung für seine Übelkeit präsentiert: zum Beispiel ein Kater nach einer durchfeierten Nacht, Stress vor einer wichtigen Prüfung oder Übelkeit nach einer langen Busfahrt. Ist unklar, was die Übelkeit auslöst, sind die Beschwerden schwerwiegend und/oder bestehen sie schon längere Zeit, sollte die PTA dem Patienten zum Arztbesuch raten.

Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen sind Alarmsymptome, die über das im Hirnstamm lokalisierte Brechzentrum gesteuert werden. Neurotransmitter, die bei der Aktivierung des Brech­zentrums eine Rolle spielen, sind Serotonin, Dopamin und Histamin. Wird das Brechzentrum nur leicht aktiviert, tritt Übelkeit auf. Empfängt das Brech­zentrum starke Signale, wird als Schutzreflex Erbrechen ausgelöst.

Gut vernetzt

Das Brechzentrum ist nicht nur über den Nervus vagus mit dem Magen-Darm-Trakt vernetzt, sondern empfängt auch Signale von Großhirnrinde, Kleinhirn und Gleichgewichtsorgan. So erklärt sich, dass unterschiedliche ­Phänomene wie Gerüche, Angst und hoher Seegang Übelkeit auslösen k­önnen. Außerdem steht das Brech­zentrum mit der Area postrema – einem zirkumventrikulären Organ in der Hirnventrikelwand, in dessen Bereich die Blut-Hirn-Schranke unterbrochen ist – in Kontakt und wird von dort mit Informationen versorgt. Da das Brechzentrum ausgesprochen druckempfindlich ist, kann zudem ein intrakra­nieller Druckanstieg oder die Kompression durch einen Hirntumor ­Erbrechen auslösen. Liegt des Übels Wurzel im Gastrointestinaltrakt, ist ein verdor­bener Magen die harmloseste Variante. Es könnte aber auch eine ­Lebensmittelvergiftung hinter der Übelkeit stecken, vor allem dann, wenn sie mit Erbrechen verbunden ist. Auch eine akute Magenschleimhautentzündung (Gastritis), ein Magengeschwür (Ulcus ventriculi) oder eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) können für die Beschwerden verantwortlich sein.

Hohe Wellen und enge Kurven

Hoher Seegang und Haarnadel­kurven machen vielen Reisenden zu schaffen. Und auch wer im Urlaub einen Kamelritt plant, sollte sich ­wegen der schaukelnden Gangart dieser Tiere auf Übelkeit und Schwindel gefasst machen. Das Gleich­gewichtsorgan im Innenohr, die ­Augen sowie muskuläre Rezeptoren liefern dabei widersprüchliche Informationen ans Gehirn – und von diesem Datensalat wird empfindlichen Menschen übel und schwummerig.

Der Klassiker zur Prophylaxe und Therapie der Reisekrankheit (Kine­tose) ist Ingwer. Generationen von See­leuten haben sich schon auf ­stürmischer See durch das Kauen von ­Ingwerwurzel über Wasser gehalten. Dimenhydrinat bekämpft auch den begleitenden Schwindel. Trans­dermale therapeutische Systeme mit dem Parasympatholytikum Scopo­lamin, die den Wirkstoff über drei Tage hinweg freisetzen, sind rezeptpflichtig.

Gereizter Magen

Eine knifflige Angelegenheit ist der Reizmagen (funktionelle Dyspepsie), der ebenfalls häufig mit Übelkeit ­einhergeht. Obwohl es sich um eine r­elativ harmlose Erkrankung handelt, können die Beschwerden heftig sein und die Betroffenen stark belasten. Eine organische Ursache ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, was aber nicht zwingend heißt, dass die Beschwerden auf psychischen Stress ­zurückführen sind.

Der Reizmagen wird per Ausschluss­verfahren diagnostiziert. Art und Ausmaß der Beschwerden variieren, auf ­jeden Fall aber sind sie rezidivierend. Brennende, dumpfe oder krampfartige Schmerzen im Oberbauch sind ein wichtiges Leitsymptom, das von Völlegefühl, Aufstoßen, Sodbrennen und Übelkeit begleitet sein kann. Offenbar besteht eine erhöhte Empfindlichkeit des ­Magens gegenüber äußeren und inneren Reizen, wobei neben Stress auch die Ernährung eine Rolle spielen kann. In vielen Fällen reagiert der ­Magen mit ­Bewegungsstörungen, was zu einer längeren Verweildauer des Nahrungsbreis, aber auch zu einer ­beschleunigten ­Magenentleerung f­üh­ren kann.

