Wenn die Milch den falschen Weg geht |
Eine alte Hebammen-Weisheit lautet: »Speikinder sind Gedeihkinder«. Obwohl fast jedes Baby einen Teil der getrunkenen Milch wieder ausspuckt, nehmen die meisten gut zu. Viele Eltern sind beim ersten Kind jedoch verunsichert, wenn es nach dem Trinken speit. Sie fragen sich dann oft, ob überhaupt genug Milch im Magen geblieben ist. Diese Sorge ist meist unbegründet, denn häufig sieht die ausgespuckte Milchmenge nach viel mehr aus, als es tatsächlich ist. Bei manchen Kindern kommt mit dem Bäuerchen nach der Mahlzeit eine größere Menge wieder nach oben, andere spucken zeitverzögert immer wieder kleinere Mengen aus. Ist die Windel regelmäßig feucht und steigt das Gewicht, können die Eltern beruhigt sein. Beides sind die besten Indikatoren, dass das Baby ausreichend mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt ist.
Der Grund für den sogenannten gastroösophagealen Reflux: Bei Babys schließt das Zwerchfell, das den Übergang zwischen Speiseröhre (Ösophagus) und Magen (Gaster) kontrolliert, noch nicht richtig. Das ist vollkommen normal und wächst sich bei mehr als 90 Prozent der Kinder bis zum ersten Geburtstag von alleine aus. Die Kleinen selbst stört es häufig nicht, für die Eltern bedeutet es mitunter Berge an Wäsche. Mit ein paar kleinen Tricks lässt sich der Rückfluss jedoch vermeiden (siehe Kasten).
Sollte der Säugling allerdings nach dem Trinken schwallartig erbrechen, sehr unruhig sein, sehr häufig (vor allem nachts) husten und nicht genügend zunehmen, müssen die Eltern den Kinderarzt aufsuchen. Enthält die herausgelaufene Milch sogar blutige oder bräunliche Fäden, ist unverzügliches Handeln gefragt. Das Baby sollte noch am selben Tag vom Arzt untersucht werden. Dann liegt vermutlich eine Speiseröhren- oder Magenblutung vor.
Bei etwa jedem zehnten Säugling übersteigt der Reflux das normale Maß. Diese Babys entwickeln sich dann nicht nur schlecht, sondern die dauernde Reizung der mit Magensäure anverdauten Milch kann zur Entzündung der Speiseröhre (Ösophagitis) führen. Anzeichen für eine Ösophagitis bei Säuglingen sind extreme Unruhe nach den Mahlzeiten und eine Überstreckung, bei dem das Baby Kopf und Oberkörper nach hinten verbiegt. Aufgrund des Nahrungsmangels trinken manche Säuglinge besonders gierig, andere verweigern das Trinken vor Schmerzen oder weil sie bereits zu geschwächt sind.
Gefährlich ist der Reflux besonders nachts: Dann kann die anverdaute Milch in die Luftwege geraten und dort zu Reizhusten, chronischer Bronchitis und Lungenentzündungen führen. Auch steigt das Risiko für Mittelohrentzündungen und gefährliche Atempausen im Schlaf (Schlafapnoe). Eine schwere Refluxerkrankung kann zu Mangelernährung und Blutarmut führen.
Hilfe vom Kinderarzt
Helfen allgemeine Maßnahmen nicht, verschreibt der Kinderarzt als Mittel der Wahl den Protonenpumpenhemmer Omeprazol (keine Selbstmedikation!). Der Wirkstoff sollte als Multi-Unit-Pellet-System (MUPS) vorliegen. Ihr Vorteil: MUPS-Kapseln können die Eltern auf einem Teelöffel mit Wasser auflösen und dem Kind einflößen. Möglicherweise verordnet der Pädiater auch ein H2-Antihistaminikum, ein Antacidum oder ein Prokinetikum. Zusätzliche Atemprobleme behandelt er symptomatisch mit einem Antiasthmatikum. Sehr schwere Fälle von gastroösophagealem Reflux erfordern eine Operation.
Bei manchen Babys ist eine angeborene Magenpförtnerenge (Pylorusstenose) für das schwallartige Spucken verantwortlich. Die Muskelschicht des Magenpförtners, der den Abfluss des Mageninhalts in den Zwölffingerdarm kontrolliert, ist zu stark verdickt, daher kann die Nahrung nicht gut weitertransportiert werden und kommt wieder hoch. Eine Pylorusstenose macht sich meist in einem Alter von zwei Wochen bis drei Monaten bemerkbar, die Babys erbrechen nach jeder Mahlzeit den gesamten Mageninhalt. Sie nehmen ab und trocknen aus. Während die Eltern und auch der Kinderarzt normalerweise bei Babys mit Refluxerkrankung zunächst den Erfolg der Behandlung abwarten, müssen Säuglinge mit Magenpförtnerenge in der Regel schnell operiert werden. Etwa bei drei von 1000 Neugeborenen tritt die Erkrankung auf. Jungen sind viermal häufiger betroffen als Mädchen.
Ausführliche Informationen rund um das Thema Reflux unter www.refluxkinder.de auf der Website des Vereins Refluxkinder. /