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Polymedikation

Krankmachende Kombinationen

Datum 27.08.2018  11:58 Uhr

Von Caroline Wendt / Menschen mit mehreren chronischen Krankheiten müssen oft viele verschiedene Arzneimittel ein­nehmen. Denn alleine für die Therapie einer einzelnen Erkrankung sehen die Leitlinien meist eine Kombination ver­schiedener Wirkstoffe vor. Deshalb führt die Behandlung mehrerer Krankheiten fast unweigerlich zu einer Polymedi­kation. Das betrifft vor allem Senioren.

Per WHO-Definition liegt eine Polymedikation dann vor, wenn ein Patient fünf oder mehr Medikamente dauerhaft einnehmen muss. »Gerade in Pflegeheimen trifft das auf etwa 70 Prozent der Patienten zu«, berichtet Dr. med. Olaf Krause, Oberarzt der Medizinischen Hochschule Hannover, im Gespräch mit PTA-Forum. Doch bestünde bei der Einnahme mehrerer Arzneimittel nicht automatisch Anlass zur Sorge. »Sind die Medikamente sinnvoll kombiniert, können so Therapieziele wie eine Blutdrucksenkung oder die Einstellung des Blutzuckers gut erreicht werden«, erklärt er. Schwierig wird es, wenn nicht mehr klar ist, weshalb Arzneimittel eingenommen werden. Soll mit ihnen ein Krankheitssymptom therapiert werden oder dienen sie lediglich dazu, die Nebenwirkungen eines anderen Arzneimittels in Schach zu halten? Solche Verschreibungskaskaden führen dazu, dass die Patienten immer mehr Tabletten, Kapseln oder Tropfen einnehmen, ohne dass eine eindeutige Indikation vorliegt.

Das Risiko für Nebenwirkungen ist bei älteren Menschen aufgrund einer veränderten Pharmakokinetik erhöht. Leber und Nieren arbeiten häufig insuffizient. Arzneistoffe werden deshalb langsamer metabolisiert beziehungsweise die Ausscheidungsraten nehmen ab. Beides kann dazu führen, dass die Arzneistoff-Konzentration im Körper steigt. Die Folge: mehr Nebenwirkungen. Das Anreichern von pharmakologisch wirksamen Stoffen ist besonders bei Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite gefährlich (zum Beispiel bei Digoxin).

Zudem weist der Organismus älterer Menschen häufig veränderte Verteilungsvolumina auf: Die Muskelmasse und das Gesamtkörperwasser nehmen ab, der Fettanteil hingegen relativ zu. So kann sich die Halbwertszeit von fettlöslichen Arzneimitteln (beispielsweise Diazepam) zusätzlich verlängern.

Auch der Serumalbuminspiegel nimmt im Alter häufig ab. Dieses Blutplasma­protein ist an der Bindung vieler Arzneimittel beteiligt (zum Beispiel Warfarin oder Phenytoin).

Deshalb sollten ältere Patienten manche Arzneimittel besser meiden. Zu finden sind diese potenziell ina­däquaten Medikamente (PIM) auf der Priscus-Liste. Sie ist nach Substanzklassen geordnet und nennt nach Möglichkeit Therapiealternativen. Falls doch ein PIM verordnet werden muss, beschreibt die Liste erforderliche Maßnahmen wie eine Dosisreduktion, um den Patienten vor unerwünschten Wirkungen zu schützen. Doch leider halten sich nicht alle verschreibenden Ärzte an diese Vorgaben. In der Interventionsstudie HIOPP-3-iTBX mit dem Titel »Angemessene und sichere Medikation für Heimbewohner/innen mithilfe einer interprofessionellen Toolbox (AMTS-Toolbox)« untersucht Krause mit seinem Team und Partnern in Rostock, Düsseldorf, Witten-Herdecke und Tübingen, wie sie die Medikation von Pflegeheimbewohnern optimieren können. In dieser Studie überprüfen speziell geschulte Apotheker die Medikationspläne der Heimbewohner, die Landesapothekerkammern sind dabei Kooperationspartner. »Finden die Apotheker zum Beispiel Interaktionen, Doppelt­verordnungen verschiedener Ärzte oder Probleme bei der Sondengängigkeit von Medikamenten, melden sie diese an den jeweiligen Hausarzt«, so der Oberarzt. Ziel der Studie ist aber auch, den Einsatz von Medikamenten der Priscus-Liste und speziell von Neuroleptika zu reduzieren. Die zentral wirksamen Stoffe führen häufig zu Benommenheit, Schwindel, parkinsonähnlichen Bewegungs­störungen oder Blutdruckabfall. Stürze, Krankhaus­einweisungen und Demobilisierung sind die Folge.

Neben Ärzten und Apothekern spielt in der Studie auch das Pflegepersonal eine entscheidende Rolle. »Sie sind diejenigen, die am nächsten am Patienten dran sind«, betont Krause. Somit müssen sie auftretende Nebenwirkungen erkennen und melden. Aber auch die Verschlechterung des Allgemeinzustandes darf nicht unbemerkt bleiben: Manchmal verstärken Medikamente die Symptome einer Krankheit. So kann beispielsweise die Einnahme eines Anticholinergikums zur Behandlung einer Blasenschwäche eine Demenz verschlimmern. Ein Knackpunkt stellt für den Oberarzt eine gute Kommunikation zwischen den drei Berufsgruppen Arzt, Apotheker und Pflegepersonal dar. »Diese ist jedoch mitunter schwierig«, erklärt Krause. Deshalb beinhalte die Studie auch ein sogenanntes Change-Management. Dabei handelt es sich um eine Herangehensweise, wie sie in der Industrie genutzt wird, um neue Prozesse zu organisieren. »Wir müssen lernen, Schwachstellen zu identifizieren und zu überwinden«, erklärt der Mediziner.

Dennoch stärkt die Studie die Position der Heimapotheker, so Krause. »Hier eröffnen sich neue Einsatzgebiete für Apotheker und PTA«. Regelmäßige Checkups der Medikation – zum Beispiel einmal pro Jahr – könnten seiner Meinung nach viele arzneimittelbezogene Vorfälle verhindern. Außerdem sollte immer, wenn ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen oder wenn ein neues Medikament verordnet wird, eine Überprüfung des Medikationsplans stattfinden, so der Oberarzt. Die Ergebnisse der laufenden HIOPP-3 Studie sind laut Krause nicht vor 2019 zu erwarten. Die Resultate einer vorangegangen Studie – der Tandem-Visite – waren jedoch vielversprechend. Hier konnte gezeigt werden, dass viele Pflegeheimbewohner von der intensiven Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Ärzten und Pflegepersonal profitieren. /

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