Sowohl bei Motilitätsstörungen als auch bei dominierender Säureproblematik kann Übelkeit ein Symptom des Reizmagens sein. Bei säureassoziierter Übelkeit ist ein Therapieversuch mit Antazida sinnvoll. Die Indikation für Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) wie Pantoprazol und Omeprazol ist wegen deren Risikopotenzial kritisch zu stellen­, wie Experten angesichts des inflatio­nären Gebrauchs betonen. Der Reiz­magen zählt nicht zu den klassischen Indikationen für PPI. Ihre Anwendung sollte auch generell ohne ärztlichen Rat immer nur kurzzeitig erfolgen.

Lässt das Beschwerdebild auf Mo­tilitätsstörungen schließen, sind Pro­kine­tika Mittel der Wahl. In der Selbstmedikation bietet sich vor allem das pflanzliche Kombinationspräparat Ibero­gast® an. Es hat sich beim Reiz­magensyndrom einschließlich der damit verbundenen Übelkeit bewährt und wird in der aktuellen Leitlinie zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie empfohlen. Das Präparat enthält neun verschiedene Heilkräuter, die syner­gistische Wirkungen entfalten und die Magen-Darm-Funktion harmonisieren.

Im Überblick

Selbstmedikation bei Übelkeit und Präparate-Beispiele:

  • Pflanzliche Kombination aus Kamille­, Kümmel, Bitterer Schlei­fen­blume, Angelikawurzel, Pfeffer­minze, Mariendistel, Melisse­, Schöllkraut und Süß­holzwurzel (Iberogast®)
  • Ingwer (Zintona® Kapseln)
  • Dimenhydrinat (Superpep® Kau­gummi-Dragées, Vomex® A Tabletten­, Sirup, Suppositorien, Reisetabletten Stada®)
  • Diphenhydramin (Emesan® Tabletten)
  • Homöopathie: Nux vomica D12, Ipecacuanha D6, Cocculus D4, Travelin®, Nausyn®, Cocculus Pentarkan®
  • Vitamin-B-Trio (Nausema® Dragées) bei Schwangerschaftsübelkeit

Gegenstand von Diskussionen ist schon längere Zeit die Frage, ob Warnhinweise vor möglichen Leberschäden in der Packungsbeilage von Iberogast erscheinen sollen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte bereits 2008 einen Stufen­planbescheid erlassen. Die Zulassung für Präparate mit mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden wurde ­widerrufen, Schöllkraut-haltige Arzneimittel mit einem Alkaloidgehalt von mindestens 2,5 μg Tagesdosis sollten Warnhinweise wegen potenzieller Leberschäden bekommen. Hersteller Bayer hat sich nun zehn Jahre lang gerichtlich erfolg­reich gegen die Warnhinweise gewehrt. Das Verfahren dauert aktuell noch an. In der Schweiz dagegen wurden­ Beipackzettel und Fachinformation von Iberogast kürzlich durch einen entsprechenden Warn­hinweis ergänzt.

Dimenhydrinat und Diphenhy­dramin, H1-Antihistaminika der ersten Genera­tion, blockieren Histamin-Rezep­toren in der Area postrema und bewirken eine selektive Dämpfung des Brechzentrums. Dimenhydrinat wird in verschiedenen Dar­reichungsformen für Erwachsene und Kinder ange­boten. Zu beachten sind das anticholinerge Potenzial sowie die sedierende Wirkung. Wegen des Abhängigkeitsrisikos soll auch dieser Wirkstoff nur kurz­fristig angewendet werden.

Scharfe Knolle

Die Inhaltsstoffe des Ingwers (Zingiber officinale) entfalten ihre antiemetische Wirkung am 5-HT3-Rezeptor für Serotonin. Ingwer – entweder als Teeaufguss der frischen Wurzel oder als Fertigpräparat – ist bei unterschiedlichen Formen der Übelkeit einen Versuch wert. Die Dosierempfehlung lautet 2 bis 4 g Droge pro Tag. Laut Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszen­trum für Embryonaltoxikologie an der Charité Berlin, ist trotz wehenfördernder Effekte eine kurzfristige Anwendung von Ingwer auch in der Schwangerschaft unbedenklich. Ebenfalls für den Einsatz bei Schwangerschaftsübelkeit eignet sich Vitamin B6 (Pyridoxin), das zusammen mit Vitamin B1 und B12 in einem Kombinationspräparat enthalten ist.

Die Homöopathie em­pfiehlt Nux vomica D12 bei Übelkeit nach üppigem Essen sowie arzneimittelbedingter Übelkeit, Okoubaka D3 bei Nahrungsmittelunverträglichkeit, Ipecacuanha D6 bei Übelkeit und Erbrechen infolge von ­Magen-Darm-Infekten und Cocculus D4 gegen die Reisekrankheit. /

